Meinung: Das neue Unterhaltsrecht ist zu kurz gedacht

Heiraten ist für Frauen keine lebenslange Absicherung mehr – Unterhaltszahlungen bis zur Pensionierung bei einer Trennung oder Scheidung sind passé, sagt das Bundesgericht. Was es jetzt braucht, ist endlich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Mit einer Serie von Urteilen zum neuen Unterhaltsrecht hat das Bundesgericht entschieden, dass gleichberechtigte, egalitäre Lebensmodelle von Familien gestärkt werden. Je eher beide Elternteile während der Ehe für die Betreuung der Kinder und den Unterhalt der Familie aufkommen, desto einfacher gestaltet sich also eine Trennung oder Scheidung. In diesem Sinne sind die Urteile zu begrüssen. Aus der Sicht von Männern, die bis anhin ihre Ex-Frauen zum Teil bis ans Lebensende finanziell unterstützen mussten, ist diese Umkehr der Praxis eine Erleichterung. Sie werden nicht mehr automatisch in die Rolle des Zahlvaters und Alleinernährers gedrängt. Es bedingt jedoch auch, dass sie während der Ehe zumindest teilweise die Verantwortung für die Betreuung der Kinder getragen haben.

Berechtigte Ängste

Für Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Familienarbeit aufgegeben oder reduziert haben, erwecken diese Urteile jedoch nicht ganz unberechtigte Ängste. So gut es ist, die finanzielle Unabhängigkeit der Frauen zu fordern und zu fördern und ihnen auch mit 45 Jahren zuzutrauen, wieder einen Job zu finden, so ergeben sich daraus doch einige Fallstricke.

Denn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in diesem Land ist nach wie vor ein Trauerspiel. Frauen werden in dem Moment, in dem sie zur Mutter werden, mit zahlreichen rechtlichen Ungleichbehandlungen, Hürden und gesellschaftlichen Erwartungen konfrontiert – die für Väter nicht gleichermassen gelten. Beispielsweise zementiert eine fehlende gleichberechtigte Elternzeit die traditionelle Rollenverteilung nach der Geburt eines Kindes (2 Wochen Vaterschaftsurlaub hin oder her) – und diskriminiert die Frauen auf dem Arbeitsmarkt, weil ihr Risiko auszufallen dadurch ungleich grösser ist.

«Einmal mehr obliegt es nun den Frauen, sich für Vereinbarkeit einzusetzen»

Beim Wiedereinstieg tragen Mütter, da es sich eben über Monate eingespielt hat, auf einmal zusätzlich zum Job noch die Verantwortung für Haushalt und Kind zu haben – eine Belastung, die zusammen mit durchwachten Nächten, Krankheitsfällen und Still- und Hormonrallye die Frauen an ihre Grenzen bringt. Überdies entscheidet nur bei den Frauen das Engagement zuhause über ihre Qualitäten als Mütter – Väter sind da vogelfreier und jedes Engagement wird als Leistung bewertet.

Die Konsequenz davon ist, dass viele Frauen irgendwann, nachdem sie Mütter werden, ihre Erwerbstätigkeit massgeblich reduzieren oder spätestens mit dem zweiten Kind ganz aufgeben – und die Paare endgültig in eine traditionelle Rollenverteilung rutschen. Zumal der niedrigere Zweitverdienst übermässig besteuert wird und Ende Monat abzüglich der Kinderbetreuungskosten nicht mehr viel übrig bleibt. Wozu also der ganze Stress, sagen sich viele Mütter – und bleiben zuhause.

Drohkulisse für Väter

Bis anhin galt die bestehende Rechtspraxis des Unterhaltsrechts ein wenig wie eine Drohkulisse für Väter, die sich zuhause nicht engagierten oder die Frau nicht in ihrer Erwerbstätigkeit unterstützten und später einfach zahlen müssen. Jetzt fällt dieses Szenario weg – und es obliegt nach diesem Bundesgerichtsentscheid einmal mehr den Frauen und Müttern, sich für die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie einzusetzen.

Gibt es gemeinsame Kinder, wird bei einer Trennung oder Scheidung zudem spätestens ab dem Eintritt des jüngsten Kindes in die obligatorische Schulzeit (in vielen Kantonen ist das der Kindergarten mit 4 Jahren) eine Beschäftigung von 50 Prozent vorausgesetzt, die dem Unterhalt angerechnet wird. Die alte Regel, die einen Wiedereinstieg vorsah, wenn das jüngste Kind zehn Jahre alt war, hatte das Bundesgericht bereits 2018 in einem Entscheid aufgehoben.

