Eltern verstärken Medienerziehung während der Pandemie

Familien haben im Frühling 2020 mehr Zeit online verbracht und ihre digitalen Kompetenzen verbessert. Einige Kinder und Jugendliche begegneten häufiger Falschmeldungen oder Hassreden und Eltern intensivierten ihre Medienerziehung, wie eine ZHAW-Studie zeigt.

Der Covid19-bedingte Lockdown im Frühling 2020 hat den Alltag vieler Familien in der Schweiz auf den Kopf gestellt. Die neue Situation veränderte auch das Medienverhalten. Die Familien verbrachten deutlich mehr Zeit mit digitalen Medien und im Internet als in der Zeit vor dem Lockdown. Besonders intensiviert hat sich dabei die Kommunikation über digitale Medien. Dies zeigt eine aktuelle Studie der ZHAW-Fachgruppe Medienpsychologie mit finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Sozialversicherungen. Die Forschenden untersuchten als Teil des internationalen Projekts «Kids' Digital lives in Covid-19 Times» die Veränderungen des Medienalltags von 10- bis 18-jährigen Kindern, Jugendlichen und deren Eltern während des pandemiebedingten Lockdowns im Frühling 2020.

Soziale Kontakte online pflegen

Mehr als die Hälfte der befragten Kinder und Jugendlichen nutzte Smartphones, Computer oder Laptops und Messenger-Apps häufiger als vor dem Lockdown. «Wir gehen davon aus, dass die Kinder und Jugendlichen digitale Medien vermehrt für die Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten einsetzten, aber auch stärker als Zeitvertreib und zur Unterhaltung», sagt Lilian Suter, Mitautorin der Studie. «Zudem wurden digitale Geräte auch vermehrt für schulische Zwecke genutzt.»


Für viele Kinder und Jugendliche war es herausfordernd, ihre Mediennutzung massvoll zu gestalten. 41 Prozent hatten häufiger oder viel häufiger als vor dem Lockdown das Gefühl, zu viel Zeit mit digitalen Medien zu verbringen. Nur etwas mehr als ein Viertel gab an, dass dieses Gefühl ungefähr gleich häufig wie zuvor auftrat.


Auch Eltern nutzten digitale Medien stärker

Die befragten Eltern berichteten ebenfalls von einer Zunahme ihrer Online-Tätigkeiten während des Lockdowns. Über die Hälfte der Eltern gab an, online häufiger nach Informations-Webseiten oder Nachrichten gesucht sowie mehr Online-Shopping genutzt zu haben. 49 Prozent arbeiteten zudem häufiger oder viel häufiger als vorher von zuhause aus. Die Väter berichteten dabei von einem deutlicheren Zuwachs an Homeoffice als die Mütter. Dies vermutlich, weil Mütter entweder aufgrund der Kinderbetreuung weniger berufstätig sind, eher in einem Teilzeitpensum arbeiten oder aus organisatorischen Gründen bereits vorher häufiger von zu Hause aus tätig waren.

Viele Eltern erkannten während des Lockdowns auch die Vorteile der digitalen Mediennutzung. 84 Prozent der Eltern fanden digitale Medien bei der Informationsbeschaffung wie beispielsweise dem Zugang zu Nachrichten nützlich, 77 Prozent für die Aufrechterhaltung ihrer sozialen Kontakte. Rund drei Viertel der Eltern empfanden digitale Medien zudem für ihre Freizeitbeschäftigung oder ihre Arbeit hilfreich. Die Hälfte der Eltern gab an, dass sie während des Lockdowns als Familie neue digitale Tools entdeckt hätten. 45 Prozent nutzten digitale Medien in der Familie zudem kreativer als vor dem Lockdown.

