Kindermangel: Geburtenrate in OECD-Ländern hat sich in 60 Jahren halbiert

Die Geburtenrate pro Frau ist in den 38 Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in den vergangenen 60 Jahren um etwa die Hälfte geschrumpft. Während Frauen 1960 im Schnitt 3,3 Kinder zur Welt brachten, waren es 2022 nur noch etwa 1,5, wie die in Paris sitzende OECD in einem am Donnerstag erschienenen Bericht schrieb.

Die Organisation warnte, die niedrige Geburtenrate könne ernsthafte wirtschaftliche und soziale Folgen haben. Der OECD zufolge liegt das Level, mit dem die Bevölkerung konstant gehalten würde, bei 2,1 Kindern pro Frau. Durch die gesunkene Rate droht der Organisation zufolge eine zunehmend alternde Bevölkerung und dadurch ein geringerer Bevölkerungsanteil derjenigen Menschen, die arbeiten gehen. Auf Regierungen kämen so höhere Ausgaben für Renten und Gesundheitsleistungen zu. Heutzutage bekommen Frauen laut OECD auch später Kinder. Im Jahr 2000 waren Mütter bei der Geburt im Schnitt 28,6 Jahre alt. 2022 waren sie durchschnittlich 30,9 Jahre alt. In Deutschland stieg das Durchschnittsalter im gleichen Zeitraum von 28,8 auf 31,4 Jahre.

Viele Mittel zur Unterstützung von Familien

Die OECD-Staaten nutzen Stefano Scarpetta, dem Leiter der Abteilung für Arbeit und Soziales bei der OECD, zufolge viele Mittel, um Familien zu unterstützen. Dennoch: «Die wirtschaftlichen Kosten und die langfristige finanzielle Unsicherheit dadurch, Kinder zu bekommen, beeinflusst die Entscheidung, Eltern zu werden, weiterhin stark.» Um es Menschen leichter zu machen, Kinder zu bekommen, müssten Staaten Familien umfassend und verlässlich unterstützen. «Dazu gehört bezahlbares Wohnen, Familienpolitik, die dabei hilft, Arbeit und Familie zu vereinen, und eine Kohärenz mit anderen politischen Massnahmen, die Zugang zu guten Jobs und Karrieremöglichkeiten für Frauen fördern.» Die OECD vereint Länder, die sich zu Demokratie und Marktwirtschaft bekennen. Auch die Schweiz ist Mitglied der OECD. Neben grossen Volkswirtschaften wie Deutschland, den USA und Japan sind auch Schwellenländer wie Mexiko und Chile Mitglied. Insgesamt gehören 38 Staaten der OECD an.

Geburtenrate auch in der Schweiz auf Tiefststand

Die Zahl der Kinder pro Frau in der Schweiz hat 2023 einen historischen Tiefststand erreicht. Mit 1,33 Kindern lag sie unter dem Stand von 2022 von 1,39 Kindern. Insgesamt kamen 80'000 Kinder zur Welt, 2,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Den Geburtenrückgang gab es bei Schweizer und ausländischen Müttern. Allerdings fiel dieser bei den Schweizerinnen mit 4,2 Prozent höher aus als bei den Ausländerinnen (-0,8 Prozent), wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am 20. Juni zu den definitiven Zahlen seiner bereits im April veröffentlichten Bevölkerungsstatistik mitteilte.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 24.06.2024 auf msn.com

 

Potenzial von 280'000 Vollzeitstellen: Firmen klagen über Fachkräftemangel – aber ignorieren Mütter

Hunderttausende Mütter in der Schweiz arbeiten gar nicht oder würden ihre Pensen gerne aufstocken. Wenn Arbeitgeber dieses brachliegende inländische Arbeitskräftepotenzial besser ausnützen würden, könnten sie 280'000 zusätzliche Vollzeitarbeitskräfte gewinnen.