Die Konsequenz aus der Rechtsprechung muss sein, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie endlich als gesamtwirtschaftliches, lösbares(!) Problem angesehen wird, das alle angeht – Frauen wie Männer. Es kann nicht sein, dass die fehlende Vereinbarkeit weiterhin auf den Schultern der Frauen ausgetragen wird.

Die Richter haben das Gesetz angewendet, wie es vor wenigen Jahren vom Parlament beschlossen wurde. Diese Entscheide waren zu erwarten, aber solang die Teilhabe am Arbeitsmarkt als Mutter erschwert ist, ja ein Zweiteinkommen sich für Verheiratete teilweise finanziell gar nicht lohnt, hat die zweite zivilrechtliche Kammer des Bundesgerichts (bestehend ausschliesslich aus bürgerlichen Männern) die Realität für einmal fast überholt. Ohne gleiche Chancen als Mutter am Arbeitsmarkt ist das neue Unterhaltsrecht zu kurz gedacht.

Was es braucht, ist endlich die Einführung der Individualbesteuerung, für deren Volksinitiative momentan Unterschriften gesammelt werden. Zudem braucht es eine gleichberechtigte Elternzeit, zahlbare, qualitativ hochwertige Betreuungsplätze, voll abziehbare Betreuungskosten, Tagesschulen, flexible Arbeitszeiten und -modelle auch für Väter sowie Lohngleichheit. Und das Bewusstsein aller, dass Frauen in dem Moment, in dem sie Mütter werden, nicht einfach aus dem Arbeitsleben gedrängt werden dürfen. Das sind gesamtgesellschaftliche Aufträge, denen sich die Politik, die Wirtschaft und alle jetzt annehmen müssen. Lippenbekenntnisse haben wir genug gehört. Es geht uns alle an.

«Liebe Männer, ihr seid jetzt auch in der Pflicht zuhause»

Das heisst, liebe Männer: Teilzeitarbeit, Haushalt und Kinderbetreuung sind ab sofort auch eure Ressorts. Bringt euch ein, fördert eure Frauen und unterstützt sie, wenn sie abends lange Sitzungen haben, steht nachts ebenfalls auf und bleibt zuhause, wenn die Kinder krank sind. Fordert von euren Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen die gleiche Flexibilität ein, wie die Frauen es tun. Ihr seid jetzt auch in der Pflicht zuhause. Und euch, liebe Frauen, möchte ich Mut machen: Bleibt erwerbstätig! Gebt eure finanzielle Selbständigkeit nicht leichtfertig auf. Handelt eure Bedingungen für ein egalitäres Modell aus – bevor ihr schwanger werdet. Und wenn ihr bereits Kinder habt und momentan zuhause Familienarbeit macht – geniesst es. Spätestens wenn das jüngste Kind im Kindergarten ist, wird es dann Zeit, sich um weitere Wirkungsfelder zu kümmern. Vielleicht findet ihr ja sogar ungeahnte neue Berufsfelder, in denen ihr neben und nach den Kindern eine Erfüllung findet.

Das wurde entschieden:

 
  1. Die 45er-Regel fällt weg: Neu wird auch Frauen über 45 Jahren der berufliche Wiedereinstieg zugetraut. Ansonsten wird ihnen ein fiktives Einkommen angerechnet, das vom Unterhalt abgezogen wird.
  2. Die «lebensprägende Ehe» wird neu definiert: Bis anhin bestand die Vermutung, dass eine Ehe lebensprägend war bei gemeinsamen Kindern oder bei mehr als zehn Ehejahren. Nun muss in jedem Fall individuell geprüft werden, welche Bedeutung die Ehe für die Verheirateten hatte. Und selbst wenn eine lebensprägende Ehe bejaht wird, führt diese nicht automatisch zu einem Anspruch auf nachehelichen Unterhalt. Die geschiedenen Eheleute sind angehalten, sich selber zu versorgen, und sind verpflichtet, sich wieder in die Arbeitswelt einzugliedern oder die Erwerbstätigkeit auszudehnen. Ein Unterhaltsbeitrag wird nur zugesprochen, soweit dieser nicht oder nicht vollständig selbst gedeckt werden kann. Eine Ausnahme gilt jedoch immer noch: Werden gemeinsame Kinder betreut, bemisst sich die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit nach dem Alter und den Bedürfnissen des Kindes nach dem bereits 2018 neu entschiedenen Schulstufenmodell, welches die 10/16er-Regel abgelöst hat.
  3. Es gibt neu eine einheitliche Berechnung des Unterhalts für alle Gerichte in der Schweiz: Sie heisst «zweistufige Methode mit Überschussberechnung» und ermittelt sich wie folgt:
    – Feststellung des gemeinsamen Gesamteinkommens
    – Sowie der Bedarf der betroffenen Familienmitglieder
    – Übersteigen die Mittel das familienrechtliche Existenzminimum, wird der Überschuss nach Ermessen verteilt
    – Sind zu wenige Mittel verfügbar, wird zuerst der Bedarf der minderjährigen Kinder gedeckt
    – Erst danach sind die vormaligen Ehe- oder Konkubinatspartner an der Reihe
 Weiterlesen - ein Beitrag von Nadine Jürgensen erschienen am 18.03.2021 im annabelle

