Das Bundesgericht hat die Beschwerden betreffend die eidgenössische Volksabstimmung vom 25. September 2022 über die «Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer» und die «Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV21)» abgewiesen. Der Bundesrat nimmt das Urteil zur Kenntnis. Er wartet die ausführliche schriftliche Urteilsbegründung ab und wird die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen.
Am 25. September 2022 haben die Stimmenden den Bundesbeschluss über die «Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer» mit 55.1 Prozent und die «Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV21)» mit 50.5 Prozent angenommen.
Diese Abstimmungsergebnisse bleiben gültig, nachdem das Bundesgericht mehrere Beschwerden abgewiesen und damit entschieden hat, dass die Abstimmung nicht aufgehoben wird.
Am 6. August 2024 hatte das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) informiert, dass die AHV-Finanzperspektiven korrigiert werden müssen. Darauf reichten mehrere Personen gegen die Volksabstimmung vom 25. September 2022 über das AHV-21-Gesetz Beschwerde ein, zwei davon richteten sich auch gegen die Abstimmung über die Zusatzfinanzierung der AHV, die gleichzeitig stattfand. Begründet wurden die Beschwerden mit der mangelhaften Informationslage für die Stimmberechtigten.
Das BSV hatte die Finanzperspektiven in der Folge am 16. September 2024 korrigiert. Die Korrektheit der Daten ist im gesetzgeberischen Prozess zentral für die Meinungs- und Entscheidfindung von Bundesrat, Parlament, Bevölkerung und politischen Akteuren (Kantone, Parteien, Verbände und Interessengruppen). Zur Verbesserung und Sicherstellung verlässlicher Entscheidgrundlagen hat der Bundesrat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) angefragt, ein Mandat zur einmaligen Überprüfung der Qualitätssicherung der Daten, Prognosenmodelle und Methodik bei Entscheidgrundlagen anzunehmen (Medienmitteilung vom 27. September 2024). Im Rahmen ihrer Überprüfung soll die EFK auch darauf achten, ob die bereits am 15. Januar 2020 vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen zum Management der Datenqualität im Gesetzgebungsverfahren in der Praxis berücksichtigt werden.
140 Mal im laufenden Jahr wählten Jugendliche in psychischen Notsituationen bereits die Notrufnummer 147: Das ist gemäss Pro Juventute ein neuer Höchststand. Noch nie mussten Polizei und Sanität so oft wegen suizidalen Krisen von Jugendlichen ausrücken wie im laufenden Jahr. Solche Einsätze werden durch das Team der Notrufnummer 147 der Pro Juventute ausgelöst, aber nur, wenn ein absoluter Notfall vorliegt. Die Zunahme erklären Experten mit höheren psychischen Belastungen sowie einem Engpass bei der Betreuung.
«Das ist in der Tat eine sehr hohe Zahl. Das hatten wir bis jetzt noch nie»: Dies sagt Lulzana Musliu von Pro Juventute zur Zahl von 140 Kriseninterventionen, die im laufenden Jahr über die Notrufnummer 147 für Kinder und Jugendliche ausgelöst wurden. Das sind gemäss den Angaben 20 mehr als im Vorjahr und 83 mehr als im gesamten Jahr 2019, wie SRF berichtet. Damit habe sich die Zahl der Krisenfälle insgesamt fast verdreifacht. Dabei, so Musliu, würden Polizei und Sanität nur «im äussersten Notfall» aufgeboten, wenn tatsächlich akute Gefahr einer Selbsttötung bestehe.
Jugendliche: Mehr Stress, zu wenig Hilfsangebote
Die massive Zunahme erklärt sich die Leiterin der Pro-Juventute-Medienarbeit mit einer Kombination aus mehr Stress und höheren psychischen Belastungen einerseits und einer überlasteten Versorgungskette bei der Betreuung andererseits. Denn die Welt sei – etwa durch Berichte über Kriege und Krisen – emotionaler und mentaler geworden, weiss Thomas Ihde, Chefarzt Psychiatrie der Spitäler FMI im Berner Oberland und Stiftungspräsident der Organisation Pro Mente Sana. Das sorge für Anpassungsphänomene und damit eine hohe Stressbelastung.
