Die Bevölkerung der Schweiz ist 2023 stark gewachsen trotz markantem Geburtenrückgang

2023 hat die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Am 31. Dezember umfasste sie etwas mehr als 8 960 800 Personen. Bei den Einwanderungen wurde gegenüber 2022 ein deutliches Plus verzeichnet, was hauptsächlich mit den Personen aus der Ukraine zusammenhängt. Der bereits 2022 beobachtete Geburtenrückgang hielt an, gleichzeitig verringerte sich die Anzahl Todesfälle gegenüber dem Vorjahr. Auch die Zahl der Eheschliessungen und der Scheidungen nahm ab. Dies sind einige provisorische Ergebnisse für das Jahr 2023 der Statistik der Bevölkerung und der Haushalte sowie der Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung des Bundesamtes für Statistik (BFS).

Am 31. Dezember 2023 umfasste die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz 8 960 800 Personen, gegenüber 8 815 400 im Vorjahr (+145 400 Personen; +1,6%). Damit ist sie ist fast doppelt so stark gewachsen wie 2022 (+0,9%), womit das Wachstum so markant ausfiel wie seit Beginn der 1960er-Jahre nicht mehr. Ohne die Personen aus der Ukraine hätte sich die Bevölkerungszahl um 1,0% erhöht. Alle Kantone verzeichneten eine Zunahme. Das grösste Plus registrierten die Kantone Wallis (+2,4%) sowie Schaffhausen und Aargau (je +2,2%), am geringsten war der Anstieg in den Kantonen Jura (+0,9%), Neuenburg, Tessin und Appenzell Innerrhoden (je +1,0%).

Historisch hoher Wanderungssaldo

Nachdem sich die Einwanderung in den Pandemiejahren verlangsamt hatte, zog sie 2022 wieder an und nahm auch 2023 zu. Der Anstieg ist teilweise darauf zurückzuführen, dass die Personen aus der Ukraine seit 2023 zur ständigen Wohnbevölkerung zählen. 2023 wanderten insgesamt 263 800 Personen ein (+38,2% gegenüber 2022), davon waren 22 100 Schweizer Staatsangehörige und 241 700 Ausländerinnen und Ausländer. Bei 53 100 Eingewanderten handelte es sich um Personen mit Schutzstatus S aus der Ukraine (20,1% aller Einwanderungen). Die Auswanderungen gingen hingegen leicht zurück. 121 600 Personen verliessen die Schweiz (30 700 Schweizer Staatsangehörige und 90 900 ausländische Staatsangehörige). Das entspricht einem Minus von 0,5% im Vergleich zum Vorjahr. In der Folge stieg der Wanderungssaldo (Differenz zwischen Ein- und Auswanderungen) von 68 800 im Jahr 2022 auf 142 300 im Jahr 2023 (+106,9%). Dieser Saldo erklärt rund 95% des Bevölkerungswachstums im Jahr 2023 (gegenüber 90% im Vorjahr). In der Schweiz wurde noch nie zuvor ein so hoher Wanderungssaldo verzeichnet. Ohne die Personen aus der Ukraine hätte er bei 89 200 Personen gelegen und der Anstieg gegenüber 2022 hätte sich auf 29,6% beschränkt. Gegenüber 2022 wanderten im Jahr 2023 weniger Schweizer Staatsangehörige aus der Schweiz aus (-1,8%), aber mehr ein (+1,4%). Bei den ausländischen Staatsangehörigen legten die Einwanderungen deutlich zu (+43,0%), während die Auswanderungen gegenüber dem Vorjahr unverändert geblieben sind (0,0%). Der provisorische Wanderungssaldo der ausländischen Staatsangehörigen war somit 2023 positiv (+150 800 Personen), jener der Schweizer Bevölkerung hingegen negativ (-8600 Personen).