Jobbörse, Linkedin, interner Newsletter – und trotzdem kommen für die ausgeschriebene Stelle keine brauchbaren Bewerbungen rein. 73 Prozent aller Arbeitgeber in der Schweiz bekunden gemäss einer Studie des Personalvermittlers Manpower Mühe bei der Suche nach Beschäftigten. Und die Lücke tut sich mit dem demografischen Wandel immer weiter auf: Bis 2030 könnten in der Schweiz laut Prognosen zwischen 400'000 und 800'000 Arbeitskräfte fehlen.

Abhilfe schaffen sollen künstliche Intelligenz (KI), Mitarbeitende aus dem Ausland – und eine bessere Nutzung des inländischen Arbeitskräftepotenzials. Im Fokus stehen dabei Frauen. 137'000 Mütter in der Schweiz sind gemäss dem Gender Intelligence Report der HSG überhaupt nicht erwerbstätig. Sie bleiben dem Arbeitsmarkt im Schnitt fünf Jahre lang fern – und jede Siebte von ihnen kehrt überhaupt nicht mehr zurück.

Bei arbeitstätigen Müttern liegt das Pensum durchschnittlich bei 60 Prozent. Viele von ihnen würden gerne mehr arbeiten: 176'000 Frauen gelten gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) als unterbeschäftigt. Besonders hoch ist der Anteil unterbeschäftigter Frauen in der Gruppe der Über-40-Jährigen.

Win-Win-Win: Für Frauen, Firmen und Volkswirtschaft

Gemäss dem HSG-Bericht könnten Frauen gesamthaft 280'000 zusätzliche Vollzeitstellen ausfüllen, wenn sie ihre Pensen erhöhen, respektive nach der Mutterschaft den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt schaffen würden. Das füllt die drohende Arbeitskräftelücke von 400'000 bis 800'000 Personen zwar nicht vollständig – es ist aber deutlich mehr als nur ein Tropfen auf den heissen Stein.

Profitieren davon würden am Ende nicht nur die Frauen. Sondern auch die Arbeitgeber, die an zusätzliche hoch ausgebildete Fachkräfte kämen. Schliesslich sind an den Schweizer Universitäten die Frauen gegenüber den Männern mittlerweile in der Überzahl. Und vor allem würde die Volkswirtschaft profitieren: Die Weltbank schätzt, dass das Bruttoinlandprodukt pro Kopf um fast 20 Prozent wachsen könnte, wenn der Geschlechtergraben am Arbeitsmarkt geschlossen würde.

Weiterlesen - ein Beitrag von Sarah Frattaroli erschienen am 21.06.24 auf blick.ch

Weniger Geburten, Todesfälle, Eheschliessungen und Scheidungen im Jahr 2023

Im Jahr 2023 gingen die Lebendgeburten und die Todesfälle zurück und die durchschnittliche Anzahl Kinder pro Frau fiel auf einen historischen Tiefstand (1,33). Die Lebenserwartung erreichte ein höheres Niveau als vor der Pandemie. Zudem sank zwischen 2022 und 2023 die Zahl der Eheschliessungen und der Scheidungen. Dies sind einige der definitiven Ergebnisse für das Jahr 2023 der Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung des Bundesamtes für Statistik (BFS).

Die definitiven Ergebnisse bestätigen die Trends, die sich bei der Veröffentlichung der provisorischen Zahlen im April 2024 abgezeichnet haben. Bei den Geburten und Todesfällen verzeichnen die Nachbarländer Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland ähnliche Entwicklungen.

