Geld, Glück und Sinn: warum die Geburtenrate in der Schweiz und in Deutschland immer weiter fällt

Reicht eine familienfreundliche Politik nicht mehr aus, um den Trend zu weniger Kindern zu stoppen? Die Soziologie-Professorin Katja Rost erklärt, wie veränderte Lebenswünsche und Werte den Kinderwunsch prägen.

Kinder zu bekommen, war früher eine Selbstverständlichkeit. Heute ist das nicht mehr der Fall. Eltern zu werden – oder auch nicht –, ist ein individueller Entscheid geworden. Die Folge: Während die Geburtenrate in der Schweiz 1964 pro Frau noch bei 2,7 Kindern lag, ist sie inzwischen auf rekordtiefe 1,39 Kinder gefallen. In Deutschland zeigt sich der gleiche Trend: Die Fertilitätsrate sank 2022 auf 1,46 Kinder pro Frau; bei 7,5 Prozent weniger Geburten als im Vorjahr. Kinder zu haben, ist teuer. Oft wird deshalb beklagt, dass eine unzureichende Familienpolitik schuld an der Entwicklung sei. Die Ursachen für den Trend zu weniger Kindern liegen aber tiefer, wie Katja Rost, Soziologieprofessorin und Co-Direktorin des universitären Forschungsschwerpunkts Menschliche Fortpflanzung an der Universität Zürich, im Gespräch feststellt. Das hat Folgen für die Familienpolitik. Wenn es vor allem veränderte Lebenswünsche und Prioritäten sind, die die Menschen davon abhalten, Nachwuchs zu bekommen, dann greift die Forderung nach ausgebauten Krippensubventionen zu kurz.

Zeit schinden mit Egg-Freezing

Die Frage, warum wir weniger Kinder bekommen, beantwortet die Soziologin Rost denn auch zunächst nicht aus einer wirtschaftlichen Optik, sondern aus einer gesellschaftlichen. Bei vielen Erwachsenen spiele das Sicherheitsdenken eine grosse Rolle. «Es hindert uns daran, unsere Kinder früh zu bekommen.» Man wolle alles haben: den richtigen Partner, eine etablierte Karriere, eine schöne Wohnung und finanzielle Reserven. Der Zeitpunkt zum Kinderkriegen wird immer weiter nach hinten verschoben und scheint nie der richtige zu sein.

Unter ihren Studentinnen, so erzählt Rost, sei das Egg-Freezing, das Einfrieren der Eier, ein grosses Thema. Mit der biologischen Uhr im Nacken versucht man, sich mehr Zeit zu organisieren. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Sowohl die gewollte wie auch die ungewollte Kinderlosigkeit habe zugenommen, so die Soziologieprofessorin. Rost, die selbst mit 37 Jahren einen Sohn bekommen hat und in einer Patchworkfamilie lebt, empfiehlt, die Kinder früher zu bekommen. Der ideale Zeitpunkt sei während des Studiums oder der Ausbildung, argumentiert sie. Wer sich beim nächtlichen Clubbing etwas einschränke, habe in dieser Lebensphase viel Zeit und Energie. Wenn dann im Alter von 30 Jahren die Zeit komme, in der die Karriere richtig aufgebaut werden müsse, seien die Kinder schon nicht mehr ganz klein.

Die Fehler der eigenen Mütter vermeiden

Hinter der Kinderlosigkeit beziehungsweise dem Wunsch, nur ein Kind zu haben, steckt aber oft auch ein bewusster Entscheid. «Kinder sind eine wahnsinnige Verpflichtung.» Die Vorstellung von einem erfüllten Leben, einer Karriere, von Unabhängigkeit könne dadurch infrage gestellt werden. Soziologen sprechen von «Optionsverengungen»: Der Entscheid für etwas schliesst anderes aus. Heute fragen sich viele, warum sie einen Weg wählen sollten, der ihr bisher gutes Leben gefährdet. Eine grosse Rolle beim Geburtenrückgang spielt auch die bessere Ausbildung der Frauen. Gerade hochqualifizierte Frauen haben häufiger keine oder weniger Kinder, wie es im deutschen Demografieportal heisst. Früher war der Karriereverzicht für viele Frauen eine normative Vorgabe. Heute wird genauer abgewogen, ob sich die Einschränkungen, die Kinder und Familie mit sich bringen, tatsächlich lohnen beziehungsweise wie sich das Glück steigern lässt.

Kinder: vom ökonomischen Wert zur Belastung

Geprägt wird diese Überlegung auch von einer veränderten wirtschaftlichen Logik. Bis etwa zum Zweiten Weltkrieg «lohnte» es sich, Kinder zu haben. Ihnen oblag es, ihre Eltern im Alter zu versorgen. Mit dem Ausbau des Sozialstaates wurde diese Pflicht zunehmend obsolet. «Damit wurden Kinder von einem ökonomischen Wert zu einer ökonomischen Belastung», stellt Rost fest. Die Professorin ist allerdings weit davon entfernt, die Sicht auf Kinder auf die Belastungen zu verengen. Als Soziologin sagt sie: «Kinder haben nicht nur einen psychologischen und sozialen Wert, sondern auch einen transzendentalen Wert.» Als Mutter sagt sie: «Für mich ist es das Beste in meinem Leben.» Mit Kindern erfahren viele einen tieferen Sinn. Ihr persönlich habe das Elternsein in Lebenskrisen einen Halt gegeben, den sie sonst bei weitem nicht gehabt hätte.