Einwanderung aus der Ukraine

Im Jahr 2022 flüchteten rund 62 700 Personen vor dem Krieg aus der Ukraine in die Schweiz. Die Anrechnung der Personen mit Schutzstatus S, die ein Jahr nach ihrer Einreise noch in der Schweiz wohnten, hat stark zum Anstieg des provisorischen Wanderungssaldos von 2023 beigetragen. Über ein Drittel (37,3%) dieses Saldos ist auf ihren Wechsel von der nichtständigen in die ständige Wohnbevölkerung zurückzuführen. Der grösste Teil des Wanderungssaldos (44,9%) entfällt auf die Staatsangehörigen aus EU- und EFTA-Ländern wobei deutsche, französische und italienische Staatsangehörige am stärksten vertreten waren. Gemäss den provisorischen Zahlen lebten 2023 insgesamt 2 416 400 Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz, was 27,0% der ständigen Wohnbevölkerung entspricht. Die ausländische Bevölkerung wächst schneller als die Schweizer Bevölkerung (+5,2% gegenüber +0,4%). Sie hat 2023 nahezu doppelt so stark zugenommen wie 2022 (5,2% gegenüber 2,3%). Ohne die Personen aus der Ukraine wäre die ausländische Bevölkerung um 2,9% gewachsen.

Markanter Geburtenrückgang

Nach den provisorischen Zahlen wurden 2023 in der Schweiz durchschnittlich 1,33 Kinder pro Frau geboren, so wenige wie noch nie zuvor. 2022 waren es noch 1,39 gewesen. Die Geburtenhäufigkeit ist seit zwei Jahren stark rückläufig. 2023 wurden in der Schweiz 79 800 Lebendgeburten verzeichnet. Das sind 2500 bzw. 3,1% weniger als 2022. Wird die Anzahl Geburten im Verhältnis zur Bevölkerung betrachtet, liegt die rohe Geburtenziffer seit zwei Jahren auf einem tiefen Niveau (2023: 9,0 Geburten auf 1000 Einwohner/-innen; 2022: 9,4). Der Geburtenrückgang gegenüber 2022 betrifft nahezu alle Kantone. Einzig Basel-Stadt, Uri, Jura, Obwalden, Luzern und Appenzell Innerrhoden bilden eine Ausnahme. 

Todesfälle wieder auf Vor-Corona-Niveau 

2023 sind in der Schweiz 71 700 Menschen gestorben, 2800 weniger als im Vorjahr (-3,7%). Die Anzahl Todesfälle verringerte sich in den meisten Kantonen, einzig in Glarus, Nidwalden, Aargau und Schaffhausen blieb sie insgesamt stabil. Die hohe Anzahl Todesfälle ist im Wesentlichen auf die Bevölkerungsalterung zurückführen; 88% der Todesfälle betrafen Personen ab 65 Jahren. Zwischen 2022 und 2023 stieg die Lebenserwartung bei Geburt der Männer von 81,6 auf 82,3 Jahre und jene der Frauen von 85,4 auf 85,9 Jahre (provisorische Zahl). Aus der tiefen Geburtenzahl und der weiterhin hohen Anzahl Todesfälle im Jahr 2023 resultierte ein Geburtenüberschuss (Differenz zwischen Geburten und Todesfällen) von 8200 Personen, der einen kleinen Teil (rund 5%) des Bevölkerungswachstums erklärt. In zwölf Kantonen starben mehr Menschen als Kinder geboren wurden: im Tessin, in Bern, Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Graubünden, Neuenburg, Jura, Schaffhausen, Glarus, Solothurn, Nidwalden und Appenzell Ausserrhoden.

Weniger Eheschliessungen und Scheidungen 

2023 wurden 37 500 Ehen geschlossen, 3400 bzw. 8,3% weniger als 2022. Bei den Eheschliessungen zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts wurde ein Rückgang von 2100 Ehen gegenüber 2022 registriert. Darüber hinaus wurden rund 900 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen und 800 eingetragene Partnerschaften in eine Ehe umgewandelt. 2023 wurden 15 500 Scheidungen ausgesprochen; dies entspricht einer Abnahme um 4,3% im Vergleich zum Vorjahr. Darin sind erstmals auch Scheidungen gleichgeschlechtlicher Ehen enthalten (41). Bei Fortsetzung der 2023 beobachteten Trends ist davon auszugehen, dass rund zwei von fünf Ehen (38,0%) eines Tages mit einer Scheidung enden (provisorische Zahl).

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Nadine Felix hilft Armutsbetroffenen bei der Wohnungssuche

Wer von Armut betroffen ist, hat auf dem normalen Mietwohnungsmarkt äusserst schlechte Karten. Es habe viel zu wenig günstige Wohnungen für tiefe Einkommen, sagt Nadine Felix. Die Geschäftsführerin der Stiftung Domicil hilft Betroffenen bei der Wohnungssuche.