Anzahl Kinder pro Frau so tief wie noch nie

2023 wurden in der Schweiz 80 000 Lebendgeburten registriert. Das sind 2300 bzw. 2,8% weniger als 2022. Obwohl ihre Anzahl weniger stark zurückgegangen ist als noch im Vorjahr (-7300 bzw. -8,1%), bestätigt die Entwicklung den seit 2021 anhaltenden Abwärtstrend. Die durchschnittliche Anzahl Kinder pro Frau ist auf einen noch nie dagewesenen Tiefstand gesunken: von 1,52 im Jahr 2021 auf 1,39 im Jahr 2022 und 1,33 im Jahr 2023. Die Geburtenzahl ging sowohl bei den Schweizer Müttern als auch bei jenen mit ausländischer Staatsangehörigkeit zurück, bei ersteren allerdings deutlich stärker (-4,2% gegenüber -0,8%). Differenziert nach Staatsangehörigkeit des Kindes kamen rund 56 100 Schweizer Kinder (-4,2%) gegenüber 23 900 Kindern mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit (+0,4%) zur Welt. Bei den Frauen unter 30 Jahren zeigt sich seit 2022 ein stärkerer Geburtenrückgang als bei jenen ab 30 Jahren (-5,1% gegenüber -2,1%). Die Zahl der Erstgeburten verringerte sich sowohl bei den Müttern unter 30 Jahren (-548; -4,3%) als auch bei jenen zwischen 30 und 39 Jahren (-406; -1,7%). Bei den Frauen ab 40 Jahren nahm sie hingegen zu (+84; +3,7%). Das Durchschnittsalter der Mütter bei der Geburt des ersten Kindes erhöhte sich gegenüber 2022 (31,2 Jahre) leicht auf 31,3 Jahre (provisorische Zahl). Die Zahl der Zweitgeburten sank im Vergleich zu 2022 ebenfalls (-2,8%), am stärksten aber war der Rückgang mit -7,3% bei den Drittgeburten. Der Abwärtstrend der Drittgeburten war in allen Altersklassen zu beobachten, besonders aber bei den 30- bis 39-Jährigen (-8,2%). Eine gegenläufige Entwicklung zeigte sich bei den vierten und weiteren Geburten. Ihre Zahl stieg leicht an (+1,9%).

Weniger, aber immer noch viele Todesfälle

2023 starben in der Schweiz 71 800 Personen; das sind 2600 bzw. 3,5% weniger als im Vorjahr. Trotz dieses Rückgangs ist die Zahl noch immer sehr hoch und liegt mehrere hundert Todesfälle über dem Niveau des Pandemie-Jahrs 2021 (71 200). Dieser insgesamt steigende Trend der Anzahl Todesfälle hängt mit der demografischen Alterung in einer wachsenden Bevölkerung zusammen. Bei den Männern sank die Zahl der Todesfälle gegenüber 2022 deutlicher als bei den Frauen (-3,7% gegenüber -3,3%). Am stärksten war der Rückgang bei den Personen unter 65 Jahren (Männer: -5,6%; Frauen: -5,2%), am schwächsten bei den Personen zwischen 65 und 79 Jahren (Männer: -3,8%; Frauen: -3,1%) sowie bei den Personen ab 80 Jahren (Männer: -3,0%; Frauen: -3,2%). Durch diese Entwicklung erreichte die Lebenserwartung einen höheren Stand als vor der Pandemie. Die Lebenserwartung der Männer bei Geburt sowie mit 65 Jahren lag im Jahr 2023 bei 82,2 bzw. 20,3 Jahren, jene der Frauen bei 85,8 bzw. 22,8 Jahren. Aufgrund der rückläufigen Anzahl Todesfälle fiel der Geburtenüberschuss in der Schweiz höher aus als 2022 (+256 Personen bzw. +3,2%), dies trotz der gesunkenen Geburtenzahl.

