Individualbesteuerung - Wenn Heiraten sich nicht rechnet

Wer doppelt verdient, zahlt in der Ehe drauf. Junge, gut ausgebildete Paare mit entsprechenden Löhnen überlegen es sich deshalb zweimal, ob sie heiraten sollen. Oder sie lassen es ganz bleiben. Ein individueller Entscheid mit gesellschaftlichen Folgen.

Eigentlich wäre alles perfekt: ein Paar Ende 20, beide klug, beruflich ambitioniert und erfolgreich. Sie möchten zusammen durchs Leben gehen, eine Familie gründen. Und sie möchten das vor Gott und der Gesellschaft offiziell machen. Wäre es nur nicht so verdammt teuer. Camille und Tristan arbeiten beide Vollzeit in der Unternehmensberatung. Beide verdienen gut – und sie können rechnen: «Wir würden derzeit als Verheiratete 10'000 Franken mehr Steuern pro Jahr zahlen», erklärt Camille, «und weil in unserer Branche die Löhne rasch steigen, wären es bald 15'000 Franken. Bei aller Liebe – das ist zu viel.»  Camille und Tristan wären von der Heiratsstrafe betroffen. Als Ehepaar würden sie gemeinsam besteuert, die Löhne würden zusammengezählt. Da beide viel verdienen, würden sie wegen der Progression deutlich mehr Steuern zahlen als im Konkubinat. Das Geld könnten sie anders besser brauchen.

Alterssparen statt Steuerstrafe

Zum Beispiel, indem sie das Geld anlegen. Camille und Tristan haben Ökonomie studiert und kennen den Zinseffekt: «Wenn wir jedes Jahr 10'000 Franken investieren, dann haben wir in 40 bis 50 Jahren ein Vermögen», rechnet Camille vor. Es wäre ihre gegenseitige Absicherung fürs Alter. Denn als unverheiratetes Paar profitieren sie nicht automatisch vom Einkommen des Partners oder der Partnerin, wenn dieser oder diese etwa frühzeitig stirbt. Eigentlich brauchen die beiden die Ehe nicht. Alle Absicherungen, die der Ehestand böte, können sie anderweitig abdecken. Denn beide stehen finanziell auf eigenen Beinen. Und doch sind sie frustriert, sie möchten eigentlich unbedingt heiraten. Beiden ist das gegenseitige Versprechen wichtig, und es wäre ihnen wichtig, dieses offiziell zu machen. Während es Camille vor allem ums Ritual geht, spielen für Tristan religiöse Gründe eine Rolle. Ausserdem ist da noch die Kinderfrage.

Zurückstecken kommt nicht infrage

Camille und Tristan möchten Kinder – aber als Ehepaar und nicht im Konkubinat, obwohl es finanziell noch paradoxer werden würde. Im heutigen System ist es für ein Paar mit Kindern finanziell gesehen mitunter vernünftiger, wenn eine Person bei der Erwerbstätigkeit zurücksteckt. Wenn beide Vollzeit arbeiten und gut verdienen, kommen zur Steuerstrafe noch die Kitakosten für die Kinderbetreuung hinzu. Unter dem Strich rechnet sich das oft nicht. Komme gar nicht infrage, meint Camille dezidiert. Sie habe das bei ihren Eltern gesehen: «Wenn Kinder kommen, und dann hört einer auf zu arbeiten, weil es sich finanziell nicht lohnt – das ist doch absurd.» Tristan würde versuchen, sein Arbeitspensum auf 80 Prozent zu reduzieren, wie er sagt: «Weil es finanziell schlicht aufs Gleiche herauskommt – dann würde ich wenigstens einen Tag mit meinen Kindern verbringen.» Junge Doppelverdiener-Paare mit einer modernen Arbeitsteilung haben im heutigen System das Nachsehen. Das gilt umso mehr, wenn beide beruflich ambitioniert sind und vergleichsweise viel verdienen. Camille bringt es pointiert auf den Punkt: «Wir haben Fachkräftemangel und erleben eine starke Alterung der Gesellschaft. Und doch haben mein Partner und ich keinerlei Anreiz, beruflich erfolgreich zu sein und Geld zu verdienen – und zugleich verheiratet zu sein und Kinder zu haben.»

