Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen im Zehnjahresvergleich deutlich gestiegen

Zwischen 2011 und 2021 ist die Erwerbsquote in der Schweiz insgesamt um 1,6 Prozentpunkte auf 83,7% gestiegen, dabei haben die 55- bis 64-Jährigen stark zugelegt (+5,9 Prozentpunkte). Die Teilzeiterwerbstätigkeit hat bei den Männern zugenommen, während sie bei den Frauen stabil geblieben ist. 2021 teilten sich knapp 10% der teilzeiterwerbstätigen Arbeitnehmenden ihre Stelle mit einer anderen Person (Jobsharing). Dies geht aus der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) hervor.

2021 belief sich die Erwerbsquote (Anteil Erwerbspersonen an der Bevölkerung) der 15- bis 64-Jährigen in der Schweiz auf 83,7%, was gegenüber 2011 einer Zunahme von 1,6 Prozentpunkten entspricht. Im Berichtszeitraum war die höchste Erwerbsbeteiligung allerdings 2019 zu verzeichnen (84,3%), danach ist sie während der Covid-19-Pandemie leicht gesunken (2020: 84,1%). Die Quote liegt bei den Männern höher als bei den Frauen (87,5% gegenüber 79,7%), die Geschlechterdifferenz hat sich die letzten zehn Jahre jedoch verringert (von 11,5 Prozentpunkten auf 7,8 Prozentpunkte).

Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen nimmt am stärksten zu

Zwischen 2011 und 2021 stieg die Erwerbsbeteiligung bei den 55- bis 64-Jährigen am stärksten an (+5,9 Prozentpunkte auf 75,8%), wobei auch bei dieser Altersgruppe zwischen 2020 und 2021 ein Rückgang stattgefunden hat (2020: 76,5%). Personen der mittleren Altersgruppen nehmen zwar häufiger am Erwerbsleben teil, die Zunahme war zwischen 2011 und 2021 aber weniger stark ausgeprägt (25- bis 39-Jährige: +1,9 Prozentpunkte auf 91,2%, 2020: 91,6%; 40- bis 54-Jährige: +1,4 Prozentpunkte auf 90,2%, 2020: 90,8%). Eine ähnliche Entwicklung ist für die 65- bis 74-Jährigen zu beobachten, allerdings mit viel tieferer Erwerbsbeteiligung: die Erwerbsquote stieg um 1,8 Prozentpunkte auf 17,1% im Jahr 2021 (2020: 17,8%). Bei den 15- bis 24-Jährigen war hingegen ein Rückgang um 3,2 Prozentpunkte auf 65,4% zu verzeichnen (2020: 65,0%). 

Alter beim Austritt aus dem Arbeitsmarkt liegt bei 65,1Jahren

Das Durchschnittsalter beim Austritt aus dem Arbeitsmarkt lag 2021 bei 65,1 Jahren. Im Zehnjahresvergleich entspricht dies einer Zunahme von 0,2 Jahren; der Höchstwert wurde 2017 verzeichnet (65,8 Jahre). Männer treten im Durchschnitt später aus dem Arbeitsmarkt aus als Frauen (2021: 65,6 gegenüber 64,5 Jahre). Beim hier präsentierten Indikator reicht eine Arbeitsstunde pro Woche, um auf dem Arbeitsmarkt als aktiv zu gelten. Ein bedeutender Anteil der Erwerbstätigen reduziert in einem ersten Schritt den Beschäftigungsgrad, bevor sie inaktiv werden. Zählt man einen Rückgang des Beschäftigungsgrads auf unter 50% auch als Rückzug aus dem Arbeitsmarkt, liegt das durchschnittliche Austrittsalter entsprechend tiefer (63,7 Jahre).

2021 entfielen auf 100 Erwerbspersonen im Alter von 20 bis 64 Jahren 36,2 Personen ab 65 Jahren. In den vergangenen zehn Jahren führte die demografische Alterung trotz der zunehmenden Arbeitsmarktbeteiligung zu einem raschen Anstieg dieses Verhältnisses (+11%). 2011 kamen lediglich 32,7 Personen ab 65 Jahren auf 100 Erwerbspersonen im Alter von 20 bis 64 Jahren. 