Er kümmert sich um den Rasenmäher, sie um das Kind

Gesellschaftlich beobachtet die Soziologin einige Trends dennoch kritisch. Dazu zählt sie eine Retraditionalisierung durch die Familie. Sobald Kinder da sind, verstärken sich bei vielen Paaren traditionelle Rollenmuster. Er kümmert sich um den Rasenmäher, sie um das Kind. Wenn nicht beide die gleichen Erwartungen hätten, könnten so leicht Konflikte entstehen. Junge Frauen, die das erahnen, setzen sich dem in einer Welt voller Wahlmöglichkeiten womöglich nicht unnötig aus. Gerade weil die Familiengründung heute ihren verbindlichen Normcharakter verloren hat, sind die Glückserwartungen an sie gestiegen. «Die Romantisierung der Familie hat zugenommen», sagt Rost. Man wünsche und erwarte, dass alles harmonisch verlaufe. Familie und Arbeit, so der Anspruch, müssen gut miteinander vereinbar sein. Abschreckend wirkt dabei, dass die jungen Erwachsenen in ihrem Umfeld wahrnehmen, wie aus dem Ideal der beabsichtigten Work-Life-Balance in der Realität oft eine harte Doppelbelastung wird. Sie sehen die Konflikte bis hin zu Trennungen und zweifeln, dass sich tatsächlich alles idealtypisch verbinden lässt. «Es wird als zu viel erlebt», sagt Rost.

DDR: Neid auf die Hausfrauen

Die Soziologin macht in diesem Zusammenhang auf häufig nicht hinterfragte Wertehaltungen aufmerksam. Frauen, die nicht erwerbstätig sind, gelten heute als rückständig. Rost, die in Ostdeutschland aufwuchs, hat dazu ein ambivalentes Verhältnis. «In der DDR mussten alle voll arbeiten.» Wegen der Auswanderung in den Westen habe es zu wenig Arbeitskräfte gegeben. Auf Frauen konnte deshalb nicht verzichtet werden. «Wir in der DDR blickten mit Neid und Unverständnis auf das Modell der Hausfrau.» Der heutige Fokus auf Frauenkarrieren komme ihr manchmal vor wie eine DDR 2.0, witzelt Rost. Er entspringe, so meint sie, eben nicht nur einer feministischen Agenda, sondern sei auch dem Druck aus der Wirtschaft geschuldet, den Fachkräftemangel abzufedern.

Aus der Alterspyramide wird ein Pilz

Was passiert, wenn sich der Trend zur Individualisierung fortsetzt, die Geburtenrate weiter sinkt und die Zahl der Kinder in Zukunft noch mehr abnimmt? Grundsätzlich, so könnte man argumentieren, ist eine kleinere Bevölkerung kein Problem, ökologisch sogar ein Vorteil. Für Rost ist das dennoch keine schöne Vorstellung. Sie denkt dabei an Japan, wo in Altersheimen immer mehr Pflegeroboter eingesetzt werden. Aus sozialer Perspektive sei es gut, wenn eine Gesellschaft ausgeglichen sei und die Alterspyramide nicht zu einem Pilz werde. «Das verringert das Konfliktpotenzial zwischen den Generationen.» Rost argumentiert zudem, dass Wirtschaft, Wohlfahrt und Sozialstaat auf Nachwuchs ausgelegt seien. Gleichzeitig konzediert sie aber auch, dass das Generationenmodell des Sozialstaates mit der Umverteilung von Jung zu Alt kein gutes Argument sei, um nach einer Stabilisierung der Geburtenrate zu rufen. Niemand will Kinder bekommen, nur damit diese dereinst die Altersvorsorge retten.

Kreative Lösungen

Was würde es brauchen, damit die Menschen wieder mehr Kinder möchten – oder mindestens nicht noch weniger? Unterstützungsmassnahmen wie Krippensubventionen hätten einen Effekt, sagt Rost. Sie nehmen wirtschaftlichen Druck von den Familien. Dennoch sollten sie nicht überschätzt werden. Die Diskussion um die Kinder werde oft ökonomisch geführt, der Kinderwunsch sei aber nicht ökonomisch motiviert. Entscheidend sei, so Rost, das Gesamtpaket. «Hier müssen wir kreativ überlegen.» Einen Ansatzpunkt sieht die Soziologin in einem positiveren Bild von der Familie. Es sollte in Gesellschaften für junge Personen wieder vermehrt als attraktiv, wünschenswert und nicht einengend wahrgenommen werden. Es helfe nicht, wenn Karrierefrauen heroisiert oder verteufelt würden, Hausfrauen als nicht zeitgemäss dargestellt würden oder Hausmänner als woke Nichtsnutze abgetan würden. Gefragt sind attraktive, nicht wertvorbeladene Modelle. Zum Beispiel die coolen, jungen Nicht-Helikopter-Eltern, welche sich in Ausbildung befinden und sich auf selbständige Berufswege vorbereiten.

