Wie Teilzeit für Väter zur Normalität werden kann

Ein Beitrag erschienen am 15.06.2020 auf www.merkur.de

Viele Väter wünschen sich Zeit für ihre Kinder. In der Realität tun sie sich damit schwer. Nicht einmal die Hälfte geht in Elternzeit, wenige arbeiten in Teilzeit. Wie lässt sich das umkrempeln?

Berlin (dpa/tmn) - Schnell waren sich Kai Behrens und seine Partnerin einig: Bei ihrem ersten Kind wollen sie die 14 Monate Elternzeit gleichberechtigt aufteilen. "Für mich war der Hauptgrund, dass ich Zeit mit dem Kind verbringen möchte", sagt der 42-Jährige, der in Berlin als Controller bei einer Software-Firma arbeitet.

Nach 20 Jahren im Beruf freue er sich, eine Zeit lang ganz andere, neue Aufgaben zu übernehmen. Außerdem, fügt er hinzu, werde die Auszeit nichts an seiner beruflichen Situation ändern. "Es ist nicht so, dass ich mir damit etwas verbauen würde." Genau davor aber haben viele Männer Angst.

"Eine berechtigte Sorge", sagt Karin Schwendler. Sie ist Leiterin des Bereichs Frauen- und Gleichstellungspolitik bei der Gewerkschaft Verdi. Elternzeit und Teilzeit seien immer noch "Karrierekiller". Zwar gebe es in vielen Jobs Möglichkeiten, die Arbeitszeit zu reduzieren. Auch zeigten Umfragen, dass mehr Väter in Teilzeit arbeiten möchten. "Trotzdem sind viele Männer noch zögerlich", so die Gewerkschafterin.

Finanzielle Gründe spielen eine Rolle

Zwar steigt die Zahl der Männer, die Elternzeit nehmen - trotzdem sind sie noch in der Minderheit. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) lag der Anteil 2016 bei 37 Prozent. Von den Männern, die 2018 Elterngeld bezogen, taten dies 72 Prozent nur in Höhe des Minimums von zwei Partnermonaten. Vor allem aus finanziellen Gründen würden sich Väter zurückhalten, zeigt eine DIW-Studie von 2019.

Auch in seinem Freundeskreis nehmen die meisten Männer nur die zwei sogenannten "Vätermonate", um die Bezugszeit zu verlängern, erzählt Kai Behrens. Immer noch sei die Idee verbreitet, dass Väter in den ersten Lebensmonaten des Kindes kaum etwas beitragen können. "Aber ich denke, dass Bindung auch zum Vater wichtig ist - gerade in dieser Zeit", so Behrens.

Neben Rollenvorstellungen spielten finanzielle Fragen eine Rolle. Immer noch können viele Familien eher auf das Einkommen der Frauen verzichten. "Meistens haben die Väter das höhere Einkommen", bestätigt Wido Geis-Thöne, Experte für Familienpolitik am Institut der deutschen Wirtschaft. Dass sich Väter Sorgen um die Karriere machen, sei berechtigt, so Geis-Thöne. Aufstiegschancen würden sich in der Regel durch die Elternzeit reduzieren.

Männer arbeiten kaum in Teilzeit

"Man muss fürchten, dass man nicht für voll genommen wird, wenn man nicht mehr rund um die Uhr arbeiten kann", sagt Brigitte Dinkelaker. Sie leitet das Projekt "Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten" des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Der Anteil der Väter, die in Teilzeit arbeiten, liege nur bei etwa sechs Prozent.

Oft seien es nicht Vorgesetzte, sondern Kolleginnen und Kollegen, die Probleme mit Teilzeitlösungen oder Elternzeitansprüchen hätten, sagt Geis-Thöne. Denn häufig müssen sie die weggefallene Arbeitsleistung auffangen. In Teams, in denen auch Frauen arbeiten, sei es in der Regel auch für Männer leichter, erklärt er. Dort sei die Erfahrung mit Vereinbarkeitsfragen größer.

Domino-Effekt nutzen

"Wenn die Männer erst mal deutlich machen, was sie wollen und Elternzeit und Elterngeld beantragen, dann entsteht schnell ein Domino-Effekt", sagt Dag Schölper. Er ist Geschäftsführer des Bundesforum Männer, das sich als Interessenverband für eine gleichstellungsorientierte Männerpolitik einsetzt. Sobald immer mehr Männer in Teilzeit arbeiten, werde das irgendwann zur neuen Normalität. Noch aber ist es nicht so weit.

