Stark angestiegen sind nur die Löhne der Topverdienenden

Es ist erst Frühling, doch die Gewerkschaften bereiten sich schon auf den Lohnherbst vor. Sie fordern deutlich mehr Lohn, und zwar für alle, nicht nur für Gutverdienende.

 Die Lohnschere habe sich bedenklich geöffnet, sagt der Chefökonom des Gewerkschaftsbunds, Daniel Lampart: «Leute mit unteren und mittleren Einkommen haben heute nach Abzug der Teuerung weniger Geld zum Leben als vor einigen Jahren. Umgekehrt ist es bei den Topverdienern steil aufwärts gegangen. Die haben bis zu 3000 Franken pro Monat mehr zur Verfügung, auch wenn man die Teuerung abzieht.» Alljährlich veröffentlicht der Gewerkschaftsbund seinen sogenannten Verteilungsbericht zu den Löhnen. Die jüngste Ausgabe zeigt: Die niedrigen und mittleren Löhne kamen – preisbereinigt, also real, nach Abzug der Teuerung – in den vergangenen zehn Jahren kaum vom Fleck. Zuletzt sind sie sogar gesunken.

Preisanstiege seit 2021

Allerdings hat das stark mit der Teuerung ab 2021 zu tun. Durch sie wurden die Lohnzuwächse auf dem Papier – je nach Branche – mehr oder weniger aufgefressen. Das hat kürzlich auch die Lohnstatistik des Bundes festgehalten. Seit der Covid-Pandemie und dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs gingen die Preise markant nach oben, beispielsweise für Energie. Je nach Einkommenshöhe wirkt sich dies unterschiedlich aus. Die Teuerung trifft die Geringverdienenden besonders hart. Sie müssen – anteilsmässig – viel mehr Geld ausgeben für die Dinge des täglichen Bedarfs als die Top-Verdienenden. Darum fordert Gewerkschaftsökonom Daniel Lampart von den Arbeitgebern mehr Entgegenkommen. «Wir mussten in den letzten Jahren feststellen, dass die Lohnverhandlungen härter sind. Wir haben Arbeitgeber zum Beispiel im Baugewerbe, die sogar keinen Teuerungsausgleich mehr geben, obwohl es ihnen gut geht. Diese neue Härte macht uns grosse Sorgen. Wir werden uns jetzt in der Lohnrunde darauf vorbereiten. Aber das heisst, die Lohnverhandlungen sind nicht mehr wie früher, es herrscht ein anderer Ton.»

Rauerer Umgangston

Lampart erwartet einen heissen Lohnherbst. Darauf angesprochen, kontert sein Gegenüber, der Chefökonom des Arbeitgeberverbands, Simon Wey: «Ich habe diesen härteren Umgangston auch gehört. Trotzdem, die Firmen müssen zuerst immer auch das Geld erarbeiten. Die wirtschaftliche Situation muss es zulassen, und dann kann man auch höhere Löhne bezahlen.» Wey widerspricht Lampart auch bei der Analyse des Problems: Es fehle nicht am guten Willen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber: «Wir haben das Problem viel weniger bei den Lohnerhöhungen als bei der Teuerung. Und diese ist von den Firmen nicht wirklich zu beeinflussen, im Gegenteil, diese Teuerung drückt auch bei den Firmen auf die Marchen.» Dass aber unter den Reallohnverlusten vor allem jene leiden, die wenig verdienen, räumt auch der Arbeitgebervertreter ein. Dies ist unumstritten, im Gegensatz zur Frage, wie stark die Löhne nun steigen sollen. 

Rendez-vous, 29.04.2024, 12:30 Uhr
SGB-Verteilungsbericht

 

Gelder fliessen stärker in EL und Sozialhilfe ab: Weniger Prämienverbilligung für Familien

5,4 Milliarden Franken geben Bund und Kantone für die Prämienverbilligung aus. Doch mittlerweile fliesst der grössere Anteil davon in die Bereiche Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe. Damit stehe weniger Geld für Familien zur Verfügung, monieren die Gewerkschaften.