Fast drei von fünf erwerbstätigen Frauen arbeiten Teilzeit

Die Teilzeiterwerbstätigkeit ist in der Schweiz bei Frauen stark verbreitet. 2021 arbeiteten 57,5% der 15- bis 64-jährigen erwerbstätigen Frauen Teilzeit. Männer sind rund viermal seltener teilzeiterwerbstätig (insgesamt 15,5% der gleichaltrigen Männer). Zwischen 2011 und 2021 stieg der Teilzeitanteil bei Männern um 3,8 Prozentpunkte; bei den Frauen war die Entwicklung mit +0,5 Prozentpunkten praktisch stabil. 

Knapp 30% der Frauen nennen die Kinderbetreuung als Teilzeitgrund

Verschiedene Gründe können dazu führen, dass eine Person zu einem reduzierten Beschäftigungsgrad tätig ist. Bei den Frauen gilt die Kinderbetreuung als meistgenannter Grund für diese Beschäftigungsform (28,7% der teilzeiterwerbstätigen Frauen), gefolgt von anderen familiären und persönlichen Verpflichtungen (19,9%). Bei Männern hat die Aus- und Weiterbildung am meisten Gewicht (19,3%). Kinderbetreuung (10,3%) sowie andere familiäre und persönliche Verpflichtungen (7,8%) werden weniger genannt als bei den Frauen. Der Anteil der Personen, die kein Interesse an einer Vollzeittätigkeit haben, ist bei Frauen und Männern gleich (Frauen: 16,0%, Männer: 15,9%). 

Jede zehnte teilzeiterwerbstätige Frau im Jobsharing

2021 arbeiteten 9,6% der teilzeiterwerbstätigen Arbeitnehmenden bzw. 3,6% aller Arbeitnehmenden im Jobsharing (2016: 9,8% bzw. 3,7%). Dabei wird eine Stelle und deren Verantwortlichkeiten zwischen zwei teilzeiterwerbstätigen Personen geteilt und im Allgemeinen gibt es nur eine Stellenbeschreibung. Frauen teilen sich häufiger eine Stelle mit einer anderen Person als Männer (10,3% der teilzeiterwerbstätigen Frauen verglichen mit 7,1% der teilzeiterwerbstätigen Männer).

Jobsharing: grosse Unterschiede nach Wirtschaftsbranche

Jobsharing findet in der Wirtschaftsbranche «Erziehung und Unterricht» überdurchschnittlich oft statt, gefolgt vom «Gastgewerbe» (18,8% bzw. 12,8% der teilzeiterwerbstätigen Arbeitnehmenden). In den restlichen Branchen arbeitet weniger als jede zehnte Person im Jobsharing; dabei reicht die Spannweite von 9,5% in der Branche «Immobilien, sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen» bis knapp 5% in der Branche «Information und Kommunikation».

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Bundesrat engagiert sich für eine Arbeitswelt frei von Gewalt und Belästigung

Der Bundesrat hat am 18. Mai 2022 eine Botschaft zur Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 190 der Internationalen Arbeitsorganisation von 2019 über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt verabschiedet. Das Übereinkommen enthält die erste international vereinbarte Definition von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt. Es schafft die Rahmenbedingungen, um sich weltweit kohärenter und solidarischer für menschenwürdige Arbeit zu engagieren.

Mit der Ratifizierung des Übereinkommens bekräftigt die Schweiz die Notwendigkeit, das Recht jeder Person auf eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung zu respektieren, zu fördern und zu verwirklichen. Das Übereinkommen sieht ein gesetzliches Verbot von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt vor, sowie Massnahmen zur Prävention und Unterstützungs- und Abhilfemassnahmen für Opfer.

Das Übereinkommen Nr. 190 wurde anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Internationalen Arbeitsorganisation zusammen mit der Jahrhunderterklärung für die Zukunft der Arbeit 2019 verabschiedet. Die beiden Instrumente stellen einen wichtigen Schritt zur Stärkung des Mandats und der Tätigkeit der Internationalen Arbeitsorganisation in der Förderung menschenwürdigen Arbeit weltweit dar. Der Bundesrat hat der Bundesversammlung einen Bericht zur Jahrhunderterklärung vorgelegt.

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Bundesrat ist für Verlängerung des Impulsprogramms zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung

Das Impulsprogramm des Bundes zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung soll bis höchstens Ende 2024 verlängert werden. Der Bundesrat hat sich an seiner Sitzung vom 18. Mai 2022 mit einem entsprechenden Antrag der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats einverstanden erklärt.