Videokonferenz ist anstrengender als normale Sitzung

Das Coronavirus hat das Arbeitsleben verändert. Viele Sitzungen finden nun digital statt. Das ermüdet. Ein Kommunikationsprofessor erklärt, weshalb das so ist. Sitzungen via Zoom, Skype oder Teams sind anstrengender als «normale» Meetings. In einer Studie der Universität Stanford wurde die sogenannte Zoom-Fatigue erforscht. Der Experte gibt Tipps, was man dagegen tun kann.

Das Coronavirus sorgt dafür, dass im Berufsleben jeder unnötige Kontakt vermieden werden sollte. Videokonferenz um Videokonferenz ist die Folge – vor allem für jene, die sonst viel Zeit in Sitzungen verbringen. Meetings via Zoom, Skype oder Teams verschlingen jedoch viel mehr Energie als eine gewöhnliche Sitzung mit physischer Präsenz. Das hält der Kommunikationswissenschaftler Jeremy Bailenson in einer aktuellen Studie der Universität Stanford fest. Er hat das Phänomen der «Zoom-Fatigue» untersucht und vier Hauptursachen dafür gefunden.

Immer in Augenkontakt

Ein Grund für die Anstrengung ist gemäss Studie der intensive Augenkontakt, den eine Videokonferenz mit sich bringt. In einem normalen Meeting schaut man öfter woanders hin oder macht sich kurz Notizen. «Aber bei Zoom-Anrufen schaut jeder jeden die ganze Zeit an», heisst es im Artikel der Stanford-Uni. Ein anderer Stressfaktor sind die Gesichter, die man je nach Bildschirm-Einstellung in Übergrösse sieht. Das passe nicht zur Distanz, die man sonst unter Arbeitskollegen einhalte, so Bailenson. Er empfiehlt deshalb, die Grösse des Fensters zu verändern, damit mehr virtuelle Distanz zu den Sitzungsteilnehmern entsteht.

Ständig das eigene Gesicht im Blick

Ein weiterer Effekt, den Videokonferenzen mit sich bringen: Ständig sieht man sich selber wie in einem Spiegel. Das sei anstrengend und unnatürlich, so der Kommunikationswissenschaftler. Man verfolge in der realen Welt ja auch nicht ständig jemanden mit einem Spiegel. Er rät deshalb dazu, die Selbstansicht auszuschalten.

Weiterlesen - ein Beitrag von Karin Aebischer erschienen am 17.03.2021 auf www.nau.ch

Der Homo Homeoffice: Produktiver, aber weniger teamfähig

Die Mitarbeitenden geben sich gute Noten für ihre Arbeit im Homeoffice. Nicht ganz so euphorisch sind die Chefs.

Lange Jahre weissagten Zukunftsforscher, dass die Digitalisierung unseren Arbeitsalltag fundamental verändern wird. Trotzdem drängten sich allmorgendlich die Autos auf der Autobahn und die Menschen in den Zügen, um quer durchs Land zum Arbeitsplatz zu fahren. Und auch das Kafi und Znüni waren fester Bestandteil des Nine-to-Five-Jobs – wie in den guten alten, analogen Zeiten. Durch Shutdowns und Homeoffice-Pflicht hat sich dies in Windeseile geändert: Seit einem Jahr gehört das Arbeiten von zuhause zum Alltag vieler Menschen in der Schweiz. Durch die Pandemie ist eine Art Versuchslabor in Sachen Homeoffice entstanden – auch für die Arbeitgeber, die nicht selten befürchteten, dass Homeoffice den Schlendrian befördern würde.