Schon für Normalhaushalte ist die Wohnungssuche in städtischen Gebieten eine Herausforderung. Für Armutsbetroffene ist sie jedoch praktisch unmöglich. Bezahlbarer Wohnraum ist vielerorts Mangelware. In Kantonen wie Graubünden, Zug oder Zürich sind die Mieten inserierter Wohnungen im vergangenen Jahr im hohen einstelligen und an besonders begehrten Lagen gar im zweistelligen Prozentbereich gestiegen. Die Zahl der leerstehenden Wohnungen sinkt seit Jahren. Da bleiben Armutsbetroffene ohne Unterstützung auf der Strecke. Genau hier kommen Nadine Felix (49) und ihr Team ins Spiel. Sie ist Geschäftsleiterin der Stiftung Domicil, die Menschen in finanziell prekärer Situation in Zürich bei der Wohnungssuche hilft. Für immer mehr Menschen ist Felix' Stiftung die letzte Hoffnung.

Blick: Die Kostensteigerungen der vergangenen Jahre treffen Armutsbetroffene und die untere Mittelschicht besonders hart. Spüren Sie das bei der Nachfrage bei Wohnungsvermittlungen?
Nadine Felix: Unser Angebot war schon immer sehr gefragt, doch in den letzten zwei Jahren sind die Anfragen noch mal um 50 Prozent angestiegen. Wir erhalten noch mehr Telefonanfragen, Menschen klingeln bei uns an der Bürotür. Wir können diese Nachfrage gar nicht bewältigen.

Dann müssen Sie also oft sagen, dass sie nicht helfen können?
Wir konnten unsere Kapazitäten nicht mit der steigenden Anfrage erhöhen. Einerseits erhalten wir laufend Anmeldungen von Sozialämtern. Dann bieten wir jede Woche eine Sprechstunde an, in der sich Personen ohne wirtschaftliche Unterstützung bei uns anmelden können. Mehr Anmeldungen können wir gar nicht entgegennehmen.

Wie läuft eine solche Sprechstunde ab?
Wir prüfen, ob eine Dringlichkeit gegeben ist und ob das Einkommen hoch genug für das voraussichtliche Mietzinsniveau ist. Viele der Familien, die sich bei uns melden, verdienen zu wenig, um sich eine passende Wohnung leisten zu können. Wir informieren sie dann, dass sie Anspruch auf Unterstützungsleistungen hätten, und verweisen sie an die entsprechenden Stellen. Wir selbst können sie nicht finanziell unterstützen.

Die Stiftung bürgt für die Wohnungssuchenden?
Wir besitzen keine eigenen Wohnungen, die wir anbieten könnten. Deshalb suchen wir Kontakt zu Wohnraumanbietern – Eigentümern, Verwaltungen, Genossenschaften –, die bereit sind, bezahlbare Wohnungen an Haushalte zu vermieten, die besonders auf den tiefen Mietzins angewiesen sind. Armutsbetroffene haben oft keine Chance, selbst eine Wohnung zu kriegen. Erst recht, wenn sie noch einen Eintrag im Betreibungsregister haben. Als Solidarmieterin unterschreiben wir den Mietvertrag mit und haften, wenn nach Abschluss des Mietverhältnisses Kosten offenbleiben. Derzeit kommen wir auf 1130 Wohnungen, ein Drittel mieten wir selbst und vermieten sie unter. Für die Übrigen bürgen wir.

Erhalten Sie auch immer öfter Anfragen von Menschen, die gemäss Definition nicht als Armutsbetroffene gelten?
In der Tat erhalten wir vermehrt Anfragen aus der Mittelschicht, die wir leider ablehnen müssen. Unser Auftrag ist es, Menschen mit wirklich kleinem Einkommen und in einer Notsituation zu helfen.

Wer meldet sich bei Ihnen?
Unsere Hauptzielgruppe sind Familien. Wir helfen vor allem armutsbetroffenen Familien, das sind oft alleinerziehende Mütter oder Väter. Doch auch Rentnerinnen und Rentner oder auch junge Menschen in Ausbildung haben Probleme, bezahlbare Wohnungen zu finden. Sie verweisen wir an die zuständigen Stellen. Viele Menschen, die wir unterstützen, haben einen Migrationshintergrund. Für sie ist die Wohnungssuche bei geringem Einkommen noch schwieriger, da ihnen oft ein Netzwerk fehlt, das ihnen zu günstigen Wohnungen verhilft.

