Homeoffice: Schweizer Firmen schwärmen weiterhin davon

SAP-Chef Christian Klein will Mitarbeiter zurück ins Büro holen – und setzt einen Trend. Doch in der Schweiz wollen Unternehmen am Homeoffice festhalten. Immer mehr internationale Firmen wollen ihre Mitarbeitenden ins Büro zurückholen. Doch: In der Schweiz hält man vielerorts am Homeoffice fest. Das flexible Arbeiten liegt im Trend: Oft wechseln Büro und Homeoffice einander ab.

Er bläst zum Kampf gegen Homeoffice: Christian Klein, Chef des deutschen Software-Giganten SAP, will seine Mitarbeitenden zurück ins Büro holen. Bislang mussten sie zwei Tage in der Woche im Büro arbeiten. Zuvor konnten Beschäftigte sogar komplett von zu Hause aus arbeiten. Wirtschaftspsychologe Carsten Schermuly sagte kürzlich, dass es dabei um Macht gehe. «In einer wirtschaftlich herausfordernden Situation geht es um die Demonstration von Stärke. Vielleicht auch, um Aktionären und anderen Stakeholdern zu zeigen, dass man die Lage im Griff hat.» Das Bedürfnis nach Kontrolle sei gross. Pikant: Klein gilt als Trendsetter. Und tatsächlich verzichten nun immer mehr Unternehmen auf Homeoffice. Kürzlich gab sogar das Videotelefonie-Unternehmen Zoom, das vielerorts Homeoffice überhaupt möglich macht, das Homeoffice auf. Zwei Tage Büro pro Woche sind jetzt das Minimum. Nur für den Chef gilt die Büropflicht nicht.

Schweizer Firmen wollen nicht zurück ins Büro

Doch in der Schweiz sind Firmen noch nicht auf den Zurück-ins-Büro-Zug gesprungen. Die Firmen halten weiterhin am Modell des Homeoffice fest und loben dessen Vorteile gegenüber Nau.ch. Zum Beispiel die Swiss Market Place Group (SMG), bekannt durch Plattformen wie Tutti und Ricardo. «Bei der SMG gibt es sehr wenige Mitarbeitende, die gar nicht im Homeoffice arbeiten. Über alle Mitarbeitenden gesehen, würden wir den Anteil von Homeoffice-Mitarbeitenden auf 95 Prozent schätzen. Und diese arbeiten schätzungsweise 40 Prozent Onsite und 60 Prozent im Homeoffice», sagt Roswitha Brunner von SMG. Fixe Bürotage werden nicht vorgeschrieben. «Die Teams können aber beispielsweise fixe Team-Office-Tage selbst bestimmen. Und natürlich dürften Mitarbeitende auch zu 100 Prozent im Büro arbeiten, wenn sie das möchten», so Brunner. Bei den meisten Schweizer Unternehmen arbeiten die Mitarbeitenden allerdings nicht täglich von zu Hause aus – sondern wechseln ab.

Flexibilität als Schlüssel zum Erfolg

Das Techunternehmen ABB Schweiz ist grosser Befürworter des flexiblen Arbeitens: «Nach wie vor ist bis zu 80 Prozent Homeoffice bei ABB in der Schweiz möglich», so Eike Christian Meuter. Er betont die Vorteile für beide Seiten: Für das Unternehmen bedeutet es höhere Produktivität/Effizienz, für die Mitarbeiter höhere Zufriedenheit/Motivation. Nestlé hat schon seit über zehn Jahren ein flexibles Arbeitsumfeld eingeführt und sieht darin viele Vorteile. Die Schweizerische Post setzt ebenfalls auf Flexibilität. Doch ganz ohne Büro geht es beim Gelben Riesen nicht. Die Post plant bis 2030 zwölf regionale Büro-Hubs zu errichten, um ihren Mitarbeitern moderne Arbeitsplätze anzubieten. Post-Sprecher Stefan Dauner sagt: «Die Post will Büroflächen in der richtigen Grösse am passenden Ort und mit der passenden Ausstattung. Die Post zwingt ihre Mitarbeitenden also nicht ins Büro.» Vielmehr werden die Standorte analysiert und den Mitarbeitenden die Räume angeboten, die für sie sinnvoll seien.