Die Idee des Vaters als Ernährer sei noch immer gesellschaftlich stark verankert, so Schölper. "Nach wie vor ist es nicht wirklich üblich, dass man als Mann Familienverantwortung auch durch Anwesenheit, Fürsorgetätigkeiten und Hausarbeit beweist", erklärt er.

Auch Brigitte Dinkelaker glaubt, dass Rollenvorstellungen eine wichtige Rolle spielen. Familienfreundliche Schichtpläne, flexible Arbeitszeiten, Aufstiegsmöglichkeiten in Teilzeit, geregelte Kinderbetreuung oder auch das Recht auf Rückkehr zur Vollzeitarbeit würden es Männern wie Frauen einfacher machen, Beruf und Familie zu vereinbaren.

Weiterlesen

8 erfreuliche Dinge, die seit dem Frauenstreik 2019 passiert sind

Ein Beitrag erschienen am 12.06.2020 auf www.watson.ch

Vor genau einem Jahr waren landesweit hunderttausende Frauen auf der Strasse und standen für ihre Rechte und die Gleichstellung ein. Seither hat sich bei ihren Forderungen etwas getan – ein Überblick. Sie demonstrierten für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, für mehr Respekt und gegen sexualisierte Gewalt. Am Frauenstreik vor einem Jahr sind hierzulande 500'000 Frauen (und Männer) für ihre Forderungen auf die Strassen. Auch heute, zwölf Monate später, wird wieder Lärm gemacht. Denn: «Bei der Lohngleichheit hat sich nichts getan, ebenso wenig bei Arbeitsbedingungen, bei der unbezahlten Arbeit», heisst es auf der nationalen Webseite des Frauenstreiks. Dass die Gleichstellung von Mann und Frau in der Schweiz noch immer nicht am Ziel ist, zeigen zahlreiche Statistiken. Doch wo ist es im vergangenen Jahr dennoch, wenn auch nur minimal, vorwärts gegangen? Eine Auswahl im Überblick:

Noch nie so viele Frauen im Parlament

Wenige Monate nach dem Frauenstreik standen die Nationalrats- und Ständeratswahlen an. Die Hoffnung auf eine stärkere Vertretung von Frauen in der grossen und kleinen Kammer war gross. Und der Coup gelang: Noch nie wurden so viele Frauen in den Nationalrat gewählt. Der Frauenanteil stieg auf den Höchstwert von 42 Prozent. Im Ständerat hat sich der Frauenanteil fast verdoppelt (von sieben auf zwölf Prozent). Obschon immer noch mehr als doppelt so viele Männer vertreten sind. Dieser «Frauenrutsch» war einerseits möglich, weil die Kandidatinnen auf besseren Listenplätzen aufgelistet waren. Dafür weibelte die Aktion «Helvetia ruft» bei den Parteien und konnte vermutlich gleichzeitig auch Wählerinnen, die bisher eine tiefere Wahlbeteiligung aufwiesen als Männer, animieren, ihre Stimme den Frauen zu geben.

Noch nie waren so viele Frauen an der Spitze der Wirtschaft

Der Männeranteil in 100 Geschäftsleitungen der grössten Schweizer Unternehmen im Jahr 2020 liegt bei 90 Prozent. Auch wenn er noch weit von einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis entfernt ist, erreichte der Anteil Frauen in Geschäftsleitungen dieser Unternehmen das erste Mal eine zweistellige Zahl von 10 Prozent. Im letzten Jahr waren es neun und davor sieben. Das ergab der «Schillingreport» des Personalberaters Guido Schilling. In neu 53 Prozent der Geschäftsleitungen hat es mindestens eine Frau. Eine Publikation des Bundesamts für Statistik zeigte diesen März, dass 2019 17,4 Prozent der befragten Frauen eine Vorgesetztenfunktion innehatten. 2018 waren es noch 16,7 Prozent. Fünf Tage nach dem letztjährigen Frauenstreik hat der Ständerat entschieden, dass sich börsenkotierte Unternehmen rechtfertigen müssen, wenn sie weniger als 30 Prozent Frauen im Verwaltungsrat und weniger als 20 in der Geschäftsleitung haben. Gemäss Schillingreport ist der Frauenanteil bei den Verwaltungsräten von 21 auf 23 Prozent gestiegen. Heute sitzen demnach 189 Frauen und 636 Männer in 90 untersuchten Verwaltungsräten.

