In der Schweiz leben ungefähr 1,7 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Die Anzahl Kinder, die von einer Behinderung betroffen ist, ist schwer einzugrenzen, da sie von der De­finition und dem berücksichtigten Schweregrad abhängt. Hierzulande sind schätzungsweise* 10‘000 Kinder mit einer schweren Behinderung und weitere 44‘000 Kinder mit einer leichte­ren Behinderung konfrontiert. Unabhängig davon, was für eine Beeinträchtigung es ist, ob eine körperliche, eine geistige oder eine psychische, so kann dies für die betroffenen Fami­lien eine starke Belastung darstellen. Eine Beeinträchtigung erschwert oder verunmöglicht, all­tägliche Verrichtungen, soziale Kontakte, die persönliche Bewegungsfreiheit, die Aus­übung einer Erwerbstätigkeit, aber auch die Aus- oder Fortbildung der betroffenen Person.

* Quelle: BFS, 2017, Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren
Worauf hat mein Kind mit Behinderungen Anrecht?

Eltern von Kindern mit Handicap sind gefordert. Sie müssen sich schwierigen Fragen stellen und sich mit dem komplizierten System der Sozialversicherungen auseinandersetzen. Ein Kind mit Behinderungen zu haben, erfordert – neben einer umfangreichen Betreuung – oft auch einen grossen administrativen Aufwand und stellt hohe finanzielle Anforderungen an eine Familie. Der Procap-Ratgeber «Was steht meinem Kind zu?» führt durch den Dschungel der Sozial­versicherungsgesetze und hilft Eltern, sich darin zurecht zu finden. Alternativ stehen Ihnen folgende Angebote zur Verfügung: Der «Rechtsratgeber - Behindert was tun» von Pro Infirmis und die Sozialberatung von Pro Infirmis – diese bietet Direkthilfe (d.h. teilweise werden auch Budgets gemacht und gewisse Dinge mitfinanziert). Ausserdem anerbietet sich die Rechtsberatung von procap. Procap verfügt über eigene Juristen, die einen besonderen Fokus auf das Sozialversicherungsrecht für Kinder legen. Des Weiteren können die Beratung der Schweizerischen Stiftung für das cerebral gelähmte Kind sowie Sozialberatungen der Schweizer Kinderspitäler oft bei sozialversicherungsrechtlichen Fragen weiterhelfen.

Wo erhalten pflegende Eltern und Angehörige Entlastungsangebote?

Entlastung für pflegende Eltern und Angehörige ist wichtig und nötig. Zögern Sie nicht, diese in Anspruch zu nehmen. Mittels medizinischen Massnahmen (wie z.B. die Kinderspitex) oder in Form einer Hilflosenentschädigung, eines Intensivpflegzuschlags oder eines Assistenz­beitrags lässt sich für Eltern mit behinderten Kindern zeitweise eine Entlastung finanzieren. Kantonale Entlastungsdienste werden von unterschiedlichen Organisationen angeboten, sind kantonal geregelt und deren Finanzierung ist sehr unterschiedlich. In der Regel übernehmen die Eltern einen Teil der Kosten.

Entlastungsangebote bieten:

Gibt es familienergänzende Betreuungsangebote für Kinder mit einer Behinderung?

Ob ein Kind mit einer Behinderung in einer Kindertagesstätte betreut werden kann, hängt stark vom Wohnort der Familie ab: Vielerorts herrscht Angebotsmangel – trotz substan­ziel­lem Bedarf. Für Kinder mit schweren Behinderungen bieten nur gerade vier Kantone (BS, GE, VD, ZG) und eine Stadt (Zürich) ein ausreichendes und diskriminierungsfreies Angebot – in der Mehrheit der Kantone gibt es für diese Kinder keinen Betreuungsplatz. Die Betreuung bleibt somit vielerorts den Eltern überlassen, was deren Erwerbsmöglichkeiten massiv einschränkt. Eine Analyse von Procap Schweiz zeigt den Handlungsbedarf der einzelnen Kantone auf und enthält auch nützliche Adressen von Kindertagesstätten, die Kinder mit Behinderungen betreuen und kantonalen Anlaufstellen. Weitere aktuelle Informationen zum Thema finden sich hier: www.procap.ch/kita. Für Kinder mit leichteren Behinderungen wurde in diversen Deutschschweizer Kantonen das Projekt Kitaplus etabliert.

Soll mein Kind eine Regel- oder eine Sonderschule besuchen?

Der Schuleintritt stellt viele Familien von Kindern mit Behinderungen vor grosse Herausforde­rungen. Erste Ansprechperson ist oft die zuständige Person der Heilpädagogischen Früherziehung. Die Heilpädagogische Früherziehung unterstützt das Kind und die Familie individuelle Lösungen für individuelle Bedürfnisse zu suchen und zu priorisieren. Bei rechtlichen Fragen steht auch der Gleichstellungsrechtsdienst von Inclusion Handicap zur Verfügung.

Wo erhalten wir finanzielle Unterstützung?

Die Invalidenversicherung (IV) ist der bedeutendste Pfeiler der Invalidenvorsorge in der Schweiz. Es handelt sich hierbei um eine obligatorische Versicherung, die zum Ziel hat, den Versicherten mit Eingliederungsmassnahmen oder Geldleistungen die Existenzgrundlage zu sichern, wenn diese invalid werden. Zum Bezug von Leistungen der IV müssen versicherte Personen bei der IV-Stelle ihres Wohnsitzkantons eine Anmeldung einreichen. Je nach Ausgangslage und Komplexität der Situation lohnt es sich, vorgängig mit einer Beratungs­stelle oder dem Arzt / der Ärztin des Kindes Kontakt aufzunehmen, um das beste Vorgehen zu besprechen.