Hybrides Modell als Lösung

Auch die Swisscom fördert noch immer mobiles Arbeiten. Armin Schädeli erklärt: «Für uns ist ein sinnvoller Mix von Büroarbeit und Homeoffice wichtig. Unsere Mitarbeitenden sollten daher mindestens zwei Tage pro Woche im Büro arbeiten.» Diese Lösung habe sich bewährt. Auch der Internetdienstleister Green.ch sowie die Banken Raiffeisen, die Zürcher Kantonalbank und UBS setzen auf ein hybrides Arbeitsmodell. «In der Schweiz arbeiten viele Mitarbeitende von UBS in einem hybriden Arbeitsmodell. Ein Mix aus Arbeiten im Büro und von zu Hause. Dies kommt sehr gut an», sagt Maren Rimmer. Bei Raiffeisen kann gar bis zu 80 Prozent der Arbeit ortsunabhängig erledigt werden, wenn die Tätigkeit dies zulässt. «Die Möglichkeit, ortsunabhängig zu arbeiten, wird von Mitarbeitenden wie auch Führungspersonen gleichermassen geschätzt und genutzt.» Auch Google bietet seinen Mitarbeitenden weltweit einen Mix: Drei Tage im Büro, zwei Tage remote und vier Wochen pro Jahr können sie von einem beliebigen Ort aus arbeiten. Und somit auch in Zürich.

Schindler schraubt Homeoffice zurück

Öffentlichkeitswirksam hat in der letzten Zeit nur der Schweizer Liftbauer Schindler beim Homeoffice zurückgekrebst. Während in einigen Konzerneinheiten früher 100 Prozent von zu Hause aus erledigt werden konnte, gibts nun noch einen Tag Homeoffice. Das Unternehmen rechtfertigt den Schritt per Anfang Mai mit «Solidarität». Schliesslich können die Angestellten in der Produktion nicht von zu Hause aus arbeiten.

Weiterlesen - ein Beitrag von Riccardo Schmidlin erschienen am 19.08.2024 auf nau.ch

 

Fehlerhafte Formeln im Berechnungsprogramm: BSV korrigiert AHV-Finanzperspektiven

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat bei Kontrollarbeiten in den AHV-Finanzperspektiven festgestellt, dass die AHV-Ausgaben langfristig unplausibel hoch erscheinen. Grund sind zwei fehlerhafte Formeln im Berechnungsprogramm. 2033 dürften die AHV-Ausgaben rund 4 Milliarden Franken oder rund 6 Prozent tiefer ausfallen, als bisher berechnet. Das Umlagedefizit wächst bis 2033 auf rund 4 Milliarden Franken (bisher über 7 Milliarden) an. Das BSV hat umgehend zwei alternative Modelle zur Berechnung erstellt und zwei Forschungsinstitute damit beauftragt, bis Ende August je ein unabhängiges Modell zu entwickeln. Mit diesen können die neu berechneten Finanzperspektiven validiert und im September publiziert werden.

Bei Kontrollarbeiten hat das BSV zwei mathematische Formeln im Berechnungsprogramm der AHV-Finanzperspektiven entdeckt, die langfristig zu unplausiblen Werten für die Ausgaben der AHV führten. Die Effekte der beiden Formeln verstärken sich gegenseitig und führen dazu, dass die Ausgaben stärker anwachsen, als dies realistischerweise angenommen werden kann. Dadurch wird die künftige finanzielle Entwicklung der AHV zu negativ dargestellt.