Weniger Eheschliessungen und Scheidungen 

2023 wurden 36 000 Ehen zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts geschlossen. Das sind 1900 bzw. 5,0% weniger als 2022. Hinzu kamen rund 900 gleichgeschlechtliche Ehen und 800 in eine Ehe umgewandelte Partnerschaften. Insgesamt wurden in der Schweiz im Jahr 2023 somit 37 800 Ehen geschlossen. Abgesehen von den Pandemiejahren 2020 und 2021 handelt es sich um den tiefsten Wert seit vierzig Jahren (1983: 37 600). Nahezu drei Viertel der verschiedengeschlechtlichen Ehen wurden von zwei Ledigen geschlossen. Beim restlichen Viertel handelt es sich um Wiederverheiratungen, d. h. mindestens eine der betroffenen Personen hatte einen anderen Zivilstand als ledig. Bei Fortsetzung der 2023 beobachteten Trends ist davon auszugehen, dass rund die Hälfte der Ledigen unter 50 Jahren (Frauen: 49,3%; Männer: 54,5%) nie heiraten werden (provisorische Zahl). Die meisten Ehen zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts werden zwischen Schweizerinnen und Schweizern geschlossen (47,1%). Diese Zahl hat jedoch 2023 am stärksten abgenommen (-8,2%). Eheschliessungen zwischen einer Schweizerin oder einem Schweizer und einer ausländischen Person, die in der Schweiz rund ein Drittel der verschiedengeschlechtlichen Ehen ausmachen, waren ebenfalls rückläufig (-3,8%). Demgegenüber wurden 2023 leicht mehr Ehen zwischen zwei Personen ausländischer Staatsangehörigkeit geschlossen (+1,7%) als im Vorjahr. Auf sie entfielen 17,9% aller Eheschliessungen in der Schweiz im Jahr 2023. 2023 wurden 15 600 Ehen geschieden, 3,7% weniger als im Vorjahr. Hierzu gehören neben den verschiedengeschlechtlichen Ehen auch 41 gleichgeschlechtliche Ehen. Die Zahl der Scheidungen nimmt unabhängig von der Ehedauer ab (0-4 Jahre: -6,2%; 5-9 Jahre: -1,1%; 10-14 Jahre: -5,3%; 15-19 Jahre: -4,1%; 20 Jahre und mehr: -3,6%). Die durchschnittliche Ehedauer zum Zeitpunkt der Scheidung stabilisierte sich bei 15,7 Jahren (provisorische Zahl). Bei Fortsetzung der 2023 beobachteten Trends ist davon auszugehen, dass rund zwei von fünf Ehen (38,3%) eines Tages mit einer Scheidung enden (provisorische Zahl). 

713 Änderungen des im Personenstandsregister eingetragenen Geschlechts

Nachdem die Änderung des im Personenstandsregister eingetragenen Geschlechts durch ein neues, Anfang 2022 in Kraft getretenes Gesetz vereinfacht wurde, ist die entsprechende Zahl von 1177 im Jahr 2022 auf 713 im Jahr 2023 gesunken (-39,4%). 2023 liessen 332 Personen ihren Geschlechtseintrag « Mann » zum Geschlechtseintrag « Frau » und 381 ihren Geschlechtseintrag « Frau » zum Geschlechtseintrag « Mann » ändern. Drei Viertel der Änderungsanträge stammten von 15- bis 29-Jährigen.

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Generation-Z: Männer finden, Gleichstellung ist erreicht – Frauen aber nicht

Männer der Generation Z in der Schweiz bewerten den Stand der Gleichstellung als wesentlich fortgeschrittener als die gleichaltrigen Frauen und Männer der älteren Generationen. Junge Männer sind eher der Meinung, dass Gleichstellung in fast allen Bereichen erreicht ist. Gegensätzlich dazu zeichnet sich das Meinungsbild der Generation-Z-Frauen. Das zeigt die dritte Ausgabe des nationalen Gleich­stellungs­barometers. Dieser wurde von der Schweizerischen Konferenz der Gleich­stellungs­beauftragten (SGK) bei Sotomo in Auftrag gegeben.

Das Ziel des Gleichstellungsbarometers 2024 bestand in der Erfassung und Gegenüberstellung der Einschätzungen und Erfahrungen junger Menschen (Jahrgänge 1997 bis 2007) mit Gleichstellungsfragen. Auch deren Erwartungen an mögliche politische, soziale und gesellschaftliche Massnahmen in diesem Bereich standen im Zentrum der Forschung. Dabei wurden die Ergebnisse mit denen älterer Generationen verglichen. Der Meinungsunterschied zwischen den Geschlechtern fällt bei den Jungen zwar am grössten aus, der Trend zieht sich aber auch durch die anderen Generationen. Die ungleichen Wahrnehmungen der Geschlechter betrifft weitere Themenbereiche wie Zufriedenheit mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Diskriminierungs- und Übergriffserfahrungen. Die Mehrheit der Frauen, die an der Umfrage teilgenommen haben, ist der Meinung, dass Gleichstellung am Arbeitsplatz, in der Familie, in der Politik oder in Führungspositionen nicht erreicht ist. Beim Thema Ausbildung hingegen sehen sie Männer und Frauen gleichgestellt. Im Gegensatz dazu sieht die Mehrheit der befragten Männer Gleichstellung in allen Bereichen zumindest teilweise erreicht.