Meinungen im Management «polarisiert»

Eine neue Studie kommt nun zu anderen Schlüssen: Tatsächlich hat die Effizienz und Produktivität der «Heimarbeitenden» im letzten Jahr nicht gelitten. Durchgeführt wurde die Erhebung vom Personalberatungsunternehmen von Rundstedt. Laut Studienleiter Pascal Scheiwiller werden die neuen Freiheiten aus Sicht der Mitarbeitenden geschätzt. «Und sie glauben auch, dass Qualität und Effizienz im Homeoffice gestiegen sind.» Eine Sicht der Dinge, die tendenziell auch vom Management geteilt werde, sagt der Arbeitsmarkt-Experte. «Aber die Meinungen sind sehr polarisiert. Es gibt einen anderen Teil im Management, der findet, dass Qualität und Effizienz eher sanken.» Die verbreitete Skepsis in den Chefetagen begründet der Studienleiter damit, dass sich die Erwartungen an den Arbeitsalltag und die Angestellten über Jahrzehnte eingeschliffen haben. «Es braucht seine Zeit, bis man sich an den neuen Modus gewöhnt und auch die positiven Resultate erkennt.» Also alles eitel Sonnenschein im Homeoffice-Land Schweiz? Nur bedingt. Das isolierte Arbeiten behagt auf Dauer nicht allen. «Den Mitarbeitenden fehlt die Beziehungsebene», sagt Scheiwiller. Laut der Studie haben Teamwork und Zusammenhalt aus Sicht vieler Mitarbeitenden gelitten. So manch einem schlagen die fehlenden sozialen Kontakte aufs Gemüt. «Wir sehen, dass die Unzufriedenheit zunimmt. Am Anfang war das alles noch spannend», so der Arbeitsmarkt-Experte. «Und auch die Zoom-Apéros waren lustig. Aber irgendwann hat man die Nase voll und braucht den direkten Austausch, die physische Nähe.»

Die richtige Balance finden

Für Scheiwiller ist klar: Es braucht einen gesunden Mix. Eine Homeoffice-Pflicht, in der Mitarbeitende teils Wochen einsam vor sich hinarbeiten, sei kontraproduktiv: «Das wirkt sich negativ auf die Motivation und Beziehungsqualität im Unternehmen aus.» Die Verbundenheit zur Firma leidet also. Ein Jahr Corona hat die Arbeitswelt laut der Studie nachhaltig verändert. «Die meisten Unternehmen glauben, dass Homeoffice bleiben wird – sich aber in einem vernünftigen und sinnvollen Mittelmass einpendeln wird.» Diese Kombination von Heim- und Büroarbeit könne eine gesunde und produktive Balance herbeiführen, glaubt Scheiwiller.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 16.03.2021 auf www.srf.ch

Homeoffice-Pflicht zeigte wenig Wirkung

Der Bundesrat verschärfte die Home-Office-Empfehlung im Januar. Trotzdem pendeln viele Leute weiter zur Arbeit, wie eine Umfrage zeigt. Mit der Homeoffice-Pflicht will die Regierung die Mobilität reduzieren. Daten zeigen jetzt aber, dass der Effekt nicht so stark ist.Trotzdem wollen einige Arbeitnehmer auch nach der Pandemie von zu Hause aus arbeiten.

Homeoffice ist in allen Bereichen Pflicht, in denen es mit verhältnismässigem Aufwand möglich ist: Diese Weisung erliess der Bundesrat im Januar. Ziel war es, die Mobilität der Bevölkerung und damit das Risiko, sich mit Corona anzustecken, zu reduzieren. Der «Homeoffice-Zwang» stiess gerade bei Wirtschaftsvertretern auf Kritik. Jetzt zeigt eine repräsentative Umfrage von Comparis, dass die Verschärfung der Homeoffice-Empfehlung offenbar wenig zusätzliche Firmen und Arbeitnehmende dazu animierte, die Arbeit von zu Hause aus zu forcieren.