NZZ Live-Veranstaltung: Kind und Karriere - ein Widerspruch?

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Weiterlesen - ein Beitrag von Christin Severin erschienen am 21.03.2024 auf nzz.ch

Mit dieser uralten Methode aus Japan kannst du effektiv Geld sparen

Damit du dich am Monatsende nicht fragen musst, wo das Geld hin ist, kannst du die Kakeibo-Methode anwenden. Auch die Finanzexpertin nutzte sie schon. Die Sparmethode Kakeibo kann ein Augenöffner sein. Sie hilft, zu verfolgen, wohin das Geld fliesst. So kannst du dir besser ein Sparziel setzen. Die steigenden Lebenskosten sorgen bei vielen Familien für einen hohen Spardruck. Die japanische Sparmethode Kakeibo hilft, die Finanzen im Blick zu halten.

Das ist Kakeibo

Der Begriff stammt von der japanischen Journalistin Hani Motoko und ist mehr als 100 Jahre alt. Übersetzt bedeutet er «Haushaltsbuch». Dahinter steckt aber mehr als nur eine Buchhaltung.

So funktioniert die Sparmethode

  1. Schreibe dein monatliches Einkommen auf und ziehe dann die monatlichen Fix-Ausgaben wie Miete, Strom, Wasser, Krankenkasse, Steuern, Handyrechnung etc. ab. Dafür braucht es kein spezielles Buchhaltungsjournal, es reicht ein herkömmliches Notizbuch.

  2. Setze dir ein realistisches Ziel, was du vom übrig gebliebenen Geld sparen willst.

  3. Notiere folgende vier Kategorien und bestimme für jeden Monat, wie viel Geld du ausgeben willst. Je genauer du dabei bist, desto besser kannst du dann dein Fazit ziehen:
    - Überleben (Lebensnotwendiges wie zum Beispiel Lebensmittel)
    - Kultur (zum Beispiel Bücher, Magazine und Hobbys)
    - Optionales (alles, was du dir zusätzlich gönnst wie Restaurants, Shopping und Ausgang)
    - Unerwartetes (zum Beispiel Geburtstagsgeschenke, Reparaturen oder Arztrechnungen)

  4. Anschliessend musst du jede neue Ausgabe festhalten und einer dieser Kategorien zuordnen. Hier solltest du diszipliniert sein, falls du auch nur kleine Ausgaben weglässt, verfälscht das die Bilanz.

  5. Am Ende des Monats überprüfst du, ob du dich deinem festgelegten Budget näherst und kannst die jeweiligen Budgets anpassen.

  6. Stelle dir regelmässig folgende Fragen:
    - Wie viel Geld habe ich zur Verfügung?
    - Wie viel Geld möchte ich sparen?
    - Wie viel Geld gebe ich tatsächlich aus?
    - Wie kann ich meine Ausgaben kürzen?

Die Kakeibo-Methode nutzte auch schon Finanzexpertin Delia Bohren, Autorin des Blogs «Stutz mit Delia». Sie eigne sich sehr, um ein Bewusstsein dafür zu bekommen, wie viel man wofür ausgibt. «Für mich war es ein Augenöffner und ich hatte endlich mal eine Zahl vor Augen. Ich war entsetzt, wie viel ich für Essensbestellungen im Monat ausgegeben hatte», sagt Bohren zu 20 Minuten. Damit habe sie ein grosses Sparpotenzial entdeckt. «Wenn man weiss, wohin das Geld fliesst, kann man mögliche Einsparungen für ein Sparziel definieren. Ich habe mir ein Budget für monatliche Essensbestellungen gesetzt und überschreite dieses Budget nicht. Den restlichen Betrag überweise ich auf mein Ferienkonto oder investiere es an der Börse.»

Weiterlesen - ein Beitrag von Fabian Pöschl erschienen am 20.03.2024 auf 20min.ch

Deutschland: Regelrechter Absturz der Geburtenrate – Tiefstand wie zuletzt 2009

Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung meldet einen „bemerkenswert starken und sehr plötzlichen“ Rückgang der Geburtenrate. Immer mehr Paare schieben ihren Kinderwunsch auf. Was steckt hinter der Entwicklung?
 