Digitale Kompetenzen gesteigert

Im Zeitraum des Lockdowns wurde in den Haushalten die Ausstattung mit digitalen Geräten teilweise erhöht, zum Beispiel durch eigene Käufe oder das Ausleihen von Geräten vom Arbeitgeber oder der Schule. Rund ein Viertel der Eltern gab an, dass während des Lockdowns in der Familie mindestens ein neues Smartphone angeschafft wurde. Der verstärkte Einsatz von digitalen Medien im Alltag sorgte dafür, dass digitale Kompetenzen zunahmen. 69 Prozent der Eltern verbesserten sich im Umgang mit Videokonferenzen. Aber auch in anderen Bereichen wie der Suche nach Gesundheitsinformationen, beim Wissen über Privatsphäre-Einstellungen in sozialen Netzwerken und beim Teilen privater Informationen gaben über 40 Prozent der Eltern an, sich verbessert zu haben.

Die Kinder und Jugendlichen verbesserten sich ebenfalls am häufigsten im Umgang mit Videokonferenzen (73 Prozent). Über die Hälfte verbesserte zudem ihr Wissen darüber, welche Informationen sie online teilen sollten und welche nicht sowie über Änderung der Privatsphäre-Einstellungen in sozialen Netzwerken. Und 45 Prozent der Kinder und Jugenlichen legten mehr Wert auf die Überprüfung der Richtigkeit von Informationen aus dem Internet.

Vermehrt Fake News und Hate Speech ausgesetzt

Zwei Fünftel der Eltern machten sich Sorgen darüber, dass ihre Kinder bestimmten Online-Risiken verstärkt ausgesetzt sein könnten. Die vorherrschenden Themen waren dabei «Fake News», Cybermobbing und eine zu intensive Mediennutzung. Auf Seiten der Kinder und Jugendlichen nahmen 31 Prozent einen Zuwachs an Falschmeldungen wahr und rund ein Viertel stiess während des Lockdowns vermehrt auf Hassreden. Von Erfahrungen mit Cybermobbing, Missbrauch von persönlichen Daten oder Kontakt mit unangebrachten Inhalten berichteten 10 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen. Ein Drittel hat häufiger als zuvor erfolglos versucht, weniger Zeit im Internet zu verbringen. Bei diesen Ergebnissen ist anzumerken, dass die Kinder und Jugendlichen während des Lockdowns nicht nur freiwillig mehr Zeit mit digitalen Geräten verbrachten, sondern der schulische Fernunterricht es oft nötig machte, mehr Zeit vor einem Bildschirm zu verbringen.

Eltern verstärken Medienerziehung

Als Reaktion auf die verstärkte Mediennutzung und den veränderten Familienalltag intensivierten viele Eltern ihre Medienerziehungsmassnahmen. 44 Prozent der Eltern interessierten sich häufiger als vor dem Lockdown dafür, was ihr Kind online macht. Über ein Drittel der Eltern erklärte dem Kind häufiger als vorher, warum manche Internetseiten unangemessen sind. Und ein Drittel der Eltern verstärkte die Kontrolle der digitalen Aktivitäten des Kindes und kontrollierte zum Beispiel den Browserverlauf. «Da Kinder und Eltern vermehrt Zeit zuhause verbrachten, gab es auch mehr Raum für medienerzieherische Massnahmen», sagt ZHAW-Forscher Gregor Waller, der die Studie zusammen mit seinem Team durchführte.
Durch den verstärkten Einsatz von digitalen Medien in den Familien mussten beispielsweise Medienerziehungsmassnahmen neu ausgehandelt und an die Situation angepasst werden. Väter haben sich im Vergleich zu Müttern bei einzelnen Aspekten der Medienerziehung stärker eingebracht als zuvor. Dies hängt wohl damit zusammen, dass einige Väter durch Homeoffice näher bei ihren Kindern waren als vorher und so ihre Medienerziehung intensivieren konnten. «Wir hoffen, dass möglichst viele Eltern ihr verstärkes Engagement für medienerzieherische Massnahmen auch nach der Lockdown-Periode weiterführen konnten» sagt Martina Robbiani, Projektleiterin der Plattform Jugend und Medien des Bundesamtes für Sozialversicherungen. «Ihre aktive Begleitung ist wichtig, damit ihre Kinder digitale Medien sicher und verantwortungsvoll nutzen können».