Nur leichte Zunahme

Trotz Homeoffice-Pflicht gab es laut der Befragung nur eine leichte Zunahme der Heimarbeit. Nur 50,9 Prozent der Erwerbstätigen arbeiteten mehr als einen halben Tag pro Woche zuhause. Das sind nur knapp neun Prozentpunkte mehr gegenüber 2019 (42,2 Prozent der Erwerbstätigen). Der Anteil der Erwerbstätigen, die mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit daheim verbringen, ist um 16 Prozentpunkte angestiegen (37,3 gegenüber 21,4 Prozent). Die Resultate basieren auf einer Befragung von 1018 Personen im Februar (siehe Grafiken oben). «Diese Zahlen belegen, dass nach wie vor viele zur Arbeit pendeln», sagt Comparis-Immobilienexperte Frédéric Papp. Einen nachhaltigen Homeoffice-Boom sehe er deshalb nicht. Das zeige auch das Mobilitäts-Monitoring Covid-19. Der Anteil der zu Arbeitszwecken zurückgelegten Mobilität sei trotz Homeoffice-Pflicht deutlich höher als während des ersten Lockdowns ohne Homeoffice-Pflicht. «Das hat auch damit zu tun, dass im Vergleich zum ersten Lockdown in der zweiten Welle deutlich mehr Bereiche offen haben», sagt Papp.

Akademiker arbeiten häufiger von zu Hause aus

Die Befragung zeigt weiter, dass sich beim Homeoffice ein Graben auftut: Je besser die Ausbildung, desto mehr Zeit verbringt man im Homeoffice. 26 Prozent derjenigen, die über einen hohen Bildungsabschluss verfügen, sind zu 90 oder 100 Prozent im Homeoffice. Bei jenen mit niedrigem und mittleren Bildungsgrad sind es nur 10,5 Prozent. Ein ähnliches Bild zeige sich bei den Einkommen: Personen mit einem Brutto-Haushaltseinkommen von über 8’000 Franken arbeiteten eher zu 90 Prozent oder mehr von zuhause aus als Personen zwischen 4’000 und 8’000 Franken oder bis 4’000 Franken Einkommen. «Gut ausgebildete Personen mit hohen Einkommen können ihren Arbeitsalltag in der Regel flexibler gestalten und sind somit weniger abhängig von einem fixen Arbeitsplatz», erklärt Papp. Gar nicht im Homeoffice arbeiten laut Befragung derzeit 45,9 Prozent. Dieser Anteil ist nur wenig kleiner als vor der Corona-Pandemie mit 51,6 Prozent. Es seien auch hier überwiegend Personen mit niedrigem und mittlerem Bildungsniveau und Einkommen von bis 4’000 Franken oder 4’000 bis 8’000 Franken, schreibt der Comparis-Experte. Es zeige sich auch ein Gender-Gap. Frauen arbeiteten deutlich häufiger am Arbeitsplatz als Männer (40,4 vs. 51,9 Prozent). «Frauen arbeiten im Vergleich zu Männern eher in Teilzeit und in Berufen, die eine physische Präsenz erfordern», erklärt Papp.

Weiterlesen - ein Beitrag von Pascal Michel erschienen am 15.03.2021 auf www.20min.ch

Grundeinkommen für Hausarbeit: Soll der Staat Eltern mit Kindern 7000 Franken zahlen?

Das Bundesgericht will, dass Frauen nach einer Scheidung einen Job suchen, anstatt Unterhaltszahlungen zu erhalten. Eine Autorin fordert darauf ein monatliches Grundeinkommen von 7000 Franken für Paare mit Kindern. Frauen verrichten mehr Hausarbeit als Männer. Deshalb sollen sie vom Staat ein Grundeinkommen erhalten. Eine Autorin fordert 7000 Franken Grundeinkommen für Paare mit zwei Kindern.

Nach der Scheidung auf Jobsuche: Das könnte für viele Hausfrauen Realität werden. Denn das Bundesgericht hat seine Praxis beim Unterhaltsrecht geändert. Frauen, die bei der Scheidung über 45 Jahre alt waren und während der Ehe nicht ausser Haus gearbeitet haben, hatten bis jetzt Anrecht auf Unterhaltszahlungen. Damit ist nun Schluss. Wenn keine Gründe wie die Betreuung kleiner Kinder vorliegen, müssen die Ehegatten nach einer Scheidung selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen (siehe Box). Auch wenn sie sich jahrzehntelang um Kinder und Haushalt gekümmert hatten. In den meisten Fällen ist das die Frau.