Nach dem historischen Abstimmungserfolg bei der 13. AHV-Rente liegt für die Linke der nächste Sensationssieg in Griffweite. Satte 60 Prozent würden gemäss jüngsten Umfragen der Prämienentlastungs-Initiative der SP derzeit zustimmen. Im Trockenen ist ein Ja aber noch lange nicht, nimmt die Zustimmung zu Volksinitiativen doch erfahrungsgemäss ab, je näher der Abstimmungstermin rückt. Die SP will den Schwung in die heisse Phase mitnehmen und erhält nun von den Gewerkschaften zusätzlichen Support. So wird der Gewerkschaftsbund am Montag seinen neuen Verteilungsbericht zur Lohn- und Einkommensentwicklung vorstellen – und dabei auch die Auswirkungen auf die Krankenkassenprämien beleuchten. 

Die Nominallöhne sind im Jahr 2023 um 1,7% gestiegen, die Reallöhne um 0,4% gesunken

Der Nominallohnindex stieg im Jahr 2023 gegenüber 2022 um durchschnittlich 1,7% auf 102,4 Punkte (Basis 2020 = 100). Gemäss den Berechnungen des Bundesamtes für Statistik (BFS) ergibt sich unter Einbezug einer durchschnittlichen Jahresteuerung von +2,1% bei den Reallöhnen ein Rückgang um 0,4% (96,9 Punkte, Basis 2020 = 100).

2023 erhöhten sich die Nominallöhne gegenüber dem Vorjahr durchschnittlich um 1,7% (2022: +0,9%; 2021: -0,2%; 2020: +0,8%; 2019: +0,9%). Bei den wichtigsten Gesamtarbeitsverträgen (GAV), denen gut 655 000 Arbeitnehmende angeschlossen sind, wurde für 2023 kollektivvertraglich eine Effektivlohnerhöhung (Nominallöhne) von +2,1% vereinbart.

Der insbesondere durch die höheren Strom- und Gaspreise sowie Wohnungsmieten versursachte Anstieg des Preisniveaus führte Ende 2023 zu einer Teuerung von +2,1%. Die Kaufkraft der Löhne, die sich aus der Anpassung der Nominallöhne an die Inflation ergibt, verringerte sich in der Folge um 0,4%.

Nominallöhne im sekundären Sektor um 2,1% gestiegen

Insgesamt fiel die Erhöhung der Nominallöhne leicht geringer aus als die durchschnittliche Jahresteuerung 2023 (+2,1%). Im Industriesektor (sekundärer Sektor) erhöhten sich die Nominallöhne um durchschnittlich 2,1% und damit stärker als in der Schweizer Gesamtwirtschaft (+1,7%). In den einzelnen Wirtschaftszweigen dieses Sektors entwickelten sich die Löhne sehr unterschiedlich (+2,9% bis -0,4%).

Die stärksten nominalen Zunahmen waren in den Wirtschaftszweigen «Herstellung von Metallerzeugnissen» (+2,9%), «Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten und elektrischen Ausrüstungen, Optik, Uhren» (+2,8%) sowie «Maschinen- und Fahrzeugbau» (+2,6%) zu verzeichnen. Am anderen Ende der Skala wurden beispielsweise im Wirtschaftszweig «Kokerei und Mineralölverarbeitung, Herstellung von chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen» (+0,9%) eine moderatere und im Wirtschaftszweig «Sonstige Herstellung von Waren, Reparatur und Installation» sogar eine negative Lohnentwicklung registriert (-0,4%).

Nominallöhne im tertiären Sektor um 1,6% gestiegen

Im Dienstleistungssektor nahmen die Nominallöhne mit durchschnittlich +1,6% etwas weniger stark zu als im Industriesektor. Analog zum sekundären Sektor entwickelten sich die Löhne in den einzelnen Wirtschaftszweigen des tertiären Sektors sehr unterschiedlich. Der «Detailhandel» folgte dem allgemeinen Anstieg der Nominallöhne (+1,7%), während in den Wirtschaftszweigen «Verlagswesen, audiovisuelle Medien und Rundfunk, Telekommunikation» (+2,2%), «Handel und Reparatur von Motorfahrzeugen» (+2,5%) sowie «Öffentliche Verwaltung» (+3,6%) markantere Zunahmen zu verzeichnen waren. Demgegenüber blieben die Nominallöhne im Wirtschaftszweig «Gesundheitswesen, Heime und Sozialwesen» relativ stabil (+0,1%) und gingen in den «Freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Tätigkeiten» leicht zurück (-0,6%).