Lohndifferenz gleicht sich (langsam) an

Im April dieses Jahres hat das Bundesamt für Statistik die Daten der Lohnstrukturerhebung 2018 veröffentlicht. Im Vergleich zu den Jahren 2016 (12 Prozent) und 2014 (12,5 Prozent) ist die Lohndifferenz auf 11,5 Prozent gesunken. Umso höher das Verantwortungsniveau ist, desto grösser ist auch der Lohnunterschied. So verdienten beispielsweise Frauen in Stellen mit hohem Verantwortungsniveau 8872 Franken brutto pro Monat, während Männer auf derselben Stufe 10'893 Franken erhielten, was einer Differenz von 18,6 Prozent entspricht. In den Tieflohnsegmenten von unter 4500 Franken ist der Frauenanteil mit 58,3 Prozent hoch, umgekehrt sind Frauen bei Löhnen über 16'000 Franken mit einem Anteil von weniger als 18 Prozent deutlich unterverteten. Seit dem 1. Juni 2020 ist das revidierte Gleichstellungsgesetz in Kraft. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ab 100 Arbeitnehmenden müssen eine betriebsinterne Lohngleichheitsanalyse durchzuführen und diese durch eine externe Stelle überprüfen lassen. Das Ergebnis muss gegenüber den Mitarbeitenden und Aktionärinnen und Aktionären mitgeteilt werden. Bis Ende des nächstes Jahres muss die erste Lohnanalyse durchgeführt werden, bis spätestens Ende Juni 2023 muss das Ergebnis kommuniziert werden.

Weiterlesen

Mehrheit der Schweizer ist für zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub

Ein Beitrag erschienen am 07.06.2020 auf www.srf.ch

71 Prozent der Stimmberechtigten sind für einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Link-Instituts. Nur 16 Prozent der Befragten lehnten einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub ab, während 10 Prozent unentschieden waren.

«Die hohe Zustimmung zeigt, dass die Zeit reif ist für einen Vaterschaftsurlaub», erklärte Adrian Wüthrich, Präsident von Travail Suisse und des Abstimmungskomitees «Vaterschaftsurlaub jetzt!». Am 27. September wird über den Vaterschaftsurlaub abgestimmt. Die Studie wurde zum Vatertag am (heutigen) Sonntag veröffentlicht.

Zur Unterstützung der Mutter

Bei den Argumenten für eine Zustimmung oder Ablehnung waren Mehrfachnennungen möglich. Von den Befürwortern eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs nannten 39 Prozent als Grund für ihre Zustimmung, die Mutter werde dadurch unterstützt.

30 Prozent waren der Meinung, dass damit die Gleichberechtigung gefördert wird. 26 Prozent bezeichneten einen Vaterschaftsurlaub als wichtig für die ganze Familie, und für einen Viertel der Befragten war der Aufbau einer Vater-Kind-Beziehung von Bedeutung.

Wer soll das bezahlen?

Das Hauptargument bei den Gegnern waren die Kosten, ein Fünftel von ihnen nannte dies als Grund für ihre Ablehnung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs. 14 Prozent der Gegner hielten einen Vaterschaftsurlaub für unnötig. Für 12 Prozent muss die Finanzierung geklärt werden. 11 Prozent sagten, der Vater könne ja Ferien beziehen, und 10 Prozent hielten einen Vaterschaftsurlaub für zu teuer. Für die Studie wurden vom 20. bis am 26. Mai 1034 Personen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren befragt. Derzeit besteht im Bundesrecht kein Anspruch auf einen Vaterschaftsurlaub; meist werden dem Vater ein bis zwei bezahlte Urlaubstage gewährt. Viele grössere Firmen sehen allerdings aus freien Stücken grosszügigere Lösungen vor.

Von vier auf zwei Wochen reduziert

Am 27. September 2020 stimmt die Schweiz über zwei Wochen Vaterschaftsurlaub ab. Bei der Vorlage handelt es sich um ein Referendum gegen den Gegenvorschlag des Parlaments zur Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» vom Sommer 2017.

Die Eckwerte des indirekten Gegenvorschlags: zwei Wochen Vaterschaftsurlaub (statt vier wie in der inzwischen zurückgezogenen Volksinitiative); der Urlaub muss in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes bezogen werden (tageweiser Bezug möglich); die Entschädigung erfolgt über die Erwerbsersatzordnung (EO).