Nationalrat berät Steuerreform

Die Vorlage zur Einführung der Individualbesteuerung kommt am Mittwoch ein zweites Mal in den Nationalrat, nachdem beide Kammern in der ersten Beratungsrunde dem Ansinnen knapp zugestimmt haben. Konsens herrscht darüber, die steuerliche Diskriminierung der Ehe abzuschaffen. Druck machen zwei Volksinitiativen aus den Reihen der FDP-Frauen und der Mitte-Partei. Ob die Vorlage zur Individualbesteuerung ins Trockene kommt, ist aber offen, weil das «Wie» bei der Abschaffung der Heiratsstrafe umstritten ist. Namentlich bei der Höhe des Kinderabzugs und beim Progressionsmodell sind sich die Räte nicht einig. Die Nationalratskommission will nun einen Mittelweg nehmen, damit die finanziellen Verluste für Bund und Kantone bei der Einführung der Individualbesteuerung geringer ausfallen als zunächst geplant. Die Mehrheiten in der Kommission waren aber knapp. (sda)

Weiterlesen - ein Beitrag von Susanne Schmugge erschienen am 06.05.2025 auf srf.ch

Nationalrat: 100 Franken im Monat pro Kita-Tag

Der Nationalrat befürwortete am Dienstag die neue Kita-Finanzierung. Konkret sollen Eltern neu monatlich 100 Franken pro Betreuungstag in der Woche erhalten. Die Grosse Kammer will ausserdem mit einem Verpflichtungskredit von 200 Millionen Franken die Kinderbetreuung in den Kantonen weiter fördern. Die SVP lehnt die Vorlage ab, während eine Mitte-Links-Allianz dafür stimmt.

Bereits letzten Sommer wurde mit der Kita-Initiative gefordert, dass der Bund künftig zwei Drittel der Betreuungskosten übernehmen sollte. Dies hätte Kosten von bis zu 2,5 Milliarden Franken verursacht. Die Initiative ging Bund und Parlament zu weit: So formulierte der Ständerat einen indirekten Gegenvorschlag.

Was sich für Eltern ändern soll

Konkret entwarf bereits der Ständerat ein neues Finanzierungsmodell, welches verlangt, dass Eltern pro Fremdbetreuungstag eine monatliche Zulage von 100 Franken erhalten. Wer zwei Kinder hat und diese drei Tage pro Woche in die Kita schickt, würde folglich 600 Franken im Monat erhalten: Der Bund soll diese Kosten decken, was rund 20 Prozent der Gesamtbetreuungskosten ausmache. Auch der Nationalrat befürwortete dieses Modell. Gleichzeitig will der Nationalrat den Bund stärker in die Pflicht nehmen: Neu wurde ein Verpflichtungskredit des Bundes von bis zu 200 Millionen Franken für die Weiterentwicklung der Kinderbetreuung in den Kantonen beschlossen.

Mitte-Links dafür, SVP sagt Nein

Eine Mitte-Links-Allianz mit Teilen der FDP stimmte für die Vorlage. Geschlossen dagegen war die SVP. Nationalrätin Stefanie Heimgartner erklärte: «Man darf nicht zwischen guten und weniger guten Familienmodellen entscheiden, indem einzig die externe Familienbetreuung subventioniert wird.» Ohnehin solle die Verantwortung für die Kitas bei den Kantonen und nicht beim Bund liegen. Vor allem die linke Ratshälfte zeigt sich erfreut: «Mit den Programmvereinbarungen erhält der Bund ein Instrument, um die Kantone gezielt beim Ausbau der frühen Förderung zu unterstützen – auch dort, wo heute noch Lücken bestehen, etwa bei Angeboten für Kinder mit Behinderungen», so SP-Nationalrätin Simona Brizzi. Mit der Kita-Initiative der SP steht gleichzeitig noch eine weitreichendere Forderung zur Abstimmung: Diese dürfte ebenfalls in Zukunft vors Volk kommen.