Reallohnrückgang um 0,4%

Die Kaufkraft der Löhne nahm aufgrund der weiterhin hohen durchschnittlichen Inflation im Jahr 2023 (+2,1%) um 0,4% ab. Die Reallohnentwicklung bewegte sich 2023 zwischen -2,7% und +1,5%. Diese grosse Bandbreite unterstreicht die Vielfalt der Lohndynamik in den einzelnen Wirtschaftszweigen. 2023 blieb die Kaufkraft der Löhne im sekundären Sektor stabil (durchschnittlich +0,0%), während sie im tertiären Sektor zum dritten Mal in Folge zurückging (2023: -0,5%; 2022: -1,8%; 2021: -0,7%).

Leicht stärkere Nominallohnerhöhung bei den Frauen 

Über alle Wirtschaftszweige hinweg erhöhten sich die Nominallöhne der Frauen im Jahr 2023 durchschnittlich um 1,8%, jene der Männer um 1,7%. 

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Il Quotidiano Reportage vom 25.04.2024: Appell an die Gemeinden

Bei Minute 30.39 finden Sie den Bericht, der am 25.04.2024 in Il Quotidiano della RSI erschienen ist. 2‘212 Unterschriften wurden vom Verein FAFTplus gesammelt, um von den Gemeinden bezahlbare Kinderkrippen, Vor- und Nachmittagsbetreuung und Schulkantinen zu fordern. Während der Veranstaltung wurden einige Ergebnisse des Schweizer Familienbarometers vorgestellt, um das konkrete Bedürfnis der Familien nach erschwinglicheren ausserfamiliären Betreuungsangeboten zu verdeutlichen: Die Kosten dafür wären nämlich der Hauptgrund, sie nicht zu nutzen. Ebenfalls anwesend war Philippe Gnaegi, Direktor von Pro Familia Schweiz, der betonte, wie externe Kinderbetreuungsdienste insbesondere den Frauen ermöglichen, auf dem Arbeitsmarkt aktiv zu bleiben und damit auch zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region und des Landes beizutragen.

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Immer mehr Mietzinse übersteigen ein Drittel des Lohns: Jeder dritte Mieter hätte bei Kündigung ein Problem

Kündigt der Eigentümer den Mietvertrag, dürfte in vielen Miethaushalten der Angstschweiss fliessen. Eine aktuelle Immobilienstudie zeigt: Jeder dritte Haushalt könnte sich keine vergleichbare ausgeschriebene Wohnung leisten.

Den Traum vom Eigenheim ist für die meisten Menschen in der Schweiz mittlerweile zum Fiebertraum geworden. Auch die Suche nach einer bezahlbaren Mietwohnung gleicht für immer mehr einem Albtraum. Der Schweizer Mietwohnungsmarkt gebe «hinsichtlich sozialer Nachhaltigkeit derzeit kein gutes Bild ab». Zu diesem Fazit kommt nicht etwa die SP oder der Mieterinnen- und Mieterverband, sondern die Zürcher Immobilienberatung Wüest Partner, die für nüchterne Analysen bekannt ist. Die Verfügbarkeit von Wohnungen oder die Bezahlbarkeit von Wohnraum nach einem Umzug haben sich in den letzten Jahren zuungunsten der Mieterinnen und Mieter entwickelt, heisst es im neuen Report von Wüest Partner. Und die Problematik verschärft sich weiter: Die aktuellsten Daten aus dem 1. Quartal 2024 zeigen, dass die Angebotsmieten – zu denen Mietwohnungen inseriert werden – im Jahresvergleich schweizweit um rund 6 Prozent zugenommen haben. «Damit hat sich der Anstieg der Angebotsmieten nochmals beschleunigt», sagt Immobilienexperte Robert Weinert (45).

In diesen Kantonen wäre ein Umzug finanziell am schwierigsten

Das stellt Haushalte vor Probleme, falls ihre Mietwohnung abgerissen oder kernsaniert wird oder Vermieter Eigenbedarf anmelden. 28 Prozent der Haushalte müssten nach einem Umzug für eine vergleichbare Wohnung zur Angebotsmiete neu mehr als ein Drittel ihres Bruttolohns zahlen. Im Kanton Waadt sind es 36 Prozent, in Zürich 37 Prozent und in Zug 40 Prozent. In den meisten Fällen berücksichtigen Verwaltungen keine Bewerbungsdossiers, aus denen hervorgeht, dass der potenzielle Mieter mehr als ein Lohn-Drittel für die Miete berappen müsste. Folglich könnten sich diese Haushalte einen Umzug innerhalb des Kantons ohne Glück bei der Wohnungssuche gar nicht leisten. Am härtesten trifft es die Mieterinnen und Mieter im Kanton Genf, wo die Miete bei 56 Prozent der Menschen über die Ein-Drittel-Regel springen würden. «Der Unterschied zwischen den Bestandes- und Angebotsmieten ist in Genf besonders gross», weiss Weinert.