Unternehmer haben Referendum ergriffen

Das Referendum gegen den Gegenvorschlag des Parlaments hat im November 2019 ein Unternehmer-Komitee um SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr, FDP-Nationalrat Marcel Dobler, alt SVP-Nationalrat Peter Spuhler und weiteren ergriffen. Dem Komitee gehören vor allem Mitglieder von SVP und FDP bzw. deren Jungparteien an.

Für den zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub setzt sich auf der anderen Seite ein überparteiliches Komitee ein. Die Federführung der Kampagne liegt beim Dachverband Travail.Suisse, der die Initiative für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub mit lanciert hat. Dabei sind auch Alliance F, männer.ch und Pro Familia Schweiz.

Weiterlesen

Zum Vätertag...!

Hoffentlich der letzte Vätertag ohne Vaterschaftsurlaub!

Heute ist der nationale Vätertag. Und hoffentlich ist es ein historischer Vätertag - hoffentlich ist es der letzte, ohne Vaterschaftsurlaub in der Schweiz. Am 27. September stimmen wir nämlich über einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub ab. Das Anliegen ist ein breit abgestützter Kompromiss und wurde im Parlament von einer deutlichen Mehrheit unterstützt.

Ein Referendumskomitee - unter anderem mit Leuten, die vor 15 Jahren schon gegen den Mutterschaftsurlaub waren -  will diesen wichtigen familienpolitischen Schritt um jeden Preis verhindern. Unsere Gegner werden versuchen, die Coronakrise kurzfristig zu nutzen, um diese wichtige und längst überfällige Investition in die Zukunft der Schweiz zu verhindern. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir alle Farbe für den Vaterschaftsurlaub bekennen. Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit, wie Sie die Kampagne ab sofort unterstützen können: Bestellen Sie hier gratis eine Fahne, die Sie aus dem Fenster oder an den Balkon hängen können, um für ein Ja zum Vaterschaftsurlaub am 27. September zu werben: fahnen.vaterschaftsurlaub-jetzt.ch

Sind Sie für den Vaterschaftsurlaub, wollen aber keine Fahne? Dann können Sie sich hier als Unterstützerin oder Unterstützer eintragen. Je mehr wir sind, desto stärker ist unser Signal für einen Vaterschaftsurlaub. start.vaterschaftsurlaub-jetzt.ch. Danke für Ihre Unterstützung.

«Anliegen der Frauen dürfen nicht vergessen gehen»

Ein Beitrag schienen am 31.05.2020 auf www.srf.ch

Mehr als 50 Frauenorganisationen richten sich mit einem offenen Brief an die Regierung und ans Parlament. Frauen seien dort untervertreten, wo Entscheide gefällt würden – das müsse sich ändern. Zahlreiche Frauen hätten unser Land durch die Coronakrise gesteuert, während vor allem Männer sie kommentiert hätten: So lässt sich GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy im «Sonntagsblick» zitieren. Sie ist Teil des Appells der Frauenorganisationen.

Kinderbetreuung, Arbeitsbedingungen, sichere Renten

Fast ein Jahr ist der nationale Frauenstreik nun her. Viele Anliegen seien während der aktuellen Situation untergegangen. Die Unterzeichnerinnen bringen ihre Forderungen nun erneut aufs Parkett. Sie verlangen etwa, dass die Kinderbetreuung geregelt werde. Schliesslich habe Corona gezeigt: Ohne flächendeckende familienergänzende Betreuung oder Grosseltern funktioniere es nicht.

Weiter sollen die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Gerade in systemrelevanten Berufen, wo vor allem Frauen arbeiteten, seien die Löhne tief und die Arbeitsbedingungen miserabel. Auch soll der Bund dafür sorgen, dass die Frauen wegen der Einbussen durch die Kinderbetreuung im Alter nicht in finanzielle Nöte geraten. Am Dienstag startet in Bern die Sommersession. Dort werden diverse Vorstösse zu diesen Themen beraten.

Der offene Brief an den Bundesrat

Newsletter


Abonnieren Sie unseren vierteljährlich erscheinenden Newsletter, um über Neuigkeiten, Initiativen und Veranstaltungen zur Familienpolitik und zu Instrumenten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erfahren.

Archiv

Mit dem Absenden des Formulars bestätige ich, dass ich die Bedingungen in den Privacy policy gelesen und akzeptiert habe.