Weiterlesen - ein Beitrag von Bode Obwegeser erschienen am 06.05.2025 auf 20min.ch

Änderung im Zivilgesetzbuch - Gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankern – was heisst das?

Der Bundesrat will die gewaltfreie Erziehung von Kindern im Zivilrecht verankern. Dennoch bleiben Fragen offen, wie Gewalt definiert wird und wo die Grenze ist. Eine Juristin und ein Psychologe ordnen ein.

Rund 30 Prozent der Eltern beschimpfen ihr Kind heftig. 20 Prozent erziehen mit psychischer Gewalt. Jedes fünfte Kind erhält Schläge auf den Hintern, jedes zehnte wird geohrfeigt. Solche Studien erstellt die Universität Freiburg. Psychologieprofessor Dominik Schöbi leitet die Erhebungen und sagt: «Es ist immer noch zu viel Gewalt vorhanden in der Erziehung.» Vor allem bei kleineren Kindern bestehe viel Handlungsbedarf, auch wenn diese Gewalt heute nicht mehr so stark verbreitet sei wie vor 30 oder 50 Jahren. Doch was genau bewirkt die gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch (ZGB)?

Juristin: Strafrecht schützt Kinder nicht

Kinder zu schlagen oder psychisch zu erniedrigen ist bereits heute nicht erlaubt. Das ist im Strafgesetz so geregelt. Die gewaltfreie Erziehung im ZGB konkretisiere die Erziehungspflicht der Eltern und stärke so den Kindesschutz, sagt die Kinderanwältin Laura Jost. «Zivilrechtlicher Kinderschutz interessiert sich nicht für die Schuld der Beteiligten, sondern es geht einzig darum, zu schauen, wie diesem Kind geholfen werden kann. Es geht nicht darum, die Eltern zu bestrafen.» Für das Bestrafen ist das Strafrecht zuständig. Aber es kommt erst zum Zug, wenn bereits etwas Gravierendes passiert ist. Deshalb schütze das Strafrecht die Kinder nicht, sagt Laura Jost. Es bestrafe nur die Täterinnen und Täter. Ein Kind wolle das oft gar nicht. Es möchte nur, dass die Gewalt aufhört. «Kinder sind ihren Eltern gegenüber loyal. Sie möchten nicht, dass die Eltern bestraft werden –, und zwar unabhängig davon, wie schlecht es ihnen in der Situation geht», sagt Laura Jost. Die Elternpflicht zur gewaltfreien Erziehung im Zivilgesetzbuch dient vereinfacht gesagt als eine Art Vorstufe zum Strafgesetz. Die Kinderanwältin hat eine Handhabe, um eine Ohrfeige mit Eltern zu besprechen, auch wenn diese eine Ohrfeige nicht strafbar ist: «Dass sie verpflichtet sind, ihre Kinder gewaltfrei zu erziehen, dass immer mal wieder der Klaps aufs ‹Füdli› oder das An-den-Haaren-Ziehen nicht okay ist.» Im Zivilrecht könne man auffangen, was sich sonst möglicherweise zu einer Straftat entwickle, betont Laura Jost. Denn vieles im Schweizer Recht ist zwar nicht erlaubt, aber es ist nicht strafbar.

Positive Erfahrungen in anderen Ländern

Die neue Bestimmung im ZGB wirkt also vor allem präventiv. Das funktioniere, sagt Psychologe Dominik Schöbi. Das zeigten Erfahrungen in Ländern, die diese gewaltfreie Erziehung bereits im Gesetz stehen haben – Deutschland, Schweden oder Neuseeland. «Gewisse Studien zeigen zum Beispiel, dass innerhalb der ersten zehn Jahre nach der Einführung solcher Bestimmungen nicht nur die Gewalt, sondern vor allem die Sichtweise der Eltern, was sinnvoll oder was problematisch ist, sich stark verändert hat», so Schöbi. Die Gewalt im Zivilgesetzbuch noch genauer zu definieren, damit tun sich beide Fachleute schwer. Welche Gewaltgrenze nun mit der Verankerung im ZGB gezogen werde, lasse sich nur in den einzelnen Fällen beurteilen. Für die erste Beratung des neuen Gesetzesartikels hat der Bundesrat ein paar Beispiele angegeben. Als leichte, unzulässige körperliche Bestrafungen sieht er Ohrfeige, Klaps und Schütteln. Voraussichtlich in der Sommersession äussert sich der Ständerat zur Vorlage.