Selbst erlebte sexuelle Übergriffe

Eine klare Mehrheit der Befragten empfindet die mediale Debatte zum Thema sexuelle Belästigung als wichtig. Sieben von zehn Personen gaben sogar an, durch die öffentliche Debatte eine Veränderung bei sich selbst festgestellt zu haben. Damit ist ein besseres Verständnis für Betroffene, eine Reflexion des eigenen Verhaltens oder ein Gefühl der Versicherung gemeint.

Gleichstellung unter Eltern

Die meisten der Befragten sind der Meinung, dass Eltern in der Schweiz in der Tendenz unzufrieden sind mit der Aufteilung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit. Politische Forderungen, welche eben diesen Aspekt zu fördern versuchen, finden eine breite Unterstützung unter den Befragten. 91 Prozent befürworten flexible Arbeitsmodelle, 76 Prozent eine flexibel aufteilbare Elternzeit und 74 Prozent die Schaffung von mehr Krippenplätzen. Diese Forderungen werden zusammen mit einem längeren Vaterschaftsurlaub insbesondere von der Generation Z unterstützt. Nichtsdestotrotz zeigte sich die Mehrheit der Befragten zufrieden mit der eigenen innerfamiliären Arbeitsteilung.

Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt

Vor allem junge Frauen stimmen Forderungen zur Unterstützung der LGBTIQ+-Community zu. Sie sind auch häufiger davon überzeugt, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Ein nichtbinäres Geschlechtskonzept findet unter jungen Männern am wenigsten Anklang.

Wieso sind Resultate zwischen Männern und Frauen so verschieden?

Sarah Bütikofer ist Politikwissenschaflterin und hat die Studie verfasst. Sie sagt: «Das hat damit zu tun, dass die Lebensrealitäten für Frauen und Männer unterschiedlich sind und dass die Menschen nicht die gleichen Erfahrungen machen.»

Weiterlesen - Artikel von publiziert am 19.06.2024 auf srf.ch
Nationales Barometer zur Gleichstellung 2024 - Fokus Generation Z

Entscheid im Nationalrat - Comeback des Doppelnamens? Alle Kombinationen im Überblick

Ehepaare sollen bald mehr Freiheiten bei der Wahl ihrer Nachnamen haben, entscheidet der Nationalrat. Unser interaktives Tool verrät alle Möglichkeiten, die Sie bei der Wahl Ihres Namens in Zukunft haben sollen.

Der Nationalrat hat sich in der laufenden Sommersession für eine Änderung im Namensrecht ausgesprochen: Bei einer Eheschliessung sollen die Verlobten individuell und flexibel über ihren Nachnamen entscheiden. Dazu gehört die Wiedereinführung des Doppelnamens für Ehepaare - aber nicht für Kinder. Voraussichtlich in der Herbst- oder Wintersession berät der Ständerat. Bei Kindern hat sich der Nationalrat gegen einen Doppelnamen entschieden. Die Eltern müssen sich aus ihren Nachnamen gemeinsam einen alleinstehenden Namen aussuchen. Das gilt unabhängig vom Zivilstand der Eltern, sofern das Sorgerecht geteilt wird. Bei verheirateten Paaren stehen die Namen der Partner unmittelbar vor der Heirat zur Auswahl. Alle Kinder eines Paares müssen denselben Nachnamen tragen. Unübersichtlicher wird es, wenn zwei Partner mit Doppelnamen aufeinander treffen. Die Verlobten können ihren Namen behalten, denjenigen des Partners oder der Partnerin annehmen oder einen neuen Namen zusammensetzten – wobei dann pro Person nur ein Nachname verwendet werden darf.

Die geplanten Änderungen im Namensrecht im Detail

Grundsätzlich behalten Ehegatten ihren Namen bei der Hochzeit. Wer den Namen der oder des anderen Verlobten annehmen oder einen Doppelnamen tragen möchte, muss dies ausdrücklich erklären.