Es ist eine Nachricht, die selbst die erfahrenen Wissenschaftler des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) überrascht hat. Die multiplen Krisen, die Europa derzeit erschüttern, haben in den vergangenen beiden Jahren zu einem regelrechten Absturz der Geburtenrate in Deutschland geführt. Bekamen Frauen 2021 im Schnitt noch 1,57 Kinder, waren es im Herbst 2023 nur noch 1,36. Damit fiel die Geburtenrate innerhalb von nur zwei Jahren auf den niedrigsten Stand seit 2009. Ein „bemerkenswert starker und sehr plötzlicher Rückgang“, wie es in einer Studie heißt, die das BiB gemeinsam mit der Universität Stockholm vorgelegt hat.

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Quelle: Infografik WELT

Alleine ist Deutschland mit dieser Entwicklung nicht. Auch in anderen europäischen Ländern seien die Geburtenraten eingebrochen, sagt BiB-Forschungsdirektor Martin Bujard. Anders als in anderen Ländern hatte es in Deutschland zuvor aber einen Aufschwung bei den Geburtenraten gegeben. Nach vier Jahrzehnten historisch niedriger Geburtenraten von 1,2 bis 1,4 Kindern pro Frau wurden zwischen 2015 und 2021 plötzlich wieder Werte zwischen 1,5 bis 1,6 erreicht. Für Bujard eine Folge familienpolitischer Reformen wie Elterngeld und Kita-Ausbau. Aber auch die wachsende Migration spielte dabei eine Rolle – im Mittel bekämen die Zuwanderinnen der ersten Generation mehr Kinder.

Selbst die Corona-Pandemie hat daran zunächst nichts geändert. Während die Geburtenrate in Spanien um 20 Prozent einbrach, blieb sie in Deutschland stabil. Sogar einen leichten Aufwärtstrend konnten die Forscher neun Monate nach Ende des ersten Lockdowns feststellen. „Ich nenne das den Cocooning-Effekt“, sagt Bujard. „Viele Paare sind im Lockdown enger zusammengerückt und haben den Stellenwert der Familie neu schätzen gelernt.“ Dann aber, mit dem zweiten, harten Lockdown, sei dieser Effekt verpufft. Viele Paare hätten ihren Kinderwunsch auch aufgeschoben, um erst einmal die Covid-Impfung abzuwarten.

Nach einer leichten Erholung seien die Geburtenraten dann ab Herbst 2022 erneut eingebrochen. „Der Krieg in der Ukraine, die gestiegene Inflation oder auch der fortschreitende Klimawandel haben die Menschen zusätzlich verunsichert. In einer solchen Zeit multipler Krisen setzen viele ihren eigentlich vorhandenen Kinderwunsch nicht um“, sagt Bujard.

Ob diese Entwicklung von Dauer sein wird, aus dem aufgeschobenen also auch ein aufgehobener Kinderwunsch wird, vermag er noch nicht abzuschätzen. „Wichtig ist, dass Politik und Gesellschaft das positive Narrativ entwickeln, dass man Krisen auch wieder in den Griff bekommen kann, damit junge Menschen nicht den Mut verlieren“, sagt der BiB-Forscher. Für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei in den vergangenen Jahren zwar viel getan worden. „Der Mental Load wird aber unterschätzt. Den können Kita und Schule nicht wegorganisieren – und er wird eher von den Müttern getragen als von den Vätern.“

Fachkräftemangel in den Kitas schreckt Paare ab

Erklären statt drohen: Wie gewaltfreie Erziehung gelingen kann

Schimpftiraden, Drohungen, Liebesentzug: Manchmal reagieren Eltern ihren Kindern gegenüber nicht so, wie sie eigentlich möchten. Die Grenze zur psychischen Gewalt ist schneller überschritten als man denkt. Wie geht es ohne Gewalt?

Das weiss auch Stephan und erinnert sich an das letzte Mal, als sein siebenjähriger Sohn partout nicht mitkommen wollte: «Zuerst habe ich ihn freundlich aufgefordert.» Dann begann er zu drohen: «Wenn du jetzt nicht mitkommst, gibt es später keinen Dessert.» Und weil das auch nicht nützte, wurde er laut: «Dann gehe ich halt ohne dich.» Auch ich kenne solche Situationen, die mich wütend machen. Es nervt mich manchmal ungemein, wenn mein zweijähriger Sohn seinen vollen Teller in die Hand nimmt, mich mit einem schelmischen Lächeln anschaut und den Teller dann mit voller Absicht und Wucht auf den Boden schmeisst. Ich schreie ihn an. Viele Eltern kennen diese oder ähnliche Situationen – irgendwann flippt man aus. Doch wann ist die rote Linie überschritten?