Die drei Unterstützungsmassnahmen des Bundes zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung laufen in absehbarer Zeit aus. Die Finanzhilfen für die Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder («Impulsprogramm») können noch bis am 31. Januar 2023 gewährt werden. Die zusätzlichen Instrumente zur finanziellen Entlastung der Eltern und zur besseren Abstimmung des Betreuungsangebots an die Bedürfnisse der Eltern bleiben noch bis am 30. Juni 2023 in Kraft.

Mit ihrer parlamentarischen Initiative «Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung» (21.403) strebt die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) die Ablösung und Überführung des laufenden Impulsprogramms in eine stetige Unterstützung an. Weil die Erarbeitung der Nachfolgelösung länger dauert, als die laufenden Fördermassnahmen in Kraft sind, hat die Kommission die parlamentarische Initiative «Verlängerung der Bundesbeiträge an die familienergänzende Kinderbetreuung bis Ende des Jahres 2024» (22.403) eingereicht. Sie verlangt die Verlängerung des gegenwärtigen Gesetzes, bis das neue in Kraft ist, längstens jedoch bis Ende 2024. Eine Erhöhung der laufenden Verpflichtungskredite wäre aufgrund der Verlängerung nicht erforderlich.

Bundesrat ist mit Verlängerung einverstanden

Nach Auffassung des Bundesrates ist das Impulsprogramm ein Erfolg und entspricht einem Bedarf. Es ermöglicht die Schaffung zahlreicher Betreuungsplätze, die auch nach der anfänglichen finanziellen Unterstützung durch den Bund Bestand haben. Mit den weiteren Förderinstrumenten hat der Bund Anreize dafür geschaffen, dass die Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung sinken und dass das Betreuungsangebot besser auf die Bedürfnisse der Eltern abgestimmt wird. In seiner Stellungnahme weist der Bundesrat darauf hin, dass ein ausreichendes, kostengünstiges, lückenloses und auf die Bedürfnisse der Eltern abgestimmtes Betreuungsangebot eine Voraussetzung dafür ist, dass sich die Eltern, insbesondere die Mütter, verstärkt am Arbeitsmarkt beteiligen können. Das ist eine wichtige Massnahme gegen den Fachkräftemangel.

Der Bundesrat hatte sich aufgrund der Zuständigkeit der Kantone stets für eine zeitliche Befristung der Bundesbeiträge in diesem Bereich ausgesprochen. Mit Blick auf seine Prioritäten in der Familien-, Gleichstellungs- und Fachkräftepolitik und auf die laufenden Arbeiten im Parlament an einer Nachfolgeregelung erachtet er eine Verlängerung des Impulsprogramms bis höchstens Ende 2024 jedoch als gerechtfertigt. Zur Nachfolgeregelung, an welcher die WBK-N arbeitet, wird der Bundesrat zu gegebener Zeit Stellung nehmen.

Impuls- und Förderprogramm: Zwei Erfolgsgeschichten

Auf der Grundlage des Bundesgesetzes über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung (KBFHG) fördert der Bund die Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder, um den Eltern eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung zu ermöglichen. Das Gesetz ist am 1. Februar 2003 in Kraft getreten. Bis am 1. Februar 2022 hat der Bund die Schaffung von 68’490 Plätzen unterstützt. Bislang ist der Bund dafür Verpflichtungen von insgesamt 430 Millionen Franken eingegangen.

Per 1. Juli 2018 wurde das KBFHG um zwei neue Förderinstrumente erweitert: Der Bund kann zum einen Kantone und Gemeinden mit Finanzhilfen unterstützen, die ihre Subventionen für die familienergänzende Kinderbetreuung erhöhen, um die Kosten der Eltern für die familienergänzende Kinderbetreuung zu senken. Zum anderen kann der Bund einen Beitrag an Projekte leisten, die das Betreuungsangebot besser auf die Bedürfnisse der Eltern abstimmen. Bis am 1. Februar 2022 haben 14 Kantone ein Gesuch für eine Bundesbeteiligung an Subventionserhöhungen eingereicht, mit denen Finanzhilfen in der Höhe von rund 146 Millionen Franken beantragt werden. Für Projekte zur besseren Abstimmung des Angebots auf die Bedürfnisse der Eltern wurden bisher 6 Gesuche im Umfang von insgesamt rund 2,2 Millionen Franken bewilligt.