BSV hat Ausgaben der AHV umgehend neu geschätzt

Nachdem die Ursache und eine grobe Schätzung des Ausmasses der unplausiblen Ergebnisse Ende Mai bekannt waren, hat das BSV umgehend reagiert. Um die Ausgaben der AHV für die nächsten zehn Jahre neu zu schätzen, hat es seit Ende Juni zwei alternative Modelle entwickelt und anhand der Ausgaben der vergangenen Jahre ihre Projektionsfähigkeiten erfolgreich getestet. Gleichzeitig hat das BSV zwei Forschungsinstitute damit beauftragt, bis Ende August je ein unabhängiges Modell für die künftigen Ausgaben der AHV zu entwickeln. Die Berechnungen der beiden externen Institute werden es erlauben, die neuen Berechnungsmodelle des BSV zu validieren. Im September wird das BSV die neuen, korrigierten AHV-Finanzperspektiven veröffentlichen.

Änderung der Ausgaben und des Umlageergebnisses

Die beiden intern erstellten Rechnungsmodelle haben ergeben, dass die AHV-Ausgaben vor allem mittel- und langfristig von den bisherigen Projektionen abweichen. Im Jahr 2026, wenn die 13. Altersrente eingeführt wird, dürften die Ausgaben der AHV wie bisher angenommen rund 57 Milliarden Franken betragen (zu Preisen von 2023). 2028 werden sie voraussichtlich rund 1 Milliarde tiefer liegen, was einer Abweichung von 1.5 Prozent entspricht. 2030 dürfte die Überschätzung auf rund 2 Milliarden (3%) und bis 2033 auf rund 4 Milliarden Franken ansteigen, was einer Abweichung von rund 6% entspricht. Das Umlageergebnis (Differenz von Einnahmen und Ausgaben, ohne erwartete Anlagerendite) wird, wie bisher angegeben, ab 2026 mit der Einführung der 13. Altersrente negativ. Die erwarteten Defizite sind allerdings geringer. Das Umlagedefizit wächst bis 2030 auf rund 2 Milliarden (bisher knapp 4 Milliarden) und bis 2033 auf rund 4 Milliarden Franken (bisher über 7 Milliarden) an. Die niedrigeren Ausgaben der AHV wirken sich auch auf den Beitrag des Bundes aus. Kumuliert über den Zeitraum 2026-2033 und unter Beibehaltung des derzeitigen Anteils von 20.2 Prozent ergibt sich ein um rund 2.5 bis 3 Milliarden Franken niedrigerer Betrag (zu Preisen von 2023).

Auswirkung auf die Umsetzung und Finanzierung der 13. Altersrente

Die Kosten der 13. Altersrente sind von der Korrektur der Finanzperspektiven kaum tangiert. Nach den neuen Berechnungen liegen sie 2026 bei rund 4.2 Milliarden und 2030 bei knapp 5 Milliarden Franken pro Jahr. Die Vernehmlassung zur Umsetzung und Finanzierung der 13. Altersrente wurde am 5. Juli 2024 abgeschlossen und wird derzeit ausgewertet. Der Bundesrat wird demnächst über das weitere Vorgehen zur 13. Altersrente entscheiden.

Komplexes Berechnungsprogramm wird korrigiert

Das Berechnungsprogramm für die Finanzperspektiven ermöglichte bisher sehr detaillierte Projektionen als Grundlage für politische Entscheide und ist in den letzten Jahren auf mehr als 70'000 Zeilen Programmcode angewachsen. Wegen der hohen Komplexität braucht es mehrere Monate, bis das bisherige Berechnungsprogramm korrigiert und wieder einsatzfähig ist. Bis dahin ermöglichen es die vom BSV ergriffenen Massnahmen, dennoch in Kürze wieder mit robusten Berechnungsmodellen Finanzperspektiven arbeiten zu können. Die Finanzperspektiven der AHV werden mindestens einmal im Jahr aktualisiert, um neue exogene Faktoren (z.B. Teuerung, Lohnentwicklung, Demografie, Arbeitsmarktindikatoren) zu integrieren. Seit 2012 waren die Projektionen des BSV zuverlässig. Vergleiche zwischen den projizierten und den realisierten Werten zeigen keine systematischen Über- oder Unterschätzungen.