Schreien ist nicht per se verboten

«Wenn Wut, Verzweiflung oder Enttäuschung sehr stark sind, dürfen Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder auch mal schreien.» Dieser Satz von Daniela Holenstein beruhigt, denn sie muss es ja wissen: Seit 25 Jahren ist sie Elternbildnerin und gibt Erziehungskurse. Es ist in Ordnung, wenn Eltern ihre eigenen Gefühle ausdrücken und sagen: «Oh Mann, jetzt habe ich doch gerade den Boden geputzt. Jetzt muss ich nochmal putzten. Das macht mich wütend.» Die Grenze sei jedoch dann erreicht, sagt Holenstein, wenn nicht die eigenen Gefühle oder die Handlung des Kindes im Fokus stünden, sondern die Person: «Immer du bist es, der Probleme macht», oder «Wenn du diesen Teller nochmal auf den Boden wirfst, habe ich dich nicht mehr gern.» Auf den ersten Blick wirken solche Sätze harmlos – nicht zuletzt, weil viele junge Eltern sie selbst als Kind oft gehört haben. Tatsache aber ist: Damit begeben sich Eltern in Richtung der psychischen Gewalt. «Das Kind fühlt sich durch solche Sätze abgewertet und verletzt», sagt Elternbildnerin Daniela Holenstein. «Es bekommt das Gefühl, wertlos zu sein oder nur unter bestimmten Bedingungen geliebt zu werden.»

Wenn Eltern wichtige Bedürfnisse der Kinder bedrohen

Dominik Schöbi ist Psychologe und leitet das Institut für Familienforschung und -beratung an der Universität Fribourg (IFF). Er sagt: «Psychische Gewalt ist dann im Spiel, wenn die Eltern wichtige Bedürfnisse ihrer Kinder bedrohen: das Bedürfnis nach Unversehrtheit, Schutz, Anerkennung, Respekt, Geborgenheit oder Zugehörigkeit.» Dann, wenn Eltern drohen würden, das Kind zu verlassen, wenn sie es erniedrigen oder lächerlich machen würden. «Wenn sie zu ihm sagen, dass sie es nicht mehr gernhaben oder ihm mit Schlägen drohen.» Der Psychologe erforscht das Bestrafungsverhalten von Schweizer Eltern. Seine Untersuchungen zeigen, dass fast 60 Prozent aller Eltern psychische Gewalt in der Erziehung anwenden, bis zu 25 Prozent tun dies regelmässig. Dominik Schöbi geht davon aus, dass die Zahlen noch höher sind, denn: «Wir haben jeweils nur einen Elternteil befragt und gehen davon aus, dass beide Eltern gleich reagieren.» Die Folgen von psychischer Gewalt können gravierend sein: von kurzzeitigen Schlafstörungen oder schlechteren Schulleistungen über ein vermindertes Selbstwertgefühl, oder Ängste bis Depressionen im jungen Erwachsenenalter. Auch Daniela Holenstein hatte als junge Mutter immer wieder Konflikte mit ihren Kindern. Die Eltern- und Erwachsenenbildnerin schöpft bei ihren Kursen aus diesen Erfahrungen. Als ihre vierjährige Tochter ihr mit einem «Entweder-Oder» (ein Ultimatum, das nach dem Prinzip funktioniert: Entweder du machst x, oder ich mache y) drohte, wusste sie, dass sie etwas ändern musste. «Denn das hatte sie bei mir abgeschaut.» Alternativen zu dieser «Entweder-Oder»-Haltung fand sie in der gewaltfreien Erziehung. Sie war bei ihrer Tochter damit so erfolgreich, dass sie diese Erziehungshaltung in Kursen und Beratungen weitergibt.

Hart in der Sache, warm als Mensch

Der Grundsatz der gewaltfreien Erziehung lautet: «Eltern vermitteln klare Normen und Werte, sind manchmal hart in der Sache und sagen Nein. Dabei bleiben sie aber als Mensch warm und emotional erreichbar.» Das klinge einfach, sei es aber nicht, sagt Holenstein. Weil viele junge Eltern es nicht anders kennen: «Früher haben sich viele Eltern kompromisslos durchgesetzt und ihre Kinder bestraft.» In Stresssituationen greifen junge Eltern automatisch und oft unbewusst auf das zurück, was sie kennen. In ihrem Kurs «Starke Eltern – Starke Kinder», den sie im Auftrag der Stiftung Kinderschutz Schweiz durchführt, müssen sich Eltern also zuerst selbst reflektieren. Wer bin ich? Woher komme ich? Welche Werte möchte ich weitergeben? Erst danach stellt sie den Eltern verschiedene «Werkzeuge» vor, die diese in verfahrenen Situationen oder bei einer drohenden Eskalation einsetzen können.

Der Wunsch nach Gelassenheit

«In meinen Kurs kommen ganz normale Eltern, die aber zu oft ein schlechtes Gewissen haben. Weil sie zu oft schreien und drohen. Sie wollen gelassener werden», sagt Daniela Holenstein. Auch Stephan hat den Kurs besucht. Zwei Jahre ist das mittlerweile her. Für ihn als alleinerziehenden Vater einer fünfjährigen Tochter und eines siebenjährigen Sohnes hat sich seither enorm viel verändert. «Vor dem Kurs war ich sehr stark mit mir selbst beschäftigt», reflektiert er. «Im Kopf war ich schon bei der Arbeit. Die Bedürfnisse der Kinder hatte ich kaum auf dem Radar. Ich habe ihnen nicht richtig zugehört – und über ihre Köpfe hinweg entschieden.»