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 24.06.2021 auf www.jugendundmedien.ch

Teilzeitarbeit: Männer werden bei der Jobsuche diskriminiert

Sieben von acht Vätern arbeiten Vollzeit. Warum der Anteil so hoch ist, zeigt eine neue Studie: Männer erleiden grössere Nachteile als Frauen, wenn sie ihr Pensum reduzieren.

Der Mann macht Karriere, derweil die Frau die Kinder aufzieht. So klar sind die Rollen heute zwar nicht mehr verteilt. Doch die Unterschiede bleiben beträchtlich: Während sechs von zehn Frauen Teilzeit arbeiten, sind es bei den Männern weniger als zwei von Zehn.

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Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt: Schweiz legt ersten Staatenbericht vor

In ihrem ersten Bericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention fasst die Schweiz ihr Engagement im Bereich der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zusammen. Der Bundesrat hat den Bericht an seiner Sitzung vom 18. Juni gutgeheissen. Die Bestandsaufnahme betont auch die Bedeutung der Zusammenarbeit von Bund, Kantonen, Gemeinden und Zivilgesellschaft als Voraussetzung einer erfolgsversprechenden Präventionsarbeit.

 Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt sind in der Schweiz weit verbreitet und verursachen grosses Leid. Im Durchschnitt stirbt alle zweieinhalb Wochen eine Frau an den Folgen eines solchen Übergriffs. Schätzungsweise 27 000 Kinder sind jedes Jahr von häuslicher Gewalt mitbetroffen. Seit Jahren gibt es einen Trend zur leichten Zunahme. Mit 20 123 Straftaten wurde 2020 ein neuer Höchststand im Bereich der häuslichen Gewalt registriert.

Mit der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) hat sich die Schweiz per 1. April 2018 verpflichtet, die Prävention, den Opferschutz und die Strafverfolgung dieser Gewaltformen konsequent voranzutreiben.

Nun legt die Schweiz ihren ersten Staatenbericht zur Umsetzung der Istanbul-Konvention vor. Diese regelmässigen Berichte dienen dem Europarat als Grundlage, um zu überprüfen, wie die Mitgliedstaaten der Umsetzung der Istanbul-Konvention nachkommen. Entsprechend umfasst der erste Staatenbericht der Schweiz eine Bestandsaufnahme aller Aktivitäten zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Sensibilisierung für die Problematik hat zugenommen

Die Istanbul-Konvention hat in der Schweiz eine neue Dynamik ausgelöst: Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist in den Fokus politischer Debatten gerückt. In der Legislaturplanung 2019–2023 hat der Bundesrat entschieden, die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt als eines der zentralen Handlungsfelder der Gleichstellungsstrategie 2030 zu definieren. Das Parlament hat ausserdem beschlossen, einen nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in die Legislaturplanung aufzunehmen. Bund und Kantone haben im Rahmen des Strategischen Dialogs «Häusliche Gewalt» eine Roadmap mit Massnahmen zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt unterzeichnet, darunter etwa eine zentrale Telefonnummer für Gewaltbetroffene. Auf kantonaler und kommunaler Ebene wurden ebenfalls zahlreiche Aktions- und Massnahmenpläne zur Umsetzung des Übereinkommens verabschiedet.

Auf nationaler Ebene können seit diesem Jahr Projekte zur Bekämpfung und Verhütung von Gewalt gegen Frauen von privaten und öffentlichen Organisationen mit Finanzhilfen des Bundes unterstützt werden. Im Bereich Schutz und Unterstützung ist seit 2019 die Plattform www.opferhilfe-schweiz.ch online, die Opfern von Gewalt Informationen und Unterstützung bietet.

Das schweizerische Recht vermag den Anforderungen der Konvention insgesamt zu genügen. Das Bundesgesetz über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen ist seit dem 1. Juli 2020 wirksam. Die Bestimmung über die elektronische Überwachung von zivilrechtlichen Rayon- oder Kontaktverboten tritt auf den 1. Januar 2022 in Kraft.

