Ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung
Pro Familia Schweiz begrüsst einen wichtigen Entscheid des Neuenburger Kantonsgerichts im Bereich Sozialversicherungen (AHV)
Das Gesetz über die Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHVG) sieht vor, dass die AHV-Rente auf Grundlage des massgeblichen durchschnittlichen Jah-reseinkommens bestimmt wird, das aus dem jeweils eigenen Einkommen be-rechnet wird, solange der Ehepartner das Rentenalter noch nicht erreicht hat (das Einkommen wird erst dann geteilt, wenn beide Ehepartner das Rentenalter erreichen).
Erziehungsgutschriften – die gewährt werden, wenn ein Familienmitglied sein Arbeitspensum reduziert, um sich um die Kinder zu kümmern – werden hingegen zwischen beiden Ehepartnern aufgeteilt, sobald einer der beiden Partner das Rentenalter erreicht, auch wenn der andere Ehepartner weiterhin erwerbstätig bleibt. Gemäss AHVG fliessen sie nur zur Hälfte in die Berechnung der AHV-Rente derjenigen Person ein, welche das Rentenalter bereits erreicht hat.
Der Direktor von Pro Familia Schweiz, Dr. Philippe Gnaegi, legte persönlich Beschwerde gegen eine Entscheidung der Ausgleichskasse ein, die diese Bestimmung anwendete. Er begründete dies damit, dass er selbst weiterhin zu 100% erwerbstätig war, während seine Ehefrau ihren Beschäftigungsgrad – und damit ihren Lohn – reduzierte, um sich um die drei Kinder zu kümmern. Somit hat im vorliegenden Fall nur die Ehefrau, die ihr Arbeitspensum bei der Geburt ihrer Kinder reduzierte, die finanziellen Auswirkungen der Anwendung dieser Bestimmung auf ihre AHV-Rente zu tragen. Der Beschwerdeführer war der Ansicht, dass eine Aufteilung der Erziehungsgutschriften zu je 50 % diskriminierend sei und ein faktisches Ungleichgewicht darstelle, da nur seine Ehefrau einen finanziellen Verlust erlitt, indem sie ihr Arbeitspensum reduzierte, um sich um die Kinder zu kümmern, während er weiterhin zu 100 Prozent erwerbstätig blieb.
Daher wollte der Beschwerdeführer, dass die Erziehungsgutschriften bis zu seinem gesetzlichen Rentenalter vollumfänglich seiner Frau angerechnet werden[1].
[1] Der Zweck der Erziehungsgutschriften besteht gerade darin, die geringere Erwerbsquote eines Mitglieds des Paares auszugleichen, wenn dieses Mitglied (in den meisten Fällen die Mutter) sich um seine Kinder kümmert.
Das Kantonsgericht der Republik und des Kantons Neuenburg unterstützte diese Argumentation, was zur Folge hätte, dass viele Frauen – und auch Männer – in der Schweiz, die ihr Arbeitspensum für eine gewisse Zeit reduziert haben, um sich um ihre Kinder zu kümmern, nicht mehr bestraft würden. Im vorliegenden Fall war das Gericht der Ansicht, dass die hälftige Aufteilung der Erziehungsgutschriften eine mutmassliche indirekte Diskriminierung von Frauen darstelle, welche ihr Arbeitspensum reduzieren, um sich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern. Laut dem statistischen Jahresbericht der AHV 2023 beträgt bei verheirateten Personen, bei denen der andere Partner noch keinen Anspruch auf eine Rente hat (und somit das Splitting seine Ausgleichswirkung noch nicht entfaltet hat), die durchschnitt-liche Rente der Frauen (aufgrund ihrer Erwerbsbiografie) CHF 1'574, während dieje-nige der Männer CHF 2'047 beträgt.
Daher ist es in diesem Fall gerechtfertigt, der Frau, welche ihren Beschäftigungsgrad aufgrund der Erziehungsarbeit reduziert hatte, die gesamten Erziehungsgutschriften zu gewähren. Diese Entscheidung wird die Überprüfung zahlreicher Altersrenten in der Schweiz nach sich ziehen.
Quelle: Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtsdienstes der Ausgleichskasse vom 28.8.2023; Entscheid des Kantonsgerichts der Republik und des Kantons Neuenburg vom 27.6.2024
Medienmitteilung vom 28.08.2024
Artikel publiziert auf swissinfo.ch
Artikel publiziert auf nau.ch
Artikel publiziert auf suedostschweiz.ch
Article publié sur letemps.ch
Aricle publié sur rts.ch
Article publié sur blick.ch
Articolo pubblicato su ETiCinforma.ch