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Schuldenberatungen sind am Anschlag - Ansturm wegen steigender Kosten

Mit den Steuern beginnt häufig die Schuldenspirale. Immer mehr Menschen gehen in die Schuldenberatung, doch noch viel mehr bräuchten Hilfe. Immer mehr Menschen sind verschuldet. Schuldenberater können die Nachfrage nicht mehr abdecken. Seit diesem Jahr dürfen Kreditgeber noch höhere Zinsen für Barkredite verlangen. Doch die häufigste Schuldenart sind die Steuern.

Miete, Krankenkasse und Lebensmittel: Alles wird teurer. Das treibt die Menschen in die Schulden.Jede zwanzigste erwachsene Person in der Schweiz hat gemäss Wirtschaftsauskunftei Crif wegen nicht bezahlter Rechnungen Betreibungen ab Fortsetzungsbegehren, Konkurse und Verlustscheine. Betreibungsämter in Zürich kommen an ihre Grenzen. In einem solchen Stadium wird es schwer, die Schulden aus eigener Kraft zu stemmen. Die Schuldenberatungsstellen haben eine stete Zunahme. «Es kommen immer mehr zu uns», sagt Barbara Bracher, Stellenleiterin der Fachstelle für Schuldenfragen Luzern, zum «Boten der Urschweiz».

«Wir können die Nachfrage nicht abdecken»

Andere Kantone registrieren laut Bracher dieselbe Entwicklung. Raphael Kuster, Co-Leiter der Berner Schuldenberatung, bestätigt: «Seit Corona ist die Nachfrage ungebrochen hoch, die wir nicht abdecken können. Wir sind am Anschlag.» Die Berner Schuldenberatung leiste seither mehr Stunden, als der Kanton bezahle. «Zum Glück können wir durch Spenden und eigene Mittel die zusätzliche Nachfrage aktuell noch abdecken, sonst wäre es nicht mehr möglich», sagt Kuster zu 20 Minuten.

Viele verzichten aus Scham auf Schuldenberatung

Allerdings nehmen nur etwa zehn bis 15 Prozent der verschuldeten Menschen die Angebote von Schuldenberatungen in Anspruch, wie Studien in Deutschland zeigen. Viele melden sich auch erst spät. Kuster erklärt: «Schulden sind in der Gesellschaft schambehaftet. Es braucht Überwindung, zu uns zu kommen.» Er sehe oft, dass Verschuldete versuchen, selber Lösungen zu finden. «Sie nehmen unter dem Druck der vielen Rechnungen einen Kredit auf, aber davon raten wir dringend ab. Das ist eine Umschuldung, die wegen der Zinsen zu weiteren Kosten führt», so Kuster.

Kreditzinsen noch höher

Die Zinsen auf Konsumkredite dürfen seit diesem Jahr sogar noch höher sein. Je nach Anbieter sind die Zinsen unterschiedlich, dürfen neu aber maximal zwölf Prozent der Kreditsumme betragen, ein Prozent mehr als zuvor. Damit könnten die Schuldbeträge noch mehr steigen. Barkredite waren im letzten Jahr aber nur die siebthäufigste Schuldenkategorie bei der Berner Schuldenberatung (siehe Tabelle). Mit Abstand am wichtigsten sind die Steuern mit durchschnittlich 37'600 Franken. Mit den Steuern beginnt häufig die Schuldenspirale, sagt Kuster im Interview mit 20 Minuten (siehe unten).

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«Es kann jeden treffen»

 

Was sind die häufigsten Gründe für eine Verschuldung?
Es kann jeden treffen, wir spüren, wie die Budgets der Leute wegen der steigenden Kosten enger werden. Häufige Verschuldungsursachen sind Krankheit oder Unfall, eine Überforderung, eine Trennung oder eine kühne Geldplanung. Auch ein Auszug aus dem Elternhaus, Arbeitslosigkeit und Working Poor sind häufige Gründe.