Zudem sei das System überlastet: «Wenn ein Jugendlicher in einer Krise ist und sich bei der Psychiatrie meldet und dann hört er, er erhalte einen Termin in drei, sechs oder zehn Monaten, dann nützt das vielleicht für zwei Wochen und dann kommt einfach diese Hoffnungslosigkeit», so Ihde. So könnten sich suizidale Krisen bei jungen Menschen zuspitzen. Laut SRF behandelt der Ständerat diese Woche einen Vorstoss, der die Finanzierung von entsprechenden Anlaufstellen für solche Notfälle fordert.
Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 11.12.24 auf 20minuten.ch
Über 55-Jährige haben nach einem Stellenverlust häufig Mühe bei der Arbeitssuche. Gleichzeitig ist der steigende Fachkräftemangel in aller Munde. Wie passt das zusammen? Die neue Studie vom Lebensversicherer Swiss Life liefert Antworten.
Gleichzeitig wird die Gruppe der über 65-Jährigen deutlich grösser. Dadurch werden mehr Güter und Dienstleistungen benötigt, die viel Arbeitskraft erfordern. Das Ergebnis: Der Mangel an Fachkräften und Arbeitskräften dürfte sich weiter verschärfen.
Frühpensionierung wird bei Mangel seltener gefördert
Swiss Life hat die Situation von Über-55-Jährigen im Arbeitsmarkt erforscht – und ältere Arbeitskräfte auch im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel betrachtet. Dazu hat der Lebensverischerer bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in der Schweiz nachgefragt. Die Studie zeigt, dass Arbeitgeber, die einen stärkeren Fachkräftemangel wahrnehmen, seltener die Frühpensionierung von Angestellten fördern, als solche, die es nach eigener Einschätzung leichter haben, Fachkräfte zu finden. Es scheint also eine von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern angewandte Strategie gegen den Fachkräftemangel zu sein, Mitarbeitende bis zum Alter von 65 Jahren zu halten. Arbeitgeber sind zudem auch eher dazu bereit, Mitarbeitende über 55 neu einzustellen, wenn sie einen Fachkräftemangel verspüren. Spannenderweise fördern diese jedoch seltener das Arbeiten über das Referenzalter (65 Jahre) hinaus. Auch die Bereitschaft, über 65-Jährige neu einzustellen, ist bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, die einen Fachkräftemangel verspüren, anders als erwartet, nicht höher. In der Studie heisst es dazu: «Dies deutet darauf hin, dass der Fachkräftemangel zwar von den Unternehmen wahrgenommen wird, bis jetzt offenbar jedoch vielerorts nicht so gravierend sein kann, dass sie die Weiterbeschäftigung von Mitarbeitenden über das Referenzalter hinaus als ernsthafte Massnahme dagegen in Betracht ziehen würden.»
«Arbeitskräftepotenzial von älteren Personen steht nicht im Zentrum»
Für die Studie wurden die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ausserdem befragt, welche Massnahmen sie ergreifen, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Als häufigsten Massnahmen wurden die Weiterbildung von Mitarbeitenden (44 Prozent) sowie die Flexibilität für Teilzeit oder Jobsharing (43 Prozent) genannt. Auch die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten (40 Prozent) sowie Lernende auszubilden (36 Prozent), sind oft angewendete Strategien von Arbeitgebern. «Das Arbeitskräftepotenzial von älteren Personen steht jedoch bei vielen Arbeitgebern offenbar nicht im Zentrum», schreiben die Studienautoren. Massnahmen, welche ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffen, werden nämlich seltenerer genannt.
Nur 22 Prozent der Arbeitgeber geben an, dass sie Mitarbeitende ab 55 Jahren zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs einstellen. 13 Prozent sagen, dass sie für dieses Ziel das Arbeiten im Rentenalter fördern.
Weiterlesen - ein Beitrag von Mirjam Reinhard erschienen am 08.12.24 auf srf.ch
Angesichts der hohen Kita-Kosten zögern viele Mütter, ihr Arbeitspensum aufzustocken. Die Politik ringt um Lösungen.