Ich-Botschaften wirken Wunder

Aktives Zuhören ist ein Werkzeug von vielen, das die Teilnehmenden im Kurs von Daniela Holenstein lernen. Ausreden lassen, lautet dabei die Devise. Dabei kann es passieren, dass dem Kind selbst eine gute Lösung in den Sinn kommt, um die Konfliktsituation aufzulösen. Ein anderes Werkzeug sind Ich-Botschaften. Man formuliert dabei seine eigenen Wünsche und Sichtweisen, zum Beispiel: «Mir ist es wichtig, dass dieser Teller nicht kaputtgeht, deshalb bitte ich dich, ihn nicht auf den Boden zu werfen.» Stefan meint: «Mittlerweile wirken die Ich-Botschaften bei uns Wunder. Ich gehe gar nicht mehr mit dem ‹Du› auf die Kinder zu. Sie bekommen schon genug Befehle und sind übersättigt.» Stephan sagt nicht mehr «zieht euch an», sondern: «Ich ziehe mich jetzt an, weil ich pünktlich sein möchte.» Die Kinder ziehen fast immer mit und ahmen ihn mittlerweile auch nach.

Erklären statt drohen

Auch nach dem achtteiligen Kurs und zwei Jahren Erfahrung in gewaltfreier Erziehung gerät Stephan manchmal noch in Konfliktsituationen mit seinen Kindern. Meistens nach einem stressigen Arbeitstag. Wie vor kurzem, als er seinem Sohn gedroht hat, weil er nicht mitkommen wollte. Aber es kommt sehr viel seltener vor.  Wenn Stephan dann doch mal laut wird, atmet er tief durch, entschuldigt sich bei seinen Kindern und erklärt sich so, dass sie es verstehen: «Stell dir vor, dass du den ganzen Tag Mathe gehabt hättest. Ohne Pause, ohne Spielplatz, ohne Znüni – so fühle ich mich. Deshalb brauche ich jetzt eure Unterstützung beim Aufräumen.»

Grenzen sind Schutzmassnahmen

Gegenseitiges Verständnis schaffen und die Bedürfnisse der Kinder erkennen und verbalisieren – das sind wichtige Bausteine der gewaltfreien Erziehung. Genau wie Grenzen. In der gewaltfreien Erziehung sind Grenzen Schutzmassnahmen, darunter fallen etwa Velohelm tragen und Zähne putzen. «Bei Grenzen wird nicht verhandelt. Eine kurze Erklärung reicht. Es gibt keine Bestrafung und keine Belohnung», sagt Holenstein. «Über alles andere müssen Kinder mit ihren Eltern verhandeln können.» Die Elternberaterin meint damit, dass Regeln und Vereinbarungen, die man als Familie gemeinsam aufstellt, verhandelt werden müssen.

«Es ist anstrengend, aber eine gute Investition»

Soll man wirklich immer alles verhandeln? «Ja, denn das Kind möchte gesehen werden, sich seinem Potenzial entlang entwickeln können. Für uns Eltern bedeutet das, dass wir uns für das Kind interessieren müssen», sagt Daniela Holenstein. «Es ist anstrengend», weiss der Vater Stephan aus Erfahrung. Es brauchte viel Geduld, Durchhaltewille, Übung und viele Monate, bis die Werkzeuge wirklich automatisch abrufbar waren. Sowie eine ganze Menge Post-its mit dem Vermerk «Ich-Botschaften» oder «Bedürfnisse erkennen», die er in der ganzen Wohnung aufhing. Es ist eine gute Investition in die Zukunft, davon ist er überzeugt.

Weitere Werkzeuge der gewaltfreien Erziehung

Daniela Holenstein zeigt weitere Hilfestellungen auf, die einer gewaltfreien Erziehung förderlich sind:

Liebe / Annahme / Vertrauen

Stärkung der psychischen Grundbedürfnisse: Dem Kind vermitteln, dass es genau richtig ist, wie es ist, dass es ein Wunschkind ist. Das Kind fühlt sich dadurch geborgen, angenommen und sicher. Das ist die Basis der ganzen tragfähigen Beziehung und stärkt die Resilienz. Das Kind lernt dadurch: «Ich werde Herausforderungen in meinem Leben meistern, denn mit mir ist alles richtig.»

Die eigenen Gefühle ausdrücken

Eltern sprechen über die eigenen Gefühle. So werden sie für das Kind lesbar. Und: Das Kind lernt dadurch, seine eigenen Emotionen zu verstehen und zu benennen. Sie müssen ihre Gefühle nicht unterdrücken: Anstatt den Teddybären zu zerstören, können sie verbalisieren, dass sie wütend sind.

Aktives Zuhören

Eltern hören zu und lassen das Kind ausreden. Dabei kann es passieren, dass dem Kind gute Ideen in den Sinn kommen.