Was soll man bei einer Verschuldung tun?
Als Erstes die zuständige Schuldenberatungsstelle vom Kanton aufsuchen. Dort kann man sehen, was es für Möglichkeiten gibt.

Was bietet die Schuldenberatung?
Wir erstellen in Beratungsgesprächen ein Budget mit den Schuldnern. Auf Basis der aktuellen Lebenssituation und den Einnahmen können wir die Möglichkeiten einer Schuldenregelung aufzeigen. Das kann von Leben mit Schulden, zu einem Privatkonkurs bis hin zu einer Schuldensanierung gehen. Im besten Fall kann man eine Schuldensanierung machen, in so einem Fall verhandeln wir mit den Gläubigern eine Abzahlung der Schulden. Ziel ist eine vollständige Entschuldung in drei Jahren.

Kostet das etwas?
Das ist kantonal unterschiedlich. Bei der Berner Schuldenberatung ist die Telefonberatung und Erstberatung kostenlos. Für Schuldenregelungen, wie beispielsweise einer Schuldensanierung, zahlt der Kanton nur wenige Stunden, daher müssen wir in diesem Fall auch Mandatskosten verlangen.

Was hilft, um gar nicht erst in die Schuldenfalle zu kommen?
Als Schuldenberatungsstelle raten wir dringend von Krediten zum Begleichen von Rechnungen ab. Bei den Zahlungen ist es wichtig, dass die Fixkosten wie beispielsweise Miete und Krankenkasse bezahlt werden. Auch empfehlen wir, dass regelmässige Rückstellungen für die Steuern gemacht werden. Gerade Krankenkassenschulden und Steuern sind ein häufiger Grund, wie eine Schuldenspirale beginnt.

Warum sind Steuerschulden so gefährlich?
Weil das in der Regel ein grosser Ausgabeposten ist. Ausserdem kann man bei einer Pfändung keine Steuern bezahlen. Dadurch steigen die Steuerschulden jährlich weiter an.

Weiterlesen - ein Beitrag von Fabian Pöschl erschienen am 29.07.24 auf 20min.ch

Fachkräftemangel bei KMU: Axa-Studie - Jedes zweite Unternehmen kämpft um Arbeitnehmende

Mehr als die Hälfte der Schweizer KMU hat Schwierigkeiten, Mitarbeitende zu finden. Dies geht aus einer am Freitag veröffentlichten Studie des Versicherers Axa hervor. Besonders betroffen sind das Baugewerbe sowie das Gesundheits- und Sozialwesen.

Ausserdem sagen zwei von fünf befragten Firmen, dass sie mit häufigen Abgängen zu kämpfen hätten. Auch die jüngste Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt habe nur wenig Linderung gebracht, so das Ergebnis der Studie. Arbeitgebende wollen den Angestellten wegen des Fachkräftemangels vermehrt entgegenkommen, etwa mit flexibleren Arbeitszeiten und -pensen. So bietet fast die Hälfte der KMU in diesem Jahr mehr Teilzeitstellen an, um genügend Mitarbeitende zu finden. Zudem wirbt jedes fünfte befragte Unternehmen mit deutlich höheren Löhnen um neue Fachkräfte. Für die Axa-Studie hat das Forschungsinstitut Sotomo 300 Schweizer KMU mit fünf und mehr Beschäftigten in der Deutsch- und Westschweiz befragt. Die Datenerhebung fand vom 5. bis 13. Februar 2024 statt.

Weiterlesen - SRF 4 News, 26.07.2024, 03:30 Uhr ; 

AXA KMU-Arbeitsmarktstudie 2024

Haben jüngere Arbeitnehmende höhere Ansprüche? Die Resultate dieser Studie erstaunen

Eine neue Arbeitsmarktstudie der AXA hat untersucht, inwiefern sich die Ansprüche und Bedürfnisse der jüngeren Generation von denen der älteren Generation unterscheiden. Die Ergebnisse überraschen.