Ausserdem hat die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates im Frühjahr 2021 eine Vernehmlassung zu einer Revision des Sexualstrafrechts durchgeführt. Neu soll der Tatbestand der Vergewaltigung geschlechtsneutral formuliert und sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person sollen angemessen bestraft werden, auch wenn keine Gewalt oder Drohungen vorliegen. Mit letzterer Änderung soll der strafrechtliche Schutz von Opfern von sexuellen Übergriffen verbessert werden.

Der Staatenbericht zeigt: Die Umsetzung der Istanbul-Konvention ist eine kollektive Aufgabe, die mit vereinten Kräften von unterschiedlichen Politikfeldern, in Zusammenarbeit mit Kantonen und Gemeinden und unter Einbezug der Zivilgesellschaft erfolgen muss. Die Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt hat für den Bundesrat weiterhin höchste Priorität.

Prüfung durch unabhängige Expertengruppe folgt

Der erste Staatenbericht der Schweiz dient als Ausgangspunkt für das Monitoring durch die unabhängige Expertengruppe GREVIO (Group of experts on action against violence against women and domestic violence). Die Expertengruppe wird der Schweiz nach Prüfung des ersten Staatenberichts im März 2022 einen Länderbesuch abstatten und im Rahmen des Untersuchungsergebnisses bis Ende 2022 Empfehlungen an die Schweiz formulieren.

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Nationalrat nimmt neuen Anlauf für höhere Steuerabzüge

Nach der gescheiterten Abstimmung zur Erhöhung der Kinderabzüge nimmt das Parlament die ursprüngliche Vorlage wieder auf. Eltern sollen künftig 25'000 Franken Betreuungskosten von den Steuern abziehen können.

Der Nationalrat hat der Erhöhung der Steuerabzüge am Montag mit 145 zu 32 Stimmen zugestimmt. Anstatt wie bisher 10'100 Franken sollen Eltern neu maximal 25'000 Franken an Drittbetreuungskosten pro Kind vom Einkommen abziehen können. «Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Integration von gut ausgebildeten Frauen in den Arbeitsmarkt» seien in der Wirtschaftskommission die wichtigsten Argumente für die Erhöhung gewesen, führte Sophie Michaud Gigon (Grüne/VD) aus. Insgesamt hat die Vorlage das Ziel, dem inländischen Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Kurzfristig hätte die Reform laut der Kommission Mindereinnahmen von rund zehn Millionen Franken im Jahr bei der direkten Bundessteuer zur Folge. Es sei jedoch anzunehmen, dass diese aufgrund von positiven Beschäftigungsimpulsen «auf längere Sicht» kompensiert werden. Laut Finanzminister Ueli Maurer wird davon ausgegangen, dass mit der Vorlage schätzungsweise 2500 zusätzliche Vollzeitstellen besetzt werden können.

Vorlage laut Kommission «praktisch unbestritten»

Der Vorschlag der höheren Steuerabzüge ist nicht neu. Dem Parlament lag bereits 2018 eine entsprechende Vorlage des Bundesrates vor. Die Räte ergänzten diesen jedoch kurzfristig um eine Erhöhung des allgemeinen Kinderabzugs auf 10'000 Franken, woraufhin die Ratslinke das Referendum ergriff. Sie kritisierte, dass davon nur die Reichen profitieren würden. An der Urne erzielten die Gegner dann einen Überraschungserfolg. Nur 36,8 Prozent der Stimmenden sagten Ja zur Erhöhung der Kinderabzüge. Bereits am Abstimmungssonntag war jedoch klar, dass die Ursprungsvorlage, also die Erhöhung der Abzüge für Drittbetreuungskosten, bald wieder aufgenommen wird. Das Vorhaben ist parteipolitisch breit abgestützt und war laut der Wirtschaftskommission im Abstimmungskampf «praktisch unbestritten». Man habe damals auch versprochen, diesen Teil weiterzuführen, sagte Jacqueline Badran (SP/ZH).