Wo gibt es Unterstützung im Bereich Freizeit und Ferien?
  • Die Stiftung Sternschnuppe ermöglicht Familien mit Kindern mit Behinderungen sowie Gruppen den Besuch von zahlreichen Freizeiteinrichtungen sowie einmal im Leben einen grösseren Wunsch: Sternschnuppe
  • Die Stiftung Kinderhospiz ermöglicht Familien mit Kindern mit Behinderungen Ferien­wochen in Davos: Kinderhospiz Schweiz
  • Diverse Zoos und Tierpärke öffnen im Rahmen der «Dreamnight» einmal jährlich ihre Tore ausserhalb der normalen Öffnungszeiten speziell für Familien mit Behinderungen; oft mit speziellen Attraktionen für Familien. Dies ist auch eine Gelegenheit, andere Familien in ähnlicher Situation kennen zu lernen.
  • Die Stiftung "Denk an mich" unterstützt Ferien und Freizeitaktivitäten von finanziell benachteiligten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderungen. Sie können hier eine finanzielle Unterstützung beantragen.
Lehrstellensuche mit Behinderung oder chronischer Krankheit

Auf dem Lehrstellenportal von EnableMe finden Jugendliche, ihre Eltern und Lehrpersonen nicht nur Stellen von inklusiven Lehrbetrieben, sondern auch hilfreiche Informationen zum Thema Lehrstellensuche. So erhalten Jugendliche beispielsweise Tipps zur Bewerbung mit Behinderungen, lernen die unterschiedlichen Merkmale einer EBA- und EFZ-Lehre kennen und erfahren mehr darüber, weshalb eine Schnupperlehre so wichtig ist.

Peer-Programm «Jugendliche helfen Jugendlichen»

Sich mit jemandem auszutauschen und die eigenen Ängste und Sorgen zu teilen, ist wichtig. Dank des Peer-Programmes «Jugendliche helfen Jugendlichen» von EnableMe erhalten Jugendliche, Mut und Unterstützung von anderen Jugendlichen, die Dasselbe oder Ähnliches erlebt haben.  Hilfesuchende erhalten Antworten auf ihre Fragen und einen Erfahrungsaus­tausch aus erster Hand (Peer-to-Peer-Prinzip). In welcher Form dieser Austausch stattfinden soll, entscheiden die Jugendlichen selbst. Geschult und begleitet werden die jungen Helfer:innen von erfahrenen Team-Mitgliedern von der Stiftung MyHandicap. Sobald sich ein Jugendlicher sich mit einem anderen, selbstbetroffenen Jugendlichen austauschen möchte, sucht die Stiftung MyHandicap eine passende Person und stellt einen ersten Kontakt her. Der Austausch kann persönlich (bei einem Treffen), telefonisch, per E-Mail oder anonym (im Forum) stattfinden.

Weitere nützliche Hinweise
  • Mit einem Kind mit Behinderung steigt die Wahrscheinlichkeit sehr stark an, in rechtliche Auseinandersetzungen mit den Behörden oder mit Versicherungen verwickelt zu werden – was rasch teuer werden kann. Ein Abschluss einer Rechtschutzversicherung ist daher sehr empfehlenswert, oft haben Berufsverbände günstige Angebote. Wichtig ist, die Ver­sicherungspolice genau anzuschauen. Die Versicherung sollte betragsmässig eine ge­nügend hohe Deckung umfassen und auch Streitigkeiten in den Bereichen Gesundheit und Schule abdecken. Weiter sollte die Versicherung nicht nach jedem Schadenfall von Seiten der Versicherungsgesellschaft kündbar sein.
  • Für Kinder mit medizinischen Herausforderungen ist es wichtig, genügend Deckung bei Rettungstransporten per Ambulanz und Helikopter zu haben.
  • Die einzelnen Behinderungsarten unterscheiden sich sehr stark in ihren Herausforderun­gen und dadurch entstehenden Bedürfnissen. Es empfiehlt sich in der Regel:
    • eine Mitgliedschaft in einer Organisation spezifisch zur Behinderung des Kindes abzu­schliessen z.B. im Bereich Autismus (für die Deutschschweiz): Autismus deutsche Schweiz bei kognitiven Einschränkungen: Insieme, bei Epilepsie: epi suisse, wo ganz konkrete Probleme in Bezug auf eine spezifische Behinderung im Vordergrund stehen sowie
    • eine Kontaktaufnahme zu einer behinderungsübergreifenden Organisation wie z.B. pro infirmis oder Procap, wo sozialversicherungsrechtliche Fragen geklärt werden können.
  • In einigen Regionen bietet Procap ein Elternforum an, wo Eltern sich vernetzen, austau­schen und ihre Wünsche einbringen können.

News


Anstellung bei der Spitex - Wenn die Pflege von Angehörigen zum Job wird

Rund 600’000 Menschen in der Schweiz müssen Alltag, Beruf und die Pflege von Angehörigen unter einen Hut bringen. Neuerdings kann man sich dafür bei einer Spitex anstellen lassen. Der Lohn hilft, aber viel wichtiger ist die Wertschätzung für einen Job, der zuvor gratis geleistet wurde. SRF-Beitrag | Anstellung von pflegenden Angehörigen bei der Spitex

Nützliche Publikationen

20. Dezember 2024

Schweizerische Sozialversicherungsstatistik 2024, BSV, 2024

Das BSV berechnet jährlich die Gesamtrechnung der Sozialversicherungen GRSV. Diese stützt sich auf die Finanzdaten aller Sozialversicherungen und dient dem Bund als Grundlage seiner Sozialversicherungspolitik. Das Bundesamt für Statistik (BFS) ers...