Der Tenor in der Gesellschaft zur Arbeitseinstellung der Generationen Y und Z lautet oft: faul, aber anspruchsvoll, wenig arbeiten, aber viel verdienen. Eine neue Studie der AXA Versicherungen zum KMU-Arbeitsmarkt hat nun untersucht, inwiefern diese Vorurteile gegenüber der jüngeren Generationen tatsächlich zutreffen. Das Ergebnis dürfte einige überraschen.

Flexible Arbeitsbedingungen gegen Fachkräftemangel

Zunächst stellte die Studie fest: Der Fachkräftemangel bleibt auch 2024 ein grosses Problem für Schweizer KMU. Über 40 Prozent gaben an, dass dort die grösste Herausforderung liegt. Zudem spüren viele kleine und mittlere Unternehmen den andauernden Fachkräftemangel auch im Verhalten ihrer Angestellten. «Der anhaltende Fachkräftemangel verändert das Kräfteverhältnis am Arbeitsmarkt: Arbeitnehmende kennen ihren Wert und formulieren zusätzliche Erwartungen an künftige Arbeitgebende. Darauf müssen KMU zunehmend reagieren können, wollen sie ihre offenen Stellen besetzen», erklärt Michael Hermann, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Sotomo. Das tun die KMU auch, und zwar gemäss Studie mit Lösungen wie dem Angebot von grösserer Flexibilität beim Arbeitspensum und der Arbeitszeit: Rund die Hälfte aller befragten Unternehmen (48 Prozent) gab demnach an, 2024 mehr Teilzeitstellen anzubieten, um genügend Mitarbeitende rekrutieren zu können. 47 Prozent bieten mehr Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung – wie Homeoffice oder Vertrauensarbeitszeit.

So anspruchsvoll sind Mitarbeitende unter 30

So weit, so erwartbar. Die Studie zeigt aber auch: Dass es in erster Linie die jüngere Generation ist, die Dinge wie Work-Life-Balance hoch gewichtet und ausschliesslich den «Foifer und s'Weggli» will, stimmt nur bedingt. Zwar deckt sich die Sicht der Unternehmen in vielen Aspekten mit der öffentlichen Wahrnehmung. Ein Vergleich der Generationen zeigt aber, dass junge Arbeitnehmerinnen und -nehmer (unter 30 Jahren) nicht höhere Ansprüche haben dürften als die ältere Generation (über 30 Jahre). Oftmals hat die jüngere Generation sogar tiefere – zumindest nehmen das ihre Arbeitgeber so wahr.

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Gewisse Ansprüche haben alle Generationen

Ein Drittel der befragten Arbeitgeber gab an, dass der jüngeren Generation Selbstverwirklichung wichtiger sei als der älteren Generation. Umgekehrt waren es nur 22 Prozent. Allerdings zeigt die Studie auch auf: Ältere Generationen haben gleichermassen Ansprüche. So sind eine gesunde Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeitmodelle und flache Hierarchien gemäss der Arbeitgeber für die zwei Altersgruppen praktisch gleich wichtig – also egal, ob über oder unter 30-jährig.