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Neue „Insa“-Studie: So zufrieden sind Familien in Deutschland

Wie hat sich die Pandemie auf den Familienzusammenhalt ausgewirkt? Sind Paare ohne Kinder glücklicher? Eine breit angelegte Studie zeigt, wie wichtig die Familie für die Gesellschaft ist.

Intakte Familien bleiben das Rückgrat der Gesellschaft. Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungs- und Forschungsinstituts „Insa“ ergeben hat, sagen Dreiviertel der Befragten, dass die Familie sich positiv auf ihre Zufriedenheit auswirkt. Zudem bereichern demnach Kinder das Leben der Befragten. Es soll sich um die aktuell umfangreichste und größte Erhebung in Deutschland zu Familien handeln; mehr als 10.000 Erwachsene sind online befragt worden. Die Studie zeichnet sich nach eigenen Angaben durch eine differenzierte Sozialdemographie (unter anderem nach Geschlecht, Alter, Bildung) aus. „Der Staat profitiert in hohem Maße von seinen Familien, und sie sind in Krisen belastbar und zufriedener, und sie entlasten den Sozialstaat“, sagt Andrea Heck, Vorsitzende des Elternvereins NRW und Vorstandsmitglied der Stiftung für Familienwerte. Die Familienpolitik müsse wieder zum Kernbereich ihrer Bemühungen zurückkehren, nämlich für den Lebensentwurf Familie zu werben und sie nach Kräften zu unterstützen“, so Heck. Die Ergebnisse der Studie würden für die Attraktivität der Familie sprechen, was ein ausreichender Grund für die junge Generation sein sollte, eine eigene Familie zu gründen. „Sie sollen konsequente und dauerhafte Unterstützung bekommen, wenn Sie sich für dieses Lebensmodell entscheiden“, so die Vorsitzende des Elternvereins.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

  • 72 Prozent aller Befragten geben an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. 76 Prozent mit Kindern und 68 Prozent ohne Kinder.
  • Mitglied in einer Familie zu sein, wurde von 80 Prozent der Befragten als Vorteil und als besonders wichtig eingestuft. Auch dabei schnitten Familien mit Kindern (68 Prozent) besser ab als Familien ohne Kinder (54 Prozent).
  • Die Studie stellt zudem deutlich heraus, dass gerade Familien mit Kindern speziellere Bedürfnisse (72 Prozent) haben.
  • Die Familien sind bereit, auch finanzielle Mehrbelastungen für die eigenen Eltern im Rentenalter zu übernehmen. Die Studie ergab, dass bei Familien mit Kindern 79 Prozent und ohne Kinder 60 Prozent die Eltern unterstützen würden.
  • Die Belastungsprobe des Familienzusammenhalts hat sich auch während der Corona-Pandemie bewährt. 61 Prozent aller Befragten finden, dass sich die Beziehung innerhalb ihrer Familie während der Pandemie weder verbessert noch verschlechtert hat. 21 Prozent sehen sogar eine Verbesserung, lediglich zwölf eine Verschlechterung.
„Die Familie ist kein Auslaufmodell. Sie ist die Grundlage einer zukunftsfähigen und zufriedenen Gesellschaft“, sagt Sylvia Pantel, Geschäfsführerin der Stiftung für Familienwerte.„Gerade in dieser schwierigen Zeit empfinden 80 Prozent der Befragten es als wichtig, Mitglied einer Familie zu sein. Fürsorge, Verantwortung und Zusammenhalt geben Sinn und Sicherheit.“ Demnach zeige die Studie deutlich, dass Familien die tragende Säule der Gesellschaft seien. „Sie müsste endlich der Mittelpunkt politischen Handelns werden. Die Leistung und Arbeit der Familien hat einen unschätzbaren Wert, der höchste Anerkennung verdient“, so Pantel.

Weiterlesen - ein Beitrag von Christian Schwerdtfeger erschienen am 18.05.2022 auf https://rp-online.de

 

 

Caritas Schweiz fordert Stärkung der Familienpolitik, um vor Armut zu schützen

Die Armutsgrenze in der Schweiz ist sehr tief angesetzt. Für viele Menschen reicht das Einkommen nicht, auch wenn es knapp über der offiziellen Bemessungsgrenze liegt. Davon sind besonders Familien betroffen. Die Ursachen dafür sind strukturell, die Lösungen liegen auf politischer Ebene. Caritas Schweiz fordert daher konkrete Massnahmen auf allen Staatsebenen, um Haushalte knapp über der Armutsgrenze finanziell zu entlasten.