Paare, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geheiratet haben, können beim Zivilstandesamt erklären, einen Doppelnamen tragen zu wollen.

Für verlobte Paare:

  • Die Verlobten entscheiden individuell über ihren Nachnamen.
  • Der eheliche Doppelname besteht aus maximal zwei Namen. Der Doppelname kann durch Leerschlag oder Bindestrich verbunden sein.

Für Kinder:

  • Anlässlich der Heirat müssen die Ehegatten den Namen der gemeinsamen Kinder bestimmen, unabhängig davon, ob diese bereits auf der Welt sind oder nicht.
  • Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern (verheiratet oder unverheiratet) bestimmen zusammen, welchen ihrer Namen die Kinder tragen sollen. Ein Doppelname ist nicht möglich.
  • Für den Namen der Kinder stehen die unmittelbar vor der Ehe getragenen Namen der Eltern bzw. Ehegatten zur Verfügung und ist unabhängig davon, welche Namen die Eltern für sich selbst wählen.
  • Alle Geschwister tragen denselben Namen.
  • Liegt das Sorgerecht nur bei einem Elternteil, erhält das Kind grundsätzlich dessen Namen.

Prüfen Sie online mit Ihrem Namen, welche Kombinationen der Nationalrat vorsieht: SRF.ch

Gen-Z will Teilzeit-Lehre

Bei der Gen Z boomt Teilzeit. Dieser Trend macht auch vor Lernenden keinen Halt. Die Forderung nach einer Teilzeit-Lehre stellt Betriebe vor Herausforderungen. Laut Gesetz dürfen Lehren auch in Teilzeit absolviert werden – das ist aber die Ausnahme. Viele Betriebe und auch Experten bleiben skeptisch. Aber: Unternehmen wie Coop und Migros bieten bereits individuelle Lösungen an.

Die Generation Z bringt neue Erwartungen in die Arbeitswelt: mehr Ferien, mehr Freizeit, und das am liebsten bei gleichbleibendem Lohn. Diese Forderungen setzen nun bereits bei der tiefsten Stufe an. Schulabgängerinnen und Schulabgänger wünschen sich eine Teilzeit-Lehre. Etwa mit einem Pensum von 80 oder sogar nur 60 Prozent. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) bestätigt die Existenz solcher Modelle auf Anfrage: «Das Berufsbildungsgesetz sieht vor, dass Teilzeit-Lehren möglich sind», sagt Tiziana Fantini vom SBFI. «Sie werden dort implementiert, wo die Kantone und Betriebe eine Nachfrage feststellen», fügt Fantini hinzu. Ob eine Teilzeit-Lehre möglich ist, hängt einerseits vom Betrieb ab. Andererseits muss auch der Kanton sein Einverständnis geben. Seit Längerem gibt es entsprechende Angebote, für Lehrlinge, die Spitzensport und Musik machen. Zudem gehen Anfragen aufgrund von Betreuungspflichten ein. Aber zum Teil auch wegen eines anderen zeitintensiven Hobbys – oder eben wegen des simplen Wunschs nach mehr Freizeit.

Kanton Bern begrüsst Teilzeit-Lehre

Barbara Gisi vom Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Bern bestätigt, dass man dieses Bedürfnis und entsprechende Anfragen kenne. Betroffen sind vor allem Gesundheitsberufe und Berufe in der Hauswirtschaft. Die Nachfrage ist zurzeit noch gering. «Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass diese Form der Lehre (noch) nicht sehr bekannt ist», so Gisi. Grundsätzlich ermögliche die Teilzeit-Lehre Personen in speziellen Situationen einen Anschluss, «denen dies mit einer Vollzeit-Lehre nicht möglich wäre». Beim Kanton Bern findet man die Teilzeit-Lehre gut, weil die «Anforderungen unserer Gesellschaft sowie der Wirtschaft vielseitiger werden». Deshalb «sollten auch neue Wege beschritten werden».