Wie lange dauert so eine Vermittlung in der Regel?
In der Stadt Zürich und in der Agglomeration, wo wir tätig sind, hat es viel zu wenig Wohnungen im nötigen Preisrahmen. Bei einer 4-köpfigen Familie wäre das zum Beispiel eine 4,5-Zimmer-Wohnung für 1800 Franken Bruttomiete. Deshalb können wir aktuell kaum Prognosen machen. Oft dauert es neun, zwölf Monate. Es kann aber auch Jahre dauern. Besonders schwierig wird es bei grossen Kernsanierungen oder Abrissen älterer Wohnhäuser. Die neuen Wohnungen sind viel teurer. Dann erhalten wir zahlreiche Anfragen von Familien, die im Quartier verwurzelt und in Vereinen aktiv sind. Die Kinder haben in der Schule ihre Freunde. Und nun finden sie in der Region keine bezahlbare Wohnung mehr.

Wie oft müssen Sie beim Mietzins einspringen?
Wir versuchen bereits im Vorfeld, Hand zu bieten, damit es gar nicht erst so weit kommt. Je nachdem besteht ein Anspruch auf Unterstützung, oder private Hilfsorganisationen wie Caritas oder Winterhilfe können helfen. Sind bei der Beendigung des Mietverhältnisses Rechnungen offen, springen wir ein. Bei jährlich rund hundert Mietverhältnissen, die beendet werden, ist das bei einer Handvoll notwendig. Im vergangenen Jahr waren es mit zehn Fällen überdurchschnittlich viele. Läuft das Mietverhältnis hingegen einige Jahre reibungslos, versuchen wir, die Menschen aus der Solidarhaftung zu entlassen.

Was wäre nötig, damit Armutsbetroffene besser an bezahlbare Wohnungen kommen?
Es braucht mehr günstigen Wohnraum, beispielsweise über Quoten an bezahlbaren Wohnungen bei Grossprojekten. Zudem ist es wichtig, dass bezahlbare Wohnungen an Menschen vermietet werden, die auch wirklich darauf angewiesen sind.
 
Weiterlesen - ein Beitrag von Martin Schmidt erschienen am 01.04.2024 auf blick.ch

Wohnen, Steuern, Prämien: Hier lebt es sich am günstigsten

Die Immobilienanalysten von Wüest Partner haben die attraktivsten Wohnorte der Schweiz errechnet. Ergebnis: In Agglogemeinden im Mittelland lebt es sich am besten.

Die Schweizer Städte platzen aus allen Nähten – volle Trams, überall Leute und vor allem: hohe Mieten. Längst haben nicht mehr nur Familien Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Doch es gibt Ausweichmöglichkeiten: In den vielen Agglomerationen der Schweiz gibt es Mietwohnungen und Einfamilienhäuser zu bezahlbaren Preisen. Die Immobilienexperten von Wüest Partner haben für jede Grossregion der Schweiz die attraktivsten Gemeinden errechnet. Demnach liegen Cadenazzo TI, Sant'Antonio TI und Ried bei Kerzers FR landesweit ganz vorn. Filtert man nach Gemeinden mit mehr als 10'000 Einwohnern heissen die Gewinner Rheinfelden AG, Lyss BE und Grenchen SO.

Das Mittelland schwingt obenaus

Basis der Berechnung sind die Wohnkosten einer Gemeinde – Mieten und Kaufpreise. Hinzu kommen Steuern und Krankenkassenprämien, aber auch Infrastruktur wie Schulen und medizinische Versorgung. Zuletzt zählt auch noch Erreichbarkeit, das heisst die Pendlerdistanz in die nächste grosse Stadt. Wenig verwunderlich: Das Mittelland schwingt obenaus. Oder wie die «NZZ am Sonntag» schreibt, die zuerst über die Studie berichtete: «Wer das Glück finden will, zieht irgendwo in die Nähe der A1.» Demzufolge landet auch Spreitenbach AG, das in den Medien oft als sozialer Brennpunkt mit hohem Ausländeranteil und Gang-Schlägereien dargestellt wird, auf einem Spitzenplatz: Gemäss Wüest Partner ist Spreitenbach die bestbewertete Gemeinde mit mehr als 10'000 Einwohnern in der Zürcher Agglomeration. Und mit dem Tivoli Garten entstehen in einem der grössten Immobilienprojekte der Schweiz gerade 450 neue Wohnungen.