«Affront» gegenüber denjenigen, die die Kinder selbst betreuen

Für eine Minderheit der grossen Kammer war es aber nicht angebracht, das Thema so kurz nach dem Nein an der Urne wieder aufzugreifen. «Das Volk hat diese Vorlage bereits abgelehnt», erklärte Marcel Dettling (SVP/SZ). Diese sei zudem «ein Affront» gegenüber jenen Elternteilen, die ihre Kinder selber betreuen. «Wenn Sie schon die Abzüge erhöhen, dann für alle», so Dettlings Parteikollegin Esther Friedli (SG). Der Antrag, gar nicht erst auf die Vorlage einzutreten, scheiterte jedoch. Eine weitere Kommissionsminderheit mit Vertretern von Die Mitte und SVP wollte zudem einen erneuten Versuch wagen, mit der aktuellen Vorlage den allgemeinen Kinderabzug von heute 6500 auf 8250 Franken erhöhen. Sie sahen darin einen Kompromiss zwischen dem Status quo und dem Volks-Nein zu einer Erhöhung auf 10'000 Franken. «Es sollen auch Familien honoriert werden, die ihre Kinder selber betreuen», so Leo Müller (Die Mitte/LU). Der Antrag wurde aber schliesslich mit 104 zu 79 Stimmen abgelehnt. Jacqueline Badran sprach in der Debatte von einer «Zwängerei». Es brauche keinen Ausgleich, sagte Franziska Ryser (SG) im Namen der Grünen. Denn es handle sich nicht um eine Entlastungsvorlage für Familien, sondern um eine Fachkräfte-Vorlage. Nach dem Nationalrat geht die Vorlage nun in den Ständerat.

Weiterlesen - ein Beitrag von Alice Guldimann erschienen am 14. Juni 2021 auf www.aargauerzeitung.ch

 

Frauenstreik: Der Feministische Streik von A-Z

Heute ist Frauenstreik. Die SP-Politikerinnen Lena Allenspach und Barbara Keller nennen unzählige Gründe, um auf die Strasse zu gehen. Ein Gastbeitrag. Jedes Jahr am 14. Juni ist der Frauenstreik. Lohnunterschiede, Diskriminierung und tiefe Renten – die Streikgründe sind vielzählig. Lena Allenspach und Barbara Keller zeigen diese von A-Z auf.

Steigende Lohnunterschiede zwischen Frau und Mann, andauernde Diskriminierungen, tiefe Frauenrenten und ungenügende Betreuungsangebote: Von der echten Gleichstellung sind wir weit entfernt. Deshalb gehen wir am 14. Juni 2021 erneut auf die Strasse.

Die Streikgründe sind vielzählig, und vielseitig. Einen kleinen Einblick rund um den Frauenstreik erhältst du deshalb hier - von Altersvorsorge bis Zeit:

A – Altersvorsorge: Was erhöht werden muss, sind die Altersrenten – nicht das Rentenalter für Frauen! Denn Frauen erhalten nach der Pensionierung einen Drittel weniger Rente als Männer. Jegliche andere Rentenreform zementiert daher bestehende Ungleichheiten.

B – Belästigung: Es gibt viele Verhaltensweisen, durch die eine Person sexuell belästigt werden kann: Bemerkungen und Witze über sexuelle Merkmale einer Person, anzügliche Gesten und Blicke, Mails oder andere Nachrichten mit sexuellem Inhalt, bis hin zu Berührungen und körperlichen Übergriffen. Sexuelle Belästigung hat nichts mit einem Flirt zu tun, denn da sagen beide Seiten ja. Es handelt sich hierbei um einen Übergriff – und oft um Machtmissbrauch.

C – Coronakrise: Es waren Frauen, welche die Schweiz während des Lockdowns am Laufen hielten: In der Pflege, im Verkauf oder auch in der Kinderbetreuung. Ein unglaublicher Einsatz, der mehr verdient hat als Klatschen.