Ältere wollen mehr Lohn und Wertschätzung

Den deutlichsten Unterschied gibt es laut den KMU beim Lohn als Entscheidungsfaktor. Die Ergebnisse zeigen, dass älteren Generationen die Entlöhnung wichtiger ist als der jüngeren Generation (50 Prozent versus 24 Prozent). Ältere Arbeitnehmerinnen erwarten also mehr materielle Anerkennung für ihre Arbeit als die Generationen Y und Z. Ebenfalls häufiger von der älteren Generation gefordert sind gemäss den Angaben der KMU immaterielle Aspekte wie Wertschätzung (54 Prozent versus 15 Prozent), Teamgeist (46 Prozent versus 13 Prozent) und Umgangsformen (34 Prozent versus 12 Prozent). Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung zeigen die Ergebnisse der befragten KMU also, dass junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weniger Gegenwert für ihr Engagement verlangen. Grosse Unterschiede gibt es auch bei der Bewertung der Loyalität gegenüber dem Unternehmen. «Umfragen zeigen, dass jüngere Mitarbeitende schneller bereit sind, die Stelle zu wechseln, als ältere. Das widerspiegelt sich auch in den Umfrageergebnissen. Gleichzeitig sollte diese Wahrnehmung etwas relativiert werden, schliesslich hatten jüngere Mitarbeitende weniger Zeit, ihre Loyalität gegenüber dem Unternehmen zu beweisen als langjährige Mitarbeitende.» Michael Hermann, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Sotomo. Zum Schluss wollte die Umfrage noch herausfinden, ob die jüngere Generation häufiger mit psychischen Erkrankungen auffällt. Eine Mehrheit der KMU (53 Prozent) stellt hinsichtlich dieser Frage keinen Unterschied zwischen den Altersgruppen fest. Psychische Krankheiten wirken sich demnach unabhängig der Generationen auf das Arbeitsleben aus.

Junge Generation leistet weniger und ist illoyaler

In einem Punkt bestätigt die Studie aber das Klischee der «faulen Jungen». Die befragten Unternehmen geben an, dass es eher die Jungen sind, die weniger leisten und nur «Dienst nach Vorschrift» machen. Die jüngere Generation zeigt demnach auch weniger Verantwortungs- und Leistungsbereitschaft als ihre älteren Kolleginnen und Kollegen.

Zur Studie

Für die Untersuchung befragte das Forschungsinstitut Sotomo 300 Schweizer KMU mit fünf und mehr Beschäftigen aus der deutsch- und französischsprachigen Schweiz. Die Datenerhebung erfolgte zwischen dem 5. und 13. Februar 2024 über das Unternehmenspanel von AmPuls. Die Studie hat untersucht, welche Ansprüche und Bedürfnisse die jüngere sowie die ältere Generation gemäss dem Arbeitgeber an die Berufswahl stellt.

Weiterlesen - ein Beitrag von Olivier Meier erschienen am 26.07.24 auf watson.ch

Mehr als 8 Milliarden Arbeitsstunden im Jahr 2023

Im Jahr 2023 wurden in der Schweiz insgesamt 8,106 Milliarden Arbeitsstunden geleistet. Dies entspricht einem Plus von 1,8% gegenüber dem Vorjahr. Zwischen 2018 und 2023 ist die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitarbeitnehmenden durchschnittlich um 46 Minuten auf 40 Stunden und 12 Minuten zurückgegangen. Soweit die jüngsten Ergebnisse des Bundesamtes für Statistik (BFS). 

Gemäss der Arbeitsvolumenstatistik (AVOL) des BFS nahm die Gesamtzahl der Arbeitsstunden sämtlicher erwerbstätigen Personen in der Schweiz 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 1,8% zu, obwohl 2023 mehr Feiertage auf einen Werktag (Montag bis Freitag) fielen als 2022. Ohne diesen Effekt wäre der Anstieg bei den Arbeitsstunden noch grösser ausgefallen (+2,8%), da die Zahl der Arbeitsstellen (+2,6%) und die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit pro Arbeitsstelle (+0,2%) 2023 gestiegen sind. 

Rückgang der tatsächlichen Arbeitszeit bei den Arbeitnehmenden innert fünf Jahren 

Von 2018 bis 2023 verringerte sich die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitarbeitnehmenden (ohne Arbeitnehmende in eigener Firma) um 46 Minuten auf 40 Stunden und 12 Minuten. Gründe für diesen Rückgang sind die Abnahme der vertraglich festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit (-9 Minuten auf 41 Stunden und 43 Minuten) und der wöchentlichen Überstunden (-15 Minuten auf 40 Minuten) sowie die Zunahme der wöchentlichen Dauer der Absenzen (+22 Minuten auf 2 Stunden und 11 Minuten). Im selben Zeitraum stieg die Zahl der Ferienwochen um 0,3 Tage auf 5,2 Wochen pro Jahr. 2023 verfügten die Arbeitnehmenden im Alter von 20 bis 49 Jahren mit 5,0 Wochen über weniger Ferien als die 15- bis 19-Jährigen und die 50- bis 64-Jährigen (5,5 bzw. 5,6 Wochen). 