Abgehängte Bergdörfer

Die Verlierer sind die Bergdörfer in Graubünden und im Wallis: Sie sind schlecht an die grossen Zentren angebunden und können wegen Wohnungsknappheit auch nicht mit tiefen Mietkosten oder Häuserpreisen punkten. Das sind die Gemeinden mit den tiefsten Lebenshaltungskosten in acht Schweizer Grossregionen:

Grossraum Zürich
Spreitenbach AG
Zell ZH
Dällikon ZH

Nordwestschweiz
Rheinfelden AG
Mellingen AG
Wohlen AG

Ostschweiz
Sirnach TG
Aadorf TG
Felben-Wellhausen TG

Grossraum Bern
Lyss BE
Belp BE
Grenchen SO

Innerschweiz
Altishofen LU
Hohenrain LU
Rickenbach LU

Grossraum Genfersee
Bottens VD
Rennaz VD
Aigle VD

Rest-Westschweiz
Wünnewil-Flamatt FR
Düdingen FR
Ried bei Kerzers FR

Südschweiz
Bellinzona
Agno TI
Vionnaz VS

Weiterlesen - ein Beitrag publiziert am 31.03.2024 auf blick.ch

Bürgerliche wollen Witwenrenten kappen

Lebenslange Witwen- und Witwerrenten soll es nicht mehr geben. Der Bundesrat will künftig alle Verwitweten gleich behandeln – und sparen. Bei den Bürgerlichen kommt das gut an, während die SP die eigenen Bundesräte kritisiert.

Mit der 13. AHV-Rente steht bei der Altersvorsorge ein Ausbau in Milliardenhöhe an. Doch der Bundesrat wälzt auch Sparpläne in der AHV: Die Hinterlassenenrenten will er massiv beschränken und so bis 2040 jährlich gegen eine Milliarde Franken bei der AHV einsparen. Witwen sollen nämlich künftig keine lebenslangen Hinterlassenenrenten mehr erhalten. Eine Rente erhalten sie nur noch bis zum 25. Geburtstag des jüngsten Kindes. Länger nur, wenn ein erwachsenes Kind mit Behinderung betreut wird. Verwitwete Frauen und Männer werden gleichgestellt: Neu würden die Gelder anhand der Betreuungs- und Erziehungszeit ausbezahlt – unabhängig vom Geschlecht und vom Zivilstand der Betroffenen. Laufende Renten für Witwen ab 55-jährig bleiben demnach zwar bestehen. Jüngeren Verwitweten ohne unterhaltsberechtigte Kinder soll die heutige Rente nach einer Übergangsphase von zwei Jahren gestrichen werden, das sieht die Revision vor, die bis heute Freitag in der Vernehmlassung ist. Sie wurde vom früheren SP-Bundesrat Alain Berset (51) aufgegleist.

FDP gegen Rente für Unverheiratete

Bei den Bürgerlichen stösst der Abbau der Witwenrenten auf offene Türen. Die FDP erachtet die Vorlage als ausgewogen. «Sie eliminiert die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen, sieht gezielte Überbrückungsleistungen vor und berücksichtigt Härtefälle», schreibt die Partei. Allerdings wehrt sie sich dagegen, dass neu auch unverheiratete Personen eine Witwenrente erhalten sollen. Es stehe jedem frei, ob er heiraten wolle oder nicht. Wer darauf verzichte, verzichte auch auf den «speziellen Schutz einer Ehe». Und bei einer Wiederheirat soll der Anspruch auf eine Witwenrente ganz erlöschen, so die FDP.

Witwen und Witwer sollen gleichbehandelt werden

Die SVP erachtet die Abschaffung der lebenslänglichen Witwenrente «als längst fälligen Schritt». Angesichts der demografischen Entwicklung mit einem sich verschärfenden Fachkräftemangel und einer stetig steigenden Erwerbsbeteiligung der Frauen sei «eine solche lebenslange Unterhaltszahlung aufgrund geschlechtsspezifischer Zuschreibungen nicht mehr zeitgemäss».