D – Data Gap: Wusstest du, dass unsere Datenwelt von Männern dominiert wird? Der Mann gilt dabei als Standard, die Frau als Abweichung. Die Folgen? Herzinfarkte bei Frauen werden weniger schnell erkannt, Frauen frieren im Büro oder haben Handprobleme bei der Bedienung der Tastatur. Der “Gender Data Gap” hat sogar Einzug in die Stadtplanung gefunden.

E – Elternzeit: Die Schweiz ist das einzige westeuropäische Land, das keine gesetzliche Elternzeit kennt. Statt Vaterschafts- und Mutterschaftsurlaub sollen Eltern die gleiche bezahlte Absenz erhalten. Das verbessert die Stellung der Frau im Arbeitsmarkt sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Elternteile.

F – Feministischer Streik: Am 14. Juni mobilisieren wir auf den Strassen und an den Arbeitsplätzen!

G – Gendergerechte Sprache: Geschlechter im täglichen Sprachgebrauch gleich zu behandeln ist für eine gleichgestellte Zukunft von unerlässlicher Bedeutung. Wird nur der generische Maskulinum verwendet, bleiben Frauen in Schrift und Sprache unsichtbar. Umgekehrt kann gendergerechte Sprache auch dabei helfen, dass Frauen sich bspw. bei Stellenanzeigen angesprochen fühlen.

H – Häusliche Gewalt: Jede vierte Woche stirbt eine Frau in der Schweiz in ihren eigenen vier Wänden. Müssen wir dazu noch mehr sagen?

I – Intersektionalität: Unser Feminismus ist intersektional. Das bedeutet, dass nicht alle Diskriminierungserfahrungen gleich sind. Schwarze Frauen machen andere Erfahrungen als weisse Frauen. Sie leiden unter einer Mehrfachunterdrückung, sowohl durch sexistische als auch durch rassistische Strukturen. Wir sind erst frei, wenn alle von uns frei sind. Deshalb kämpfen wir gemeinsam, egal, woher wir kommen, welche Hautfarbe wir haben, wie alt wir sind, welche Ausbildung wir haben, wie wir leben, wen wir lieben und unabhängig von unserem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht.

J – Jubiläum: Dieses Jahr sind gleich mehrere Jubiläen: 50 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts, 40 Jahre nach dem Verfassungsartikel zur Gleichstellung, 30 Jahre nach dem ersten Frauenstreik, 25 Jahre nach der Einführung des Gleichstellungsgesetzes und zwei Jahre nachdem über 500‘000 Menschen für die Gleichstellung auf die Strasse gegangen sind, verlangen wir mehr denn je: Respekt! Mehr Lohn, mehr Rente.

K – (Streik)kollektive: Sind feministische Netzwerke, welche aus Menschen bestehen, die gemeinsam und solidarisch für ihre Rechte kämpfen, um diese Gesellschaft zu verändern. Das Tolle daran: Es gibt sie in fast jedem Kanton. Also vielleicht auch in deinem.

L – Lohnungleichheit: Ab 15.19 Uhr arbeiten Frauen jeweils gratis. So hoch ist der Lohnunterschied zwischen Frau und Mann. Durch die Pandemie hat sich diese Kluft sogar noch vergrössert.

M – Mansplaining: Ist es dir auch schon passiert, dass dir ein Mann dein Fachgebiet erklärt hat, auf welchem du seit Jahren arbeitest? Männer erklären Frauen die Welt, auch wenn die Frau mehr darüber weiss. Sie nehmen damit eine Autorität gegenüber Frauen ein, die ihnen inhaltlich nicht zusteht.

N – Ni una menos: Gewalt gegen Frauen gehört traurigerweise zum Alltag – lange galt sie als Tabu, als «Privatsache». Nach einer Serie besonders brutaler Morde, formierten sich 2015 in Lateinamerika erstmals Proteste mit dem Hashtag #NiUnaMenos (Keine einzige Frau weniger) Hunderttausende gingen auf die Strasse. Dieser Protest darf nicht enden, denn jede Frau die Gewalt erfährt, ist eine zu viel!