Einpersonenhaushalte besonders betroffen

Natürlich gibt es zwischen den verschiedenen Haushaltstypen grosse Unterschiede. Bei Alleinerziehenden oder allein lebenden Rentnern müssten bei einem Umzug mehr als die Hälfte über 33 Prozent ihres Bruttoeinkommens für die Miete ausgeben – und das für eine mittelgrosse Wohnung für den jeweiligen Haushaltstyp. Zur Einordnung: 40 Prozent der Haushalte in der Schweiz können sich gemäss der Ein-Drittel-Regel eine Bruttomiete von höchstens 1750 Franken leisten. Das ergibt ein Bruttoeinkommen von 5250 Franken oder weniger. Oft handelt es sich um Singlehaushalte oder Alleinerziehende. Wüest Partner stützt sich bei der Auswertung auf Daten der Strukturerhebung des Bundesamtes für Statistik, auf das eigene Kaufkraftmodell sowie inserierte Angebotsmieten. Sozialtransfers oder Vermögen wurden dabei nicht berücksichtigt und würden das düstere Bild ein wenig mildern. Viele einkommensschwache Haushalte erhalten Ergänzungsleistungen, und viele Rentnerhaushalte verfügen über Vermögen. Wer als Normalverdiener ein Drittel seines Einkommens für die Miete ausgibt, muss stark auf seine Finanzen achten. Der Dachverband Budgetberatung empfiehlt, nicht mehr als einen Viertel des Nettoeinkommens für die Miete aufzuwenden – gerade bei Familien mit tiefem Einkommen.

Fast jede dritte Familie hätte ein Problem

Auch 28 Prozent der Paare mit Kindern würden bei einem Umzug über die Drittel-Grenze springen. Bei einer Familie mit zwei Kindern und 10'000 Franken Bruttoeinkommen wären das rund 3300 Franken pro Monat. In Zürich, Genf oder Zug werden zahlreiche 4,5-Zimmer-Wohnungen zu deutlich höheren Mieten inseriert. Einiges entspannter sieht die Situation für Zweipersonenhaushalte aus, unabhängig davon, ob die Leute noch im Erwerbs- oder im Pensionsalter sind. Hier sind es etwa zehn Prozent, die nach einem Wohnungswechsel mehr als 33 Prozent des Haushaltseinkommens an den Vermieter überweisen müssten.

Viele zahlen mehr als einen Drittel des Lohns für Miete

Die Auswertungen von Wüest Partner zeigen, dass auch bestehende Haushalte bereits oft mehr als einen Drittel ihres Bruttoeinkommens für die Miete aufwenden müssen – gerade in den urbanen Zentren Zürich, Genf, Lausanne oder Basel trifft dies auf mehr als 22,5 Prozent der Haushalte zu. An der Goldküste am Zürichsee, in steuergünstigen Gemeinden im Kanton Schwyz sowie in gewissen Gebieten im Baselbiet sind es bis zu 30 Prozent der Haushalte. Im Kanton Tessin gibt es regional gar deutlich über 30 Prozent solche Haushalte. Das liegt zum einen am niedrigeren Lohnniveau und dem hohen Anteil an Rentnerhaushalten. Im landesweiten Mittel belastet die Miete den Bruttolohn mit 21,9 Prozent. Für eine höhere soziale Nachhaltigkeit auf dem Schweizer Mietwohnungsmarkt sieht Immobilienexperte Weinert vor allem ein Mittel: «Die Neubautätigkeit ist ein entscheidender Faktor. Kürzere Bewilligungsverfahren und ein Abbau der Regulierungsdichte beim Wohnungsbau würden helfen.»

Weiterlesen - ein Beitrag von Martin Schmidt erschienen am 25.04.2024 auf blick.ch

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