Mitte will Übergangsrente anpassen

Auch die Mitte stellt sich grundsätzlich hinter die Vorlage, fordert aber Anpassungen. Zentral ist für die Partei, «dass faire Übergangsbestimmungen festgelegt, altersbedingte Umstände berücksichtigt und Besitzstandsgarantien für ältere Witwen gewährt werden». So regt sie an, die zweijährige Übergangsrente auch an kinderlose Hinterbliebene auszurichten. Auf diesen Punkt legt auch die Sozialdirektoren-Konferenz den Finger, seien auch Hinterbliebene ohne Kinder in einer schwierigen Situation, in welcher ihnen, während einer gewissen Zeit, finanzieller Schutz geboten werden sollte.

Linke läuft Sturm

Die Linke hingegen läuft Sturm gegen die Sparübung, für die nun die neue SP-Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider (60) zuständig ist. Zwar stösst das Gleichstellungs-Ziel auch im links-grünen Lager auf Zustimmung. Doch der SP stösst sauer auf, dass die Reform zu einem finanziellen Abbauprogramm umfunktioniert werde. Gespart werde «auf dem Buckel von jenen Menschen, die so oder so bereits durch einen Schicksalsschlag in einer prekären Situation sind» – und vor allem «auf Kosten der Frauen», deren Leistungen gekürzt würden. Ihr Fazit: «Eine Sparvorlage ist kein gleichstellungspolitischer Fortschritt.» Die Partei fordert daher verschiedene Anpassungen, wie etwa eine Besitzstandgarantie für laufende Renten oder eine Ausdehnung für Übergangsrenten.

Pro Familia dagegen

Widerstand kommt auch von der Organisation Pro Familia. Sie verweist darauf, dass es immer noch die Mütter sind, welche den grösseren Teil der Kinderbetreuung übernehmen und daher öfter die Erwerbstätigkeit reduzieren als die Väter. Der Bundesrat blende das reale Leben der Frauen hierzulande aus. Für Pro Familia ist klar: «Diese Reform wird auf dem Rücken der Frauen ausgetragen und entspricht nicht der wirtschaftlichen Realität der Schweiz.» Nach der Auswertung der Rückmeldungen dürfte Baume-Schneider noch dieses Jahr eine konkrete Vorlage ins Parlament einbringen: Die Reform soll möglichst schon 2026 in Kraft treten.

Weiterlesen - ein Beitrag von Ruedi Studer erschienen am 29.03.2024 auf blick.ch

SRF DOK: Arm in der Schweiz – Betroffene erzählen

Sie sind mitten unter uns, aber man kennt sie kaum – Armutsbetroffene in der Schweiz. Gemäss Statistik leben 745'000 unter dem Existenzminimum. Wer sind die Menschen hinter dieser Zahl? In diesem Film erzählen sie, trotz Scham, ihre Lebensgeschichten.

Für viele ist es schlicht nicht vorstellbar, dass es in einem der reichsten Länder der Welt Menschen gibt, die jeden Rappen umdrehen müssen. Menschen, die oft nicht wissen, ob etwas zu essen auf den Tisch kommt, weil es hinten und vorne nicht reicht. Menschen, die sich kein Zugticket leisten können – von Kinobesuchen oder einem Restaurantbesuch ganz zu schweigen. In der Schweiz steigt die Armut stetig an. Die Betroffenen schweigen, weil sie sich schämen. Nicht in diesem Film. Hier erzählen sie ihre Geschichten, ungeschminkt und ohne Tabus. «DOK« begleitet sie über ein halbes Jahr. Was sind ihre grössten Kämpfe? Welche Unterstützung bekommen sie? Und welche nicht? Welche Wünsche und Ziele haben sie? Es sind unterschiedliche Menschen aus der ganzen Deutschschweiz: vom Frührentner über eine vierköpfige Familie, dem Obdachlosen, bis hin zur Rettungssanitäterin, die sagt: Ich führte ein Luxusleben. Dann hatte ich einen Unfall. Quelle: SRF, Erstausstrahlung: 28.03.2024

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