Weiterlesen - Echo der Zeit, 5.5.2025, 18 Uhr;liea 

Sondersession im Mai 2025: Empfehlungen von Pro Familia Schweiz

Heute startet die Sondersession des Nationalrats in Bern. Die Empfehlungen von Pro Familia Schweiz zu den familienpolitischen Vorstössen lesen Sie hier.

24.077 Geschäft des Bundesrats | Zivilgesetzbuch (Gewaltfreie Erziehung). Änderung

Die vorgeschlagene Gesetzesänderung setzt ein starkes Signal für den Schutz von Kindern in der Schweiz und schafft die Grundlage für eine Erziehung ohne körper-liche und psychische Gewalt. Damit Eltern und Sorge-berechtigte in herausfordernden Situationen nicht auf Gewalt zurückgreifen, benötigen sie niederschwellige Beratungs- und Hilfsangebote. Pro Familia Schweiz unterstützt diese Gesetzesänderung und ist – ebenso wie der Bundesrat – der Ansicht, dass die Prävention gestärkt sowie bestehende Beratungs- und Hilfsangebote für Eltern und Kinder ausgebaut werden sollten.

Unsere Empfehlung

21.403 Parlamentarische Initiative | WBK-N. Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung

Eine Vergünstigung der Elternbeiträge und eine Verbes-serung der frühkindlichen Bildung fördert die Chancen-gleichheit von Kindern sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, trägt zur Erhöhung der Erwerbsquote bei und hilft so, den Fachkräftemangel zu reduzieren. Pro Familia Schweiz begrüsst deshalb diese parlamen-tarische Initiative, die zum Ziel hat, die befristete und mittlerweile mehrfach verlängerte Anstossfinanzierung (Bundesgesetz über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbe­treuung) abzulösen und in eine stetige Unter-stützung zu überführen.

Unsere Empfehlung

25.3019 Postulat | Po. WBK-N. Qualitativ gut geführte Kitas

Eine qualitativ gut geführte Kita, in der das Kindeswohl im Zentrum steht und die kindesgerechte Früh­förderung gelebt wird, ist auf Fachpersonal angewiesen. Da die Löhne tief und die Arbeitsbedingun­gen teilweise nicht optimal sind, mangelt es oft an qualifiziertem Personal. Pro Familia Schweiz be­grüsst daher dieses Postulat, das den Bundesrat damit beauftragt, in einem Bericht Fragen zu den Anforderungen an eine qualitativ gut geführte Kita, zum Betreuungsschlüssel sowie zum Anteil von qualifizierten und nicht qualifizier­tem Betreuungsper-sonal zu beantworten sowie zu klären, wie die Arbeits-bedingungen und Löhne in Kitas verbessert werden können.

Unsere Empfehlung

24.026  Geschäft des Bundesrates | Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteue-rung (Steuergerechtigkeits-Initiative)». Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (Bundesgesetz über die Individualbesteuerung)

Mit dem Wechsel von der Ehepaarbesteuerung zur Indi-vidualbesteuerung könnten sowohl die Heirats­strafe abgeschafft als auch positive Erwerbsanreize gesetzt werden. Pro Familia Schweiz empfiehlt die Volksinitiative zugunsten des indirekten Gegenvorschlags zur Ab-lehnung. Dieser sieht vor, alle Personen, unabhängig von ihrem Zivilstand, individuell zu besteuern. Die Einkünfte und Vermögens­werte von verheirateten Paaren werden dafür nach den zivilrechtlichen Verhältnissen aufgeteilt, wie es bereits heute bei unverheirateten Paaren erfolgt. Der Kinderabzug wird bei der direkten Bundessteuer von heute 6'700 Franken auf neu 12'000 Franken erhöht und wird zur Hälfte zwischen den Eltern aufgeteilt.