Problemlösefragen / analysierende Befragung

Eltern fühlen sich in das Kind ein und stellen gute Fragen, sie bleiben im Dialog mit den Kindern und lösen nicht ihre Probleme. Über gute Fragen befähigen sie das Kind, Lösungen für das Problem zu finden.

Reframing

«Achte auf die positiven Seiten deines Kindes». Eltern fokussieren sich nicht darauf, was das Kind nicht kann oder schon können sollte, weil es andere Kinder bereits können. Eltern fokussieren sich darauf, was das Kind schon kann und sagen ihm das auch.

Humor

«Humor ist das beste Werkzeug in der Pubertät», sagt Daniela Holenstein, insbesondere die paradoxe Intervention. Das bedeutet: Etwas Überraschendes oder das totale Gegenteil tun: «Schrei lauter, Anna, noch lauter. Die Nachbarn von gegenüber hören dich noch gar nicht.» Paradoxe Interventionen brauchen manchmal Mut und viel Kreativität.

Weiterlesen - ein Beitrag von erschienen am 17.03.2024 auf srf.ch

Philippe Gnaegi: "Die Familienpolitik ist in der Schweiz das Stiefkind der Sozialpolitik"

Angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten hat eine Mehrheit der Schweizer Familien Mühe, über die Runden zu kommen. Dies geht aus dem zweiten Familienbarometer der Vereinigung Pro Familia Schweiz hervor. Philippe Gnaegi von Pro Familia Schweiz ruft zu raschem politischem Handeln auf.

In einer Zeit, die von allgemeinen Preissteigerungen geprägt ist, wird die Situation für viele Familien immer prekärer. Das zeigt das zweite Familienbarometer das von der Vereinigung Pro Familia Schweiz und Pax, einer auf Familien ausgerichteten Vorsorgeversicherung, veröffentlicht wurde. Philippe Gnaegi, Direktor von Pro Familia Schweiz und ehemaliges Regierungsmitglied des Kantons Neuenburg, kommentiert die Ergebnisse der Studie, für die 2123 Familien aus der ganzen Schweiz befragt wurden.

SWI swissinfo.ch: Ihre Studie zeigt, dass der finanzielle Druck auf die Familien immer grösser wird. 52% der Familien – gegenüber 47% im letzten Jahr – halten ihr Einkommen für ungenügend oder kaum ausreichend. Sind Sie von diesen Ergebnissen überrascht?

Philippe Gnaegi: Das Ausmass dieses Phänomens überrascht mich in der Tat. Konkret zeigt unser Barometer, dass fast die Hälfte der Schweizer Familien nicht in der Lage ist, am Ende des Monats genug Geld zu sparen, um unvorhergesehene Ausgaben wie zum Beispiel einen dringenden Zahnarztbesuch zu decken. Das ist ein ziemlich alarmierender Befund.

Wie erklären Sie sich, dass sich die finanzielle Situation der Familien im Vergleich zum ersten Barometer von 2023 verschlechtert hat?

Der allgemeine Preisanstieg nach der Erholung von der Wirtschaftskrise trifft Familien besonders hart. Dies gilt vor allem für Energie, Wohnraum und Lebensmittel. Auch die Krankenkassenprämien, die nicht im Index für Konsument:innenpreise enthalten sind, werden für Familien aus der Mittelschicht zu einer zunehmend untragbaren Belastung.

Familien in der Westschweiz und im Tessin geben an, stärker unter den steigenden Lebenshaltungskosten zu leiden als Familien in der Deutschschweiz. Sind sie kritischer in Bezug auf ihre finanzielle Situation oder gibt es objektiv gesehen erhebliche Unterschiede zwischen den Sprachregionen?

Tessiner Familien leiden besonders stark. Der Grund dafür ist, dass die Lohnstruktur tiefer ist als im Rest des Landes, während die Fixkosten wie Wohnen oder Krankenversicherung gleich hoch oder höher sind als in der übrigen Schweiz. Auch in der Westschweiz sind die Krankenversicherungsprämien, die für Familien die belastendsten Ausgaben darstellen, in der Regel höher als in der Deutschschweiz.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage der Familien in der Schweiz im internationalen Vergleich?

Die Inflation betrifft die ganze Welt, nicht nur die Schweiz. Aber im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern greift der Staat hier nicht ein, um die Familien zu unterstützen. Die Familienpolitik ist in der Schweiz ein Stiefkind der Sozialpolitik. Dies zeigt sich besonders in einer Zeit, die von einem allgemeinen Rückgang der Kaufkraft geprägt ist.

Für vier von zehn Familien sind die Lebenshaltungskosten ein Grund, auf weitere Kinder zu verzichten. Ist dies nicht beunruhigend, da die Schweiz, wie andere Länder auch, mit einem Rückgang der Geburtenrate zu kämpfen hat?