Über 44 Stunden pro Woche im Primärsektor

Die höchste tatsächliche Arbeitszeit pro Woche wurde bei den Vollzeitarbeitnehmenden des Primärsektors registriert (44 Stunden und 23 Minuten). Dahinter folgen die Branchen «Kredit- und Versicherungsgewerbe» (41 Stunden und 17 Minuten), «Kunst, Unterhaltung, private Haushalte, sonstige Dienstleistungen» (40 Stunden und 51 Minuten) sowie «Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen» (40 Stunden und 45 Minuten). Die kürzeste tatsächliche Arbeitszeit wurde mit 39 Stunden und 42 Minuten im Baugewerbe verzeichnet. 

Mehr als sieben Tage gesundheitsbedingte Absenzen 

Gesundheitsbedingte Absenzen (Krankheit oder Unfall) machen mit 64% den grössten Teil des jährlichen Absenzenvolumens der Arbeitnehmenden aus. Zwischen 2022 und 2023 sank die durchschnittliche jährliche Anzahl gesundheitsbedingter Absenzen bei den Vollzeitarbeitnehmenden von 9,3 auf 7,6 Tage pro Arbeitsstelle. Am wenigsten Absenzen gab es 2023 in den Branchen «Information und Kommunikation» (5,9 Tage), «Kredit- und Versicherungsgewerbe» (6,0 Tage) sowie «Kunst, Unterhaltung, private Haushalte, sonstige Dienstleistungen» (ebenfalls 6,0 Tage). Die längsten Absenzen wurden in den Branchen «Land- und Forstwirtschaft» (11,6 Tage) sowie «Immobilien und sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen» (9,4 Tage) registriert.

Internationale Vergleiche fallen sehr unterschiedlich aus 

Für internationale Vergleiche muss die Berechnungsmethode der Arbeitszeit angepasst werden (vgl. methodischer Anhang). Die wichtigste Änderung besteht darin, dass Personen, die während einer ganzen Woche abwesend sind, ausgeklammert werden, wodurch die Arbeitszeit deutlich höher ausfällt. Gemäss dieser Berechnung lag die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitarbeitnehmenden in der Schweiz im Jahr 2023 bei 42 Stunden und 33 Minuten. Damit verzeichnet die Schweiz den höchsten Wert der EU/EFTA-Länder. Am kürzesten war die Arbeitszeit in Finnland (36 Stunden und 29 Minuten) und in Belgien (36 Stunden und 32 Minuten). In der EU belief sie sich auf durchschnittlich 38 Stunden und 5 Minuten. 

Betrachtet man hingegen die Gesamtheit der Erwerbstätigen, zählte die Schweiz mit 35 Stunden und 30 Minuten im Jahr 2023 zu den Ländern mit der kürzesten tatsächlichen Arbeitszeit pro Woche. Grund hierfür ist der hohe Anteil Teilzeiterwerbstätiger. Griechenland registrierte die längste Arbeitszeit (39 Stunden und 48 Minuten), die Niederlande die kürzeste (30 Stunden und 33 Minuten). Der EU-Durchschnitt lag bei 35 Stunden und 42 Minuten. 

Setzt man das Gesamtvolumen der geleisteten Wochenarbeitsstunden ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung (15 Jahre und älter), gehört die Schweiz mit 23 Stunden und 1 Minute wiederum zu den Ländern mit der längsten tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit. Die Erklärung dafür ist in der hohen Erwerbsbeteiligung zu suchen. Die längste Arbeitszeit wurde in Island verzeichnet (25 Stunden und 31 Minuten), die kürzeste in Italien (16 Stunden und 34 Minuten). In der EU belief sich der Durchschnitt auf 19 Stunden und 26 Minuten. 

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