Unsere Empfehlung

Schon jeder fünfte Mann arbeitet Teilzeit

Kein Interesse, Vollzeit zu arbeiten, oder als Vater engagiert: Teilzeit gewinnt bei Männern an Beliebtheit. Doch noch immer müssen Einzelne als Pioniere vorangehen. Teilzeitarbeit bei Männern steigt auf 20,5 Prozent im Jahr 2024. Neue Normalität: Teilzeitarbeit wird für Männer selbstverständliche Karriereoption.19,1 Prozent der Männer arbeiten Teilzeit aus mangelndem Interesse an Vollzeit

Die Linie auf der Grafik steigt nur sachte an, aber sie steigt. Jahr für Jahr um ein paar Stellen im Dezimalbereich. Die Rede ist vom Anteil der Männer, die hierzulande Teilzeit arbeiten – also weniger als 90 Prozent. So sanft der Anstieg, so bedeutend ist er: Wie aktuelle Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen, arbeiteten 20,5 Prozent der erwerbstätigen Männer im Jahr 2024 in Teilzeit. 

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Teilzeit als Teil einer neuen Normalität

Der Sprung über die 20-Prozent-Marke hat Gewicht, besagt die «Social Norms Change»-Theorie: Adaptieren 20 bis 25 Prozent einer Gruppe ein Verhalten, wird dieses nicht mehr als abweichendes Verhalten wahrgenommen. Kurz gesagt: Der Teilzeitler ist kein Exot mehr. «Diese Männer sind nun Teil einer neuen Normalität. Das ist ein Meilenstein», sagt Markus Theunert (52) dazu. Der Gesamtleiter von Männer.ch beschäftigt sich schon lange mit dem Thema. 2012 lancierte der Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen die Kampagne Teilzeitmann. Erst 13,7 Prozent der Männer arbeiteten damals Teilzeit. Die Kampagne wollte Teilzeitarbeit für Männer als «selbstverständliche Karriereoption in gewissen Lebensphasen» etablieren, sagt Theunert. Dies scheint nun erreicht. «Ganze Männer machen Teilzeitkarriere», lautete damals der Slogan. Es war ein Anliegen, allfällige Identitätszweifel von Teilzeitlern im Keim zu ersticken. Denn traditionell sind Leistung und Erwerb zentrale Standbeine der männlichen Identität. Doch dieses Bild verändert sich gerade: Mit 19,1 Prozent begründet 2024 fast jeder fünfte Mann den Grund für seine Teilzeitarbeit mit «Kein Interesse an einer Vollzeittätigkeit». Gerade jüngere Arbeitnehmende legen den Fokus auf eine gute Balance zwischen Arbeit und «Leben» – und wünschen eine Viertagewoche: Aus der Sicht von 18- bis 45-Jährigen ist ein Erwerbspensum von 80 Prozent für kinderlose Männer und Frauen ideal, heisst es in einer Sotomo-Studie aus dem Jahr 2023. 