Rot, gelb, blau, grün: Dutzende Kinderstiefel stehen fein säuberlich angeordnet auf dem Bundesplatz. Mittendrin im Gummistiefel-Meer steht Flavia Kleiner vom Frauen-Dachverband Alliance F. «Wir vertreten hier die Eltern und Kinder, die sich an den Ständerat richten und sagen: Lass uns nicht im Regen stehen.» Die Kita-Kosten seien viel zu hoch und müssten gesenkt werden. «Und heute haben wir die Chance dazu», sagt Kleiner. Vom Bundesplatz gehts in den Ständerat. Dort sind linke Politikerinnen und Politiker für Subventionen bei den Kita-Tarifen, ebenso die meisten Ständeräte aus der Mitte-Partei. Auch FDP-Ständerat Matthias Michel spricht sich für die Subventionen aus. Denn sie seien ein Anreiz, damit Mütter mit einem höheren Pensum arbeiteten. Das sei auch im Sinne der Wirtschaft: «Es muss ein Ruck durch dieses Land gehen, um die Rahmenbedingungen für Familien zu verbessern. Das ist weder ein linkes noch ein rechtes Anliegen. Es ist ein Anliegen verschiedener Kreise und der Volkswirtschaft.» Davon will SVP-Ständerat Jakob Stark gar nichts wissen: «Wir brauchen keine Giesskannenlösung, die unabhängig vom Einkommen Geld verteilt. Sie schaffen hiermit eine unverhältnismässige finanzielle Belastung für die Wirtschaft.»
600 Millionen Franken pro Jahr kostet die Kita-Verbilligung, oder Betreuungszulage, wie sie offiziell heisst. Finanziert würde sie wie die Familienzulagen. Das heisst: Hauptsächlich würden die Arbeitgeber, also die Firmen, zahlen. Die Kantone könnten die Finanzierung aber für sich anpassen, sagt Benedikt Würth von der Mitte-Partei: «Sie können eigene Beiträge für die Finanzierung einschiessen und analog der heutigen Praxis die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an der Finanzierung beteiligen.»
In den Mühlen der Politik
Im Ständerat reichte die Zeit nicht, um alle Entscheide zu treffen. Hauchdünn sagte die kleine Kammer Nein zu zusätzlichen Bundesgeldern, um Kitas zu fördern. Der Kita-Rabatt für Eltern ist aber mehrheitsfähig. Über die Details ist noch nicht entschieden. Und wie immer in der Schweizer Politik wird auch der Kita-Rabatt noch mehrere Runden im National- und Ständerat drehen. Fabio Regazzi, Mitte-Ständerat und Präsident des Gewerbeverbands, will das nutzen, um die Zulage doch noch zu Fall bringen: «Wir werden das nicht akzeptieren», kündigt der Tessiner an. Kleine und mittlere Betriebe hätten heute bereits Probleme. Wenn jetzt noch eine Betreuungszulage dazukomme, sei das nicht mehr bezahlbar. «Dann gibt es eben weniger Spielraum für Lohnerhöhungen. Das ist sicher nicht im Interesse der Arbeitnehmer», sagt Regazzi. Er zweifle auch daran, dass ein Kita-Rabatt von 20 Prozent einen Effekt hätte und tatsächlich viel mehr Frauen ihr Pensum aufstocken würden.
Alliance F wirbt für höhere Rabatte
Tatsächlich ist das umstritten. Zweifel hat auch Flavia Kleiner vom Frauen-Dachverband Alliance F, die draussen auf dem Bundesplatz zwischen den bunten Kinderstiefeln steht. Für sie ist der Rabatt zu tief: «Wir wünschen uns viel mehr. Wenn wir schon solche Umverteilungen der Kosten beschliessen, müssen sie auch einen Effekt haben.» Immerhin mache der Ständerat nun einen Anfang, sagt Kleiner. Die Gummistiefel haben ihren Zweck erfüllt. «Jetzt spenden wir sie an ein Kinderhilfswerk in der Ukraine. Wir haben den Eltern auch versprochen, dass sie den Weg zurück zu Kindern finden.»
So soll die Betreuungszulage aussehen
Pro Wochentag, den ein Kleinkind in der Kita verbringt, gibt es 100 Franken pro Monat – maximal also 500 Franken pro Monat. Im Schnitt entlastet das die Kita-Rechnung von Müttern und Vätern um 20 Prozen
Weiterlesen - ein Beitrag von Dominik Meier, Rendez-vous, 04.12.2024, 12:30 Uhr
Der Ständerat hat am Mittwoch erste Entscheide zur Ausgestaltung der Betreuungszulage gefällt. Mit dieser will die kleine Kammer Eltern bei den Kita-Kosten unterstützen. Ausgearbeitet hat die Vorlage die Bildungskommission des Ständerats.