Die «45er-Regel» ist Geschichte

Die sogenannte «45er-Regel» besagte, dass einem Ehegatten die Erwerbstätigkeit nicht zuzumuten ist, wenn er oder sie zum Zeitpunkt der Scheidung älter als 45 Jahre ist und während der Ehe nicht berufstätig war. Neu sei stets davon auszugehen, dass der Arbeitsmarkt zumutbar ist, teilt das Bundesgericht mit. Es wird im Einzelfall geprüft, ob es Gründe gibt, die einer Anstellung im Wege stehen würden. Zum Beispiel die Betreuung kleiner Kinder. Die Autorin Sibylle Stillhart ärgert sich über diese neue Praxis des Bundes. «Das Bundesgericht betreibt eine Gleichstellungspolitik, die ich nicht nachvollziehen kann», sagt sie in den Zeitungen von CH Media (Bezahlartikel). Frauen und Männer seien nicht gleichberechtigt. «Eine gut bezahlte Arbeit zu finden, nachdem man während Jahren gar nicht oder nur in einem Teilzeitpensum angestellt war, ist nicht so einfach oder gar unmöglich.» Der Vorschlag von Stillhart: Die Care-Arbeit, also die Sorgearbeit während der Ehe, die in vielen Haushalten hauptsächlich von Frauen ausgeführt wird, soll stärker wertgeschätzt werden. Und zwar finanziell. Stillhart fordert einen Monatslohn von 7000 Franken für Eltern mit zwei Kindern. Bezahlen soll es der Staat. «Es soll mir niemand sagen, dass wir in der reichen Schweiz dafür nicht genügend Geld hätten.»

«Das führt zu massiven Steuererhöhungen»

Das sieht Rudolf Minsch, Chefökonom von Economiesuisse, anders. «Ein Grundeinkommen von 7000 Franken für Paare mit Kindern wäre extrem teuer und würde zu massiven Steuererhöhungen führen.» Der Wirtschaftsdachverband habe dies bereits im Rahmen der 2016 abgelehnten Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen von 2500 Franken für alle überschlagen. Zudem glaubt Minsch auch nicht, dass ein Grundeinkommen für Paare die gewünschte Gleichstellung erreichen würde, es sei sogar kontraproduktiv. «Viele, vor allem Frauen, würden die Erwerbsarbeit ganz aufgeben.» Und so den Zugang zur Arbeitswelt verlieren. Er warnt vor einem Fachkräftemangel. «Es wäre fatal, wenn gut ausgebildete Personen nicht mehr arbeiten würden.»

«Frage nach der Arbeitsaufteilung ist zentral»

Doch schon heute verdient nicht einmal die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in der Deutschschweiz genug, um den Lebensunterhalt alleine zu bestreiten und ist darum auf finanzielle Unterstützung durch den Partner oder die Partnerin angewiesen. Das hat eine Umfrage im Auftrag der Zeitschrift Annabelle ergeben. Betroffen sind vor allem Teilzeit arbeitende Frauen und Mütter. «Im vorliegenden Entscheid vom Bundesgericht fehlen solche grundsätzlichen Überlegungen zum Wert und der Menge an Arbeit, welche in den meisten Fällen Mütter leisten und auch nach der Scheidung weiter leisten werden», sagt Anja Peter, Geschäftsleiterin von Economiefeministe. Economiefeministe ist eine Plattform für feministische Ökonomie. Ein Grundeinkommen für Familien löst gemäss Peter die zentrale Frage nach der Organisation der Arbeit nicht: «Wer macht zu welchen Bedingungen welche Arbeit?»

«Jegliche Arbeit soll eine Existenz sichern»

Der Verein Grundeinkommen findet ein 7000 Franken monatlich für eine vierköpfige Familie angemessen und unterstützenswert. «Es ist höchste Zeit, die Care-Arbeit anzuerkennen und eine entsprechende Finanzierung dafür zu finden», sagt Silvan Groher vom Verein. Da diese Arbeit tendenziell eher von Frauen erledigt werde, sei es auch eine Gleichstellungsfrage. «Tätigkeiten wie Hausarbeit und Kindererziehung werden aufgewertet. Und wie jede andere sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass es eine Finanzierung dazu gibt», sagt Groher.

Weiterlesen - ein Beitrag von Janine Gloor erschienen am 14.03.2021 auf www.20min.ch

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