O – Ohnmacht: Frauen werden als Schlampe bezeichnet, Männern wird anerkennend auf die Schulter geklopft. Die Tür zur Bar wird uns aufgehalten, die zur Führungsetage wird uns vor der Nase zugeschlagen. Das alles macht wütend (nicht hysterisch oder zickig), das alles macht ohnmächtig.

P – Patriarchat: Das Patriarchat beschreibt ein System, das von Männern geschaffen, kontrolliert und repräsentiert wird. Vermeintlich männliche Eigenschaften gelten dabei als Norm und werden positiv bewertet. So verbinden die meisten Menschen in unserer Gesellschaft machtvolle Positionen automatisch mit männlichen Personen. Das Umgekehrte gilt für typisch weibliche Eigenschaften oder Rollen, welche oft mit Schwäche verbunden werden und Abwertung erfahren. Das sieht man beispielsweise bei «weiblichen» Berufen, welche schlechter bezahlt werden.

Q – Queerfeminismus: Unser Feminismus kämpft für die Gleichstellung aller Menschen, egal, welches Geschlecht oder Sexualität sie haben.

R – Rollenbilder: Der Mann, der Ernährer. Die Frau, die Mutter und Hausfrau. Klingt veraltet? Leider immer noch traurige Realität.

S – Sexismus: Die Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts findet heute nach wie vor an unzähligen Orten statt - bewusst und unbewusst. Im Netz, am Arbeitsplatz, auf der Strasse.

T – Teilzeitarbeit: Teilzeitarbeit ist weiblich: 6 von 10 Frauen arbeiten Teilzeit. Wer Teilzeit arbeitet, hat schlechtere soziale Absicherungen, zum Beispiel in der Altersvorsorge durch Pensionskasse und AHV, und auch geringere Weiterbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen. Für Familien und Frauen mit Kindern ist Teilzeitarbeit aber oft der einzige Weg, den Beruf und die Kinderbetreuung zu vereinbaren.

U – Unbezahlte Betreuungsarbeit: Unbezahlte Betreuungsarbeit oder auch Care-Arbeit umfasst alle Tätigkeiten, bei denen Menschen füreinander sorgen. Dazu gehört beispielsweise Kinder erziehen, pflegen oder kochen. Der grösste Teil der unbezahlten Care-Arbeit wird immer noch von Frauen verrichtet. Das schlägt sich nieder bis zur Höhe der Rente im Alter.

V – Vulva: Die Vulva ist (noch) ein Tabu. Sie ist etwas Mysteriöses und mit Scham behaftet. Über Themen wie Vulven, Sexualität oder Menstruation kann oft nicht offen gesprochen werden, dass muss sich ändern. Viva la Vulva.

W – Working Poor: Die Arbeit von Frauen wird unterbewertet und schlecht bezahlt. Gerade in Tieflohn-Branchen wie in der Reinigung, im Gastgewerbe oder im Detailhandel arbeiten mehrheitlich Frauen. Gerade hier wären Mindestlöhne enorm wichtig, um prekäre Situationen abzufedern.

X – XXL/XXS: Zu klein, zu gross, zu dick, zu dünn. Hört auf uns zu sagen, wie wir zu sein haben.

Y – Yes means Yes: Konsens, what else? Jegliche sexuellen Handlungen sind nur dann einvernehmlich, wenn beide Partner*innen zugestimmt haben.

Z – Zeit: Zeit für eine Arbeitszeitverkürzung! Durch weniger Stunden pro Wochen kann die Arbeit besser verteilt werden, negative Aspekte der Teilzeitarbeit behoben sowie die Betreuungsarbeit besser zwischen den Partner*innen aufgeteilt werden.