In der Schweiz leben nach offiziellen Zahlen 722 000 Menschen unter der Armutsgrenze. Fast zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung sind also von Armut betroffen - und diese Zahlen stammen noch aus der Zeit vor der Corona-Pandemie. Das Bundesamt für Statistik (BFS) legt diese Armutsgrenze fest und orientiert sich dabei am Existenzminimum der Sozialhilfe. Eine vierköpfige Familie hat gemäss dieser Berechnung insgesamt rund 3 900 Franken im Monat zur Verfügung. Damit muss sie alle Ausgaben des täglichen Bedarfs inklusive Wohnungsmiete decken. Wer auch schon nur 50 Franken mehr im Monat zur Verfügung hat, gilt offiziell nicht mehr als arm. «Das heisst aber noch lange nicht, dass die oder der Betroffene genug Geld zum Leben hat», betont Aline Masé, Leiterin der Fachstelle Sozialpolitik bei Caritas Schweiz am Dienstag vor den Medien. Wenn das Einkommen etwas höher ist als das Existenzminimum in der Sozialhilfe, dann besteht kein Anspruch auf diese Unterstützung.

Familien sind besonders gefährdet


Zusammen mit Forschenden der Berner Fachhochschule hat Caritas Schweiz am Beispiel des Kantons Bern untersucht, wie viele Haushalte sich knapp über der Armutsgrenze in finanziell schwierigen Lebenslagen befinden und welche Haushaltsformen davon besonders betroffen sind. Die Ergebnisse sind eindeutig: Mit jeder in der Untersuchung angenommenen Erhöhung der Armutsgrenze fallen zusätzliche Personen unter die Grenze und gelten dann als «armutsbetroffen». Bei einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage um 500 Franken würde sich in Bern die Armutsquote von 7,7% auf 14,4% verdoppeln.

Die Untersuchung belegt, dass sich in dem kritischen Einkommensbereich knapp über der Armutsgrenze besonders viele Familien befinden: «Statistisch gesehen gelten sie zwar nicht als arm, haben aber trotzdem kaum genug zum Überleben», erläutert Masé die Ergebnisse der Untersuchung. Es sei kein Zufall, dass sich vor allem Familien in finanziell schwierigen Situationen befinden und Alleinerziehende häufig von Armut betroffen sind. Kinder zu haben, bedeute in der Regel weniger Einnahmen und mehr Ausgaben. Die Ursachen dafür sind strukturell. Daher müssen die Lösungen «bei den Rahmenbedingungen ansetzen», so die Leiterin der Caritas-Fachstelle Sozialpolitik. In der Schweiz erhalten Familien sehr wenig Unterstützung vom Staat, dabei «ist eine gut ausgebaute Familienpolitik ein wichtiger Pfeiler der Armutsprävention».

Die Politik ist gefordert

Caritas Schweiz fordert von der Politik Massnahmen, damit Haushalte knapp über der Armutsgrenze finanziell entlastet werden. Der grösste Handlungsbedarf besteht darin, in Familien zu investieren, denn «kostengünstige familienexterne Kinderbetreuungsangebote sind der Schlüssel für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie», betont Andreas Lustenberger, Leiter Politik und Public Affairs bei Caritas Schweiz. Auch müsse der finanzielle Spielraum von Familien gezielt erhöht werden. So genannte Familien-Ergänzungsleistungen, die es bereits in verschiedenen Kantonen gibt, sollten flächendeckend eingeführt werden. Auch das Bildungs- und Weiterbildungsangebot für Erwachsene müsse erweitert werde, damit die Menschen nicht im Tieflohnsegment stecken bleiben.

Bei seinem ersten Auftritt als neuer Direktor der Caritas Schweiz betont Peter Lack: «Wenn wir den Blick nur auf jene Menschen richten, die gemäss Bundesamt für Statistik arm sind, blenden wir die schwierige Lebensrealität all jener aus, die meist knapp über die Runden kommen, aber kaum ihren Bedarf decken können.» Die Lösung sei eine «gezielte finanzielle Entlastung» von Haushalten mit tiefen Einkommen.

Weitere Informationen: Das Positionspapier «Wenn das Geld kaum zum Leben reicht» steht unter www.caritas.ch/positionspapiere zum Download bereit.

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