Unternehmen finden Idee «spannend»

Grosse Unternehmen wie Coop und Migros haben bereits individuelle Lösungen gefunden. Coop bestätigt, beim Detailhändler «arbeiten einzelne Lernende mit reduzierter Arbeitszeit». Das betreffe Lehren im Detailhandel oder im kaufmännischen Bereich. Bei der Migros heisst es, die Teilzeit-Lehre werde zwar nicht offiziell beworben. «Auf konkrete Anfragen hin prüfen wir dies jedoch individuell und bieten entsprechende Teilzeitlösungen an, sofern diese sinnvoll und umsetzbar sind.» Die Post sieht Herausforderungen, bleibt aber offen für Modelle: «Wir haben mit Firmen bezüglich Teilzeit-Lehren schon Austausch gehabt», sagt Post-Sprecherin Jacqueline Bühlmann. Das Thema werde momentan aber nicht weiter verfolgt. Man stelle fest, dass die Lehrzeit für die Lernenden herausfordernd ist. Die Lehrziele seien auf die zeitliche Dauer der Lehre zugeschnitten. «In einem Teilzeitmodell würde auch Lehrzeit wegfallen, der Bildungserfolg wäre somit infrage gestellt», so Bühlmann. «Nichtsdestotrotz fänden wir eine solche Option interessant und sind für eine Implementierung einer Teilzeit-Lehre offen.» Bereits bietet der Gelbe Riese eine Sportlehre an. In diesem Modell arbeiten und lernen die Lernenden 70 Prozent, die restlichen 30 Prozent trainieren sie ihre Sportart.

Bedürfnis «dem Zeitgeist geschuldet»

Der Verband Schweizer Schreinermeister (VSSM) hat keine genaue Übersicht über die Anzahl der Anfragen. Er bestätigt jedoch gegenüber Nau.ch, dass solche Anfragen vereinzelt bei Betrieben eingehen: «Solche Forderungen sind dem Zeitgeist geschuldet.» Der VSSM überlässt die Entscheidung darüber den Betrieben, betont aber: «Ein solches Arrangement muss immer mit dem Kanton abgesprochen und von ihm freigegeben werden.» Manuela Stockmeyer von der Login Berufsbildung – verantwortlich für die Berufslehren im öffentlichen Verkehr – kritisiert die Teilzeit-Lehre: «Die Lernziele und Anforderungen einer umfassenden Ausbildung können so kaum erreicht werden.» Anfragen nach Teilzeitausbildungen gebe es – meist aber aus gesundheitlichen Gründen. Das Konzept der Vollzeit-Lehre bleibe jedoch dominierend. Nicole Meier vom Arbeitgeberverband sieht das Bedürfnis nach Teilzeit-Lehren als Randphänomen. Für eine solche Ausbildung sei im Einzelfall zu klären, ob die Lernziele in der Zeit erreichbar sind. «Ansonsten gibt es die Möglichkeit, die Lernzeit zu verlängern.»

Experte: Teilzeit-Lehre könnte Fachkräftemangel «verschärfen»

Auch ein Experte bleibt skeptisch gegenüber Teilzeit-Lehren. Bildungsökonom Stefan Wolter von der Universität Bern warnt vor möglichen negativen Auswirkungen: «Eine Verlängerung der Ausbildungszeit könnte die Bildungsrendite der Lernenden reduzieren und den Fachkräftemangel verschärfen.» Schliesslich würde es bei einer Teilzeit-Lehre länger dauern, bis die Lernenden vom Lehrlings- in den Arbeitsmarkt wechseln. Doch er sieht auch Vorteile: «Denkbar ist, dass es bei gewissen Lernenden zu weniger Lehrabbrüchen kommen könnte. Aber das hängt auch davon ab, was diese in der Freizeit machen.» Wolter betont, dass die Entscheidung bei den Firmen liegen sollte. «Momentan könnte man erwarten, dass einige Firmen es machen würden, weil sie sich gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil versprechen.» Der Forscher vermutet aber: «Sobald die Schülerjahrgänge wieder grösser werden und die Wirtschaft abkühlen würde, wäre die Bereitschaft für ein solches Angebot wieder kleiner.»

Weiterlesen - ein Beitrag von Riccardo Schmidlin erschienen am 16.06.24 auf nau.ch