Die Vereinbarkeit von Berufsleben und Betreuung von Angehörigen stellt eine besondere Herausforderung für die betroffenen Mitarbeitenden dar. Oft wird der hohen Belastung zu wenig bzw. nicht rechtzeitig Rechnung getragen, weder von den Betroffenen selbst noch vom privaten oder beruflichen Umfeld. Die Doppelbelastung kann das körperliche und psychische Befinden von Mitarbeitenden beeinträchtigen und früher oder später zu einer Überforderung führen, die sich negativ auf Gesundheit, Motivation und Leistungsfähigkeit auswirkt.
Definition einer work&care-Situation
In einer work&care-Situation befinden sich Mitarbeitende, welche zusätzlich zu ihrer Erwerbstätigkeit in ihrem privaten / familiären Umfeld regelmässig, zeitintensiv und über eine längere Dauer Unterstützungs- und Betreuungsaufgaben für nahestehende Bezugspersonen wahrnehmen, z.B. regelmässiges Engagement für betagte Eltern, Betreuung eines Kindes nach einem schweren Unfall, Unterstützung des chronisch-kranken Lebenspartners, Pflege der schwer erkrankten Ehefrau.
Beratung durch die betriebliche Sozialarbeit
Mitarbeitende in einer work&care-Situation können sich für Beratung und Unterstützung direkt bei den betrieblichen Sozialarbeitenden melden. In einem Gespräch werden die Belastungen und Bedürfnisse analysiert. Dabei können sinnvolle Entlastungsmöglichkeiten (sowohl im Beruf wie im Privaten) definiert und angegangen werden. Ebenso können sich Führungskräfte und HR-Verantwortliche, die in ihrem Bereich Kenntnis von einer work&care-Situation haben, für eine Beratung zur Thematik und zum weiteren Vorgehen an die betriebliche Sozialarbeit wenden.
Flexibilität und Entlastung für Mitarbeitende
Oft lassen sich bereits nach einer Situationsanalyse entlastende erste Schritte definieren und in Zusammenarbeit mit der Führungskraft umsetzen (z.B. Gewährung von flexiblen Arbeitszeiten, Homeoffice, Bezug von Ferientagen, Ferienkauf). Ist die work&care-Situation ausgewiesen und länger andauernd, stehen verschiedene weitere Möglichkeiten der Entlastung zur Verfügung (work&care-Massnahme 1, 2 oder 3). Bei einer ausgewiesenen work&care-Situation erfolgt dann der Einbezug der Führungskraft zum Definieren der weiteren Schritte sowie eine entsprechende Empfehlung zur Umsetzung der work&care-Massnahme.
Die work&care-Massnahme 1 "Betreuungszeit GLAZ-Minusstunden" richtet sich an Mitarbeitende, die sich meist kurzfristig und für eine begrenzte Zeit (maximal 3 bzw. 4 Monate) in einer work&care-Situation befinden und ihr Arbeitspensum deshalb temporär reduzieren möchten. Es können bis zu 100 Stunden Minuszeit kumuliert und im Verlauf des Folgejahres abgearbeitet werden.
Die work&care-Massnahme 2 "Temporäre Beschäftigungsgrad-Reduktion" eignet sich für länger andauernde work&care-Situationen mit der Garantie, auf den ursprünglichen Beschäftigungsgrad zurückkehren zu können. Die Dauer umfasst mindestens drei Monate und ist bis max. 12 Monate ausbaufähig.
Die work&care-Massnahme 3 "Kauf von work&care-Tagen" stellt eine Kombination des bestehenden Swisscom-Angebots "10 Tage Ferienkauf" mit zusätzlichem "Kauf von 10 work&care-Tagen" dar. Die max. 20 Tage können über eine längere Zeitphase eingesetzt werden, um z.B. 1/2 Tag pro Woche für das private Engagement zur Verfügung zu haben.
work&care-Beratungen und Massnahmen machen bei Swisscom aktuell 3 % der Fälle in der betrieblichen Sozialarbeit aus. Trotz der relativ tiefen Fallzahl erachtet Swisscom das Angebot schon heute als sehr wichtig, da die work&care-Situationen eine immense Belastung für die betroffenen Mitarbeitenden darstellen. Diese berichten von einer grossen Entlastung im Privatleben wie auch bei der Arbeit durch die zusätzlich verfügbare Zeit. In der Praxis werden die Massnahmen 1 und 2 bevorzugt, da sie keine direkte Auswirkung auf das monatliche Gehalt und die Versicherungsleistungen haben. In Anbetracht der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung und dem Fachkräftemangel beim Pflegepersonal werden Arbeitnehmende in Zukunft jedoch tendenziell öfter mit work&care-Situationen konfrontiert sein. Umso wichtiger werden die work&care-Angebote in Zukunft.
Die Kombination von Care- und Erwerbsarbeit belastet die Betroffenen stark und wirkt sich negativ auf ihre Leistungsfähigkeit, ihre Motivation und ihre Arbeitsqualität aus. Angebote zur Entlastung können in akuten Krisensituationen dabei unterstützen, den Alltag neu zu organisieren und für Angehörige da zu sein. Eine gründliche Situationsanalyse scheint dabei eine der wichtigsten Massnahmen. Sich mit einer Fachperson über die persönlichen Herausforderungen auszutauschen und gemeinsam Lösungen zu suchen, entlastet die Betroffenen meist sofort. Relevant scheint zudem, dass die Führungskräfte für das Thema sensibilisiert werden und lernen, empathisch sowie rücksichtsvoll mit Menschen in einer work&care-Situation umzugehen. Das dreistufige Modell von Swisscom ermöglicht es den betroffenen Mitarbeitenden, im Arbeitsprozess zu bleiben, ihre Kompetenzen und ihre Leistungen aufrechtzuerhalten und nach der herausfordernden privaten Situation wieder voll in den Arbeitsalltag einzusteigen. All diese Argumente sprechen aus unserer Sicht für die Einführung des work&care-Modells und überzeugen auch Führungskräfte, ihren Mitarbeitenden Zeit für die Pflege von Angehörigen zu gewähren.