Mit 25 zu 15 Stimmen beschloss der Ständerat, dass die familienexterne Betreuung von Kindern bis zu acht Jahren grundsätzlich unterstützt werden soll. Ein Antrag, der eine Alters-Obergrenze von zwölf Jahren wollte, hatte keinen Erfolg.
Zudem entschied die kleine Kammer, dass die Zulage nur ausbezahlt werden soll, wenn Kinder institutionell betreut werden, also in Kindertagesstätten oder Tagesfamilien. Eine Minderheit der vorberatenden Kommission wollte auch die Betreuung durch Drittpersonen (beispielsweise Grosseltern) finanziell unterstützen. Sie fand dafür aber keine Mehrheit.
Die Betreuungszulage soll nach dem Willen der vorberatenden Kommission mindestens 100 Franken pro Monat betragen. Pro zusätzlichen halben Betreuungstag soll die Zulage sich um 50 Franken erhöhen. Über die Finanzierung der Zulage sollen nach dem Willen der Mehrheit der Kommission die Kantone entscheiden.
Die Detailberatung ist noch nicht abgeschlossen, sie wird in der dritten Sessionswoche fortgesetzt. Offen ist insbesondere noch, ob der Bund sich mit maximal 200 Millionen Franken an der Finanzierung der Betreuungszulage beteiligen soll. Die Mehrheit der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerats (WBK-S) lehnt dies ab.
Schon jetzt klar ist dagegen, dass die Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen zur Schaffung von Kita-Angeboten nach dem Willen der kleinen Kammer nicht mehr fortgeführt werden sollen. Diese Vereinbarungen waren im Rahmen der bis 2026 laufenden Anstossfinanzierung des Bundes eingeführt worden.
Mit Stichentscheid von Präsident Andrea Caroni (FDP/AR) sprach sich der Rat dagegen aus, sie beizubehalten. Zuletzt ging es dabei noch um die Schliessung von Angebotslücken, beispielsweise in Randregionen und bei Angeboten für Kinder mit Behinderungen. Vorgesehen wäre gewesen, dass die Kantone die Massnahmen paritätisch mitfinanzieren.
Eine SVP-Minderheit der vorberatenden Kommission wollte nicht auf die Vorlage eintreten. Sie bestritt unter anderem, dass der Bund über die nötige verfassungsrechtliche Kompetenz verfüge, drang damit allerdings nicht durch.
Weiterlesen - ein Beitrag von misc, sda erschienen am 04.12.24 auf bluewin.ch
Frauen sollen neu nur bis zum 25. Geburtstag ihres jüngsten Kindes eine Witwenrente erhalten – so wie die Männer. Langjährigen Hausfrauen droht damit die Armut. Der Bundesrat hat beschlossen, dass die Witwenrente der Frauen nach unten angepasst wird. Neu erhalten Frauen wie Männer nur eine Rente, bis ihr jüngstes Kind 25 Jahre alt ist. Dies bedeutet, dass langjährige Hausfrauen nach dem Tod ihres Partners einen Job brauchen. Der Wiedereinstieg nach langer Erwerbspause erweist sich allerdings häufig als schwierig.
Die Witwenrente, wie sie bisher organisiert war, ist überholt, sagt der Bundesrat. Um sie mehr den heutigen Familienbildern anzupassen, soll sie reformiert werden: Neu sollen Witwen nur bis zum 25. Geburtstag ihres jüngsten Kindes eine Rente erhalten – so wie bei den Männern. Doch es gibt immer noch viele Familien, in denen die Frau ausschliesslich der Hausarbeit nachgeht. Für diese Frauen dürfte es keine einfache Aufgabe werden, nach jahrelanger Erwerbslosigkeit wieder einen Job zu finden.