Das ist in der Tat sehr beunruhigend, und auch ich bin vom Ausmass dieses Phänomens überrascht. Daraus lässt sich ableiten, dass die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen Familien konfrontiert sind, einen grossen Einfluss auf ihr Verhalten und ihren Kinderwunsch haben. Wenn man weniger Ressourcen zur Verfügung hat, ist man gezwungen, die Kosten zu senken. Und da Kinder in der Schweiz sehr teuer sind, ist dies leider ein Ausgabenposten, der heute vorrangig geopfert wird.

Was erwarten Sie von den Behörden?

Die Frage, die ich ihnen stelle, ist einfach: Wird man endlich die Familien unterstützen, die das Fundament unserer Gesellschaft bilden, oder wird man weiterhin über die Überalterung der Bevölkerung und den Mangel an Arbeitskräften jammern, während die Familien verarmen und die Geburtenrate sinkt?

Welche Massnahmen sehen Sie, um die Geldbeutel der Familien zu entlasten?

Der grösste Handlungsbedarf besteht bei der Deckelung der Krankenversicherungsprämien und der Kosten für die familienergänzende Kinderbetreuung. Aber abgesehen von diesen praktischen Erwägungen erwarten wir, dass sich die Politiker:innen der Schwierigkeiten bewusst werden, mit denen Familien im Alltag konfrontiert sind.

Würden Sie wie einige linke Politiker:innen sagen, dass die Behörden die Frage der Kaufkraft missachten?

Ich würde nicht von Missachtung sprechen, sondern von einer gewissen Abgehobenheit. Die Politiker:innen sind sich nicht immer bewusst, dass viele Menschen nur noch gerade so über die Runden kommen. Es ist ein grosser Teil der Bevölkerung, der unter dem Radar der offiziellen Armutsstatistiken durchgehen.

Die Kosten für die Krankenversicherung sind für Familien ein grosses Thema, wie Ihr Barometer zeigt. Wird Pro Familia dazu aufrufen, für die beiden Initiativen zur Begrenzung der Prämien zu stimmen, die am 9. Juni vors Volk kommen?

Ich kann es vorwegnehmen: Wir werden die beiden Initiativen aktiv unterstützen, auch wenn unser Komitee unpolitisch ist. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um den Anstieg der Krankenversicherungsprämien zu begrenzen.

Kann man Ihre Position so zusammenfassen: “Die Rentner:innen haben mit der 13. AHV-Rente ihren Teil des Kuchens bekommen, jetzt sind die Familien an der Reihe”?

Wir haben gerade eine wichtige Abstimmung über die AHV hinter uns. Die Rente ist eine gute Nachricht für unsere Senior:innen, aber die Familie spielt eine noch wichtigere Rolle für die Zukunft der Gesellschaft. Wir müssen uns um sie kümmern, und zwar sofort. Denn es wird mehrere Jahre dauern, bis wir die Auswirkungen der beschlossenen Massnahmen beobachten können.

Sie sind ein Politiker mit liberaler Gesinnung. Steht der zunehmende Wunsch, alle Probleme unserer Gesellschaft durch den Staat lösen zu lassen, nicht im Widerspruch zu Ihren Werten?

Es gibt tatsächlich immer mehr Erwartungen an den Staat, und manchmal haben die Menschen den Eindruck, dass die Lösungen einfach sind. Aber was die Familienpolitik betrifft, so habe ich gegenüber meiner politischen Familie eine sehr klare Haltung: “Sie wollen, dass die Unternehmen funktionieren, dass die Frauen mehr arbeiten und dass unsere Sozialversicherungen nachhaltig sind? Dann müssen wir die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen und schnell handeln, indem wir in die Familienpolitik investieren. Man kann nicht einfach die Butter auf dem Brot haben.” Der Bund muss in dieser Frage wieder das Heft in die Hand nehmen. Man kann es sich nicht leisten, dass es von Kanton zu Kanton so grosse Unterschiede bei der Umsetzung von Massnahmen zur Unterstützung von Familien gibt.

Trotz aller Schwierigkeiten geben vier von fünf Familien in der Schweiz an, dass sie mit ihrem derzeitigen Familienleben zufrieden sind. Und fast zwei Drittel geben laut Ihrem Barometer an, dass sie ein gutes Gleichgewicht zwischen Berufs- und Familienleben haben. Es ist also nicht alles schlecht für die Familien in der Schweiz?

Ich bin nicht so optimistisch wie Sie. In unserer Gesellschaft wird die Familie immer mehr als ein sicherer Hafen gegenüber der Aussenwelt angesehen. Sie bietet die Möglichkeit, sich an Wurzeln und Werte zu klammern, die man anderswo nicht mehr findet. Wenn die Aussenwelt beängstigend ist, was derzeit der Fall ist, neigt man dazu, sich in seinem familiären Zufluchtsort zu verschanzen und diesen übermässig zu schätzen. So interpretiere ich die Ergebnisse unserer Umfrage, auch wenn es erfreulich ist, dass die Schweizerinnen und Schweizer in ihrer Familie viel Zufriedenheit finden.

Weiterlesen - ein Beitrag von Samuel Jaberg erschienen am 14. März 2024 auf swissinfo.ch

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