Wir sind Feministinnen und wir werden streiken. Du auch? Wenn du glaubst, dass alle Menschen die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben sollten, bist du längst feministisch. Deshalb auf zum feministischen Streik am 14. Juni.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 14. Juni 2021 auf www.nau.ch

Lohngleichheit: Der Bund erweitert sein Analyse-Tool Logib für kleinere Unternehmen

Ab sofort stellt der Bund auch kleineren Unternehmen und Organisationen kostenlos ein Online-Analyse-Tool zur Überprüfung der Lohngleichheit zur Verfügung. Mit Logib Modul 2 können Arbeitgebende mit weniger als 50 Mitarbeitenden einfach und selbständig ihre Lohnpraxis überprüfen. Damit schafft der Bund für alle Schweizer Arbeitgebenden die Grundlage, um den verfassungsrechtlichen Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit umzusetzen.

Neben dem Lohngleichhheits-Analyse-Instrument für Arbeitgebende ab 50 Mitarbeitenden (Logib Modul 1) steht unter www.logib.ch ab sofort auch ein kostenloses Webtool für kleinere Unternehmen und Organisationen zur Verfügung: Logib Modul 2. Mithilfe von Logib Modul 2 können nun auch Schweizer KMU mit weniger als 50 Mitarbeitenden eine Standortbestimmung bezüglich Lohngleichheit vornehmen. Damit erhöht sich die Anzahl der Schweizer Arbeitgebenden, welche eine Lohngleichheitsanalyse mit Logib vornehmen können, von 10'000 auf rund 200'000. Die Anwendung führt die Benutzerinnen und Benutzer in 7 Schritten zum Analyseergebnis und erfordert keine spezifischen Fachkenntnisse.

Massnahme der Gleichstellungsstrategie 2030

Die Beseitigung von Lohndiskriminierung ist dem Bundesrat ein grosses Anliegen. Sie ist ein zentrales Ziel der Gleichstellungsstrategie 2030, die der Bundesrat in diesem Frühjahr verabschiedet hat. Die Einführung von Logib Modul 2 ist eine der in der Strategie erwähnten prioritären Massnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Damit erfüllt der Bund auch eine Vorgabe aus dem Gleichstellungsgesetz (GlG). Gemäss Artikel 13c muss der Bund «allen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ein kostenloses Standard-Analyse-Tool» zur Verfügung stellen. Die Equal Pay International Coalition (EPIC), welche von ILO, UN Women und der OECD gegründet wurde, hat Logib Modul 2 das Label «EPIC Good Practice» verliehen.

Statistik zeigt: Lohnunterschiede bestehen nach wie vor

Arbeitgebende sind in der Schweiz zur Lohngleichheit verpflichtet. Seit 40 Jahren haben Frau und Mann gemäss Bundesverfassung Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Dennoch beträgt der unerklärte Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern laut der jüngsten Lohnstrukturerhebung (LSE 2018) des Bundesamts für Statistik durchschnittlich 8,1% (LSE 2016: 7,7%). Das macht für Frauen pro Monat ein Minus von 686 Franken aus. Die LSE 2018 hat ausserdem gezeigt, dass der unerklärte Anteil am Lohnunterschied bei kleineren Unternehmen überdurchschnittlich hoch ist.

Bemühungen für Lohngleichheit im privaten und öffentlichen Sektor

Auch das Engagement des öffentlichen Sektors wird mit Logib Modul 2 gestärkt: Gemeinden und staatsnahe Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden sind eingeladen, Lohngleichheitsanalysen durchführen. Dies stösst auf ein wachsendes Interesse: 16 Kantone, 113 Gemeinden und 63 staatsnahe Betriebe haben die Charta der Lohngleichheit im öffentlichen Sektor des Bundes unterzeichnet.

Mit der Revision des Gleichstellungsgesetzes vergangenes Jahr müssen Arbeitgebende ab 100 Mitarbeitenden bis Ende Juni 2021 eine Lohngleichheitsanalyse durchführen, diese bis Ende Juni 2022 von einer unabhängigen Stelle überprüfen lassen und die Mitarbeitenden sowie die Aktionärinnen und Aktionäre bis spätestens Ende Juni 2023 über die Ergebnisse informieren.  

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