«Eine langjährige Erwerbspause erschwert den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt erheblich», bestätigt Fabian Maienfisch vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Oft würden nach langer Erwerbslosigkeit aktuelle berufliche Kompetenzen verloren gehen. Heisst: Man wird von Weiterentwicklungen des Berufs abgehängt. «Auch sind Kenntnisse in der aktuell geforderten Technik oder spezifische Branchenanforderungen möglicherweise nicht mehr auf dem neuesten Stand.» Ausserdem sei der Zugang zu beruflichen Netzwerken für Hausfrauen begrenzt. Kontakte seien jedoch für eine erfolgreiche Stellensuche wichtig. «Insbesondere für Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Hausarbeit unterbrechen, entstehen dadurch strukturelle Nachteile», sagt Maienfisch.
Ältere Menschen haben es sowieso schwierig
Die Daten des Bundesamts für Statistik zeigen: Die Erwerbslosenquote von 55- bis 64-Jährigen ist nicht höher als diejenige von jüngeren Generationen. Allerdings ist der Anteil an Langzeit-Erwerbslosen deutlich höher. Das liege daran, dass ältere Menschen seltener entlassen würden und meist stabilere Arbeitsverhältnisse haben, so Maienfisch. «Wenn ältere Personen jedoch arbeitslos werden, ist ihre Wiedereingliederung oft schwieriger und dauert länger.» Dafür gebe es verschiedene Gründe: Meist lägen die Bildungsabschlüsse älterer Personen länger zurück und firmenspezifische Spezialisierungen würden in anderen Unternehmen nicht benötigt. Ausserdem habe sich auch das Stellenangebot im Vergleich zu früher verändert.
«Haben Existenzängste»
SP-Nationalrätin Barbara Gysi berichtet Nau.ch, sie habe zahlreiche Zuschriften von Betroffenen erhalten. Diese würden sich grosse Sorgen machen. «Viele haben Existenzängste», sagt Gysi. Sie selbst spricht sich klar gegen die Reform aus: Die Gefahr sei gross, «dass mit diesen Abbauvorhaben vermehrt Witwen mit Kindern in die Armut abrutschen». Wer kinderlos sei oder keine Kinder zu unterstützen habe, der habe auch eine andere Ausgabenstruktur, sagt dagegen FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. Er findet: «Es ist für diese Personen zumutbar, einer Arbeit nachzugehen.» Auch Silberschmidt räumt aber ein: «Nach einer längeren Zeit ohne Arbeit ist es schwieriger, wieder eine Stelle zu finden.» Es gebe jedoch viele offene Stellen in der Schweiz, und auch nach längerer Erwerbslosigkeit sei der Wiedereinstieg möglich.
Defizite der Hausfrauen «stehen im Vordergrund»
Tobias Roder, Berufs- und Laufbahnberater im BIZ Thun, bestätigt diese Ansicht nur teilweise: Irgendein Wiedereinstieg sei vermutlich fast immer möglich. Allerdings handle es sich dabei häufig um Tätigkeiten mit geringen Anforderungen. «Das ist in der Regel nicht das, was sich die betroffenen Menschen wünschen.» Schliesslich haben diese mehrere Jahre anspruchsvolle Familien- und Erziehungsarbeit ohne Lohn und mit wenig gesellschaftlicher Anerkennung übernommen. Durch die jahrelange Tätigkeit als Hausfrau erworbene Qualifikationen würden auf dem Arbeitsmarkt jedoch nicht anerkannt. «Die Defizite aus der langen Erwerbslosigkeit stehen im Vordergrund», so Roder.
Mütter mit kleinen Kindern arbeiten öfter
Maienfisch vom Seco stellt fest: «In der Schweiz ist in den letzten 20 Jahren der Anteil erwerbstätiger Frauen über 55 Jahren stark gestiegen.» Trotzdem zeige sich: Männer im höheren Alter sind generell stärker im Arbeitsmarkt verankert. So liegt im Alter zwischen 55 und 64 Jahren die Erwerbsquote der Frauen bei 71,6 Prozent. Von den Männern arbeiten 83,8 Prozent. Interessant: Mütter mit jüngstem Kind unter 25 Jahren weisen eine Erwerbsquote von 79,3 Prozent auf. Von den Frauen, die keine Kinder unter 25 haben und mit einem Partner zusammenleben, arbeiten jedoch nur 69,7 Prozent. Sie wären somit von der Änderung der Witwenrente wohl stärker betroffen.
Weiterlesen - ein Beitrag von Dina Müller erschienen am 03.12.24 auf nau.ch