Pensum reduzieren mit dem ersten Kind

Die Teilzeitfrage stellen sich damit heute viele Männer. Geht es an die Familienplanung, kommen sie erst recht nicht darum herum. «Schon früh in unserer Partnerschaft machte meine Frau klar, dass sie später als Mutter nicht nur zu Hause bleiben werde», sagt Andreas Näf (48). «Mir ist das recht. Ich habe Arbeit noch nie als die Erfüllung vom Leben angesehen.» Der Konstruktionsleiter in einem KMU im Mittelland und zweifache Vater arbeitet schon über zehn Jahre Teilzeit. Zunächst startete das Paar fast schon klassisch ins Familienleben, er im 80-, sie im 50-Prozent-Pensum. Als das zweite Kind jährig war, wollte sich die Oberstufenlehrerin beruflich wieder stärker engagieren – und Andreas Näf suchte das Gespräch mit seinem Chef. Zwei Jahre lang war er dann nur zwei Tage die Woche im Betrieb und übernahm zu Hause den Grossteil der Arbeit. Keine Mühe machte ihm der Gedanke, dass die Familie in jener Zeit vom Einkommen seiner Frau abhängig war. «Es brauchte aber eine Weile, bis ich es nicht als Nichtstun empfand, wenn ich draussen mit den Kindern unterwegs war.» Nach einem Gespräch mit einem Nachbarn, der ebenfalls mit den Kindern auf der Quartierstrasse am Spielen war, machte es bei ihm Klick. «Er sagte mir, dass ich mich um die Zukunft kümmere, das sei doch wichtig. Ab da spürte ich wirklich: Was ich für die Familie leiste, ist genauso wertvoll wie die Arbeit, die Lohn einbringt.» Bereichernd und anstrengend war der Alltag mit zwei Kleinkindern und Haushaltsführung, beruflich fühlte er sich aber zunehmend auf dem Abstellgleis, da ihm vorwiegend anspruchslose Aufgaben gegeben wurden. Als man ihm wieder eine Leitungsfunktion im 80-Prozent-Pensum anbot, nahm er an. «Ich war voll motiviert, die Tätigkeit wieder aufzunehmen», sagt er. 

Projektmanager Marco (34) aus Zürich, der hier nur mit Vorname auftreten will, war wie Andreas Näf der erste Mann mit Teilzeitanstellung im Betrieb respektive in seinem Arbeitsbereich. «Meine Frau und ich wollen in Bezug auf die Familie so partnerschaftlich wie möglich durchs Leben gehen, so wie wir es auch sonst tun», sagt er. Die Eltern eines zweijährigen Kindes sind je vier Tage die Woche erwerbstätig. Dem Bild vom Mann als Ernährer kann Marco nichts abgewinnen. Für ihn liegt der Fokus nicht auf dem Einzelnen, sondern auf der Familie als Einheit: «Eine Familie kann sich idealerweise selbst ernähren. Wer welche Rolle darin übernimmt, sollen die Beteiligten miteinander aushandeln.» 

Pionier mit Teilzeit-Wunsch

Sein Einsatz als engagierter Vater war kein Selbstläufer; seinen Wunsch nach einem reduzierten Pensum und nach zusätzlichem unbezahltem Urlaub nach der Geburt musste er sich in Gesprächen mit seinem Vorgesetzten erkämpfen. «Mein Weg wäre einfacher gewesen, hätte ich einfach weiter voll gearbeitet», sagt Marco. Als sein Kind acht Monate alt war, wechselte er den Arbeitgeber; heute ist er im Entertainment-Bereich tätig. Sein Familienmodell empfindet er als schön im Gleichgewicht. «In der Familie haben wir alle drei eine sehr gute Beziehung zueinander.» Die Frage, ob ein Teilzeitler ein ganzer Mann ist, stellen sich Männer wie Marco oder Andreas nicht. Sie wollen eine Beziehung auf Augenhöhe führen, in der sich beide Partner im Beruf und als Eltern verwirklichen können. Manche Männer sind in ihren Betrieben mit diesem Anspruch Pioniere. Doch wie das Beispiel von Andreas Näf zeigt, lohnt es sich für den Arbeitgeber, sich auf das Unbekannte einzulassen: Nicht nur arbeitet Näf seit über 20 Jahren im selben Unternehmen. Sondern dieses schreibt Stellen heute auch konsequent mit «80 bis 100 Prozent» aus. Und erreicht damit mehr Interessierte.

Weiterlesen - ein Beitrag von Karen Schärer erschienen am 04.05.25 auf blick.ch

Krank im Homeoffice: Warum die meisten trotzdem arbeiten

Ein grosser Teil der Beschäftigten schaltet trotz Krankheit den Laptop ein – vor allem im Homeoffice. Warum viele sich nicht auskurieren. Mehr als zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten auch krank weiter. Homeoffice führt oft zu verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Viele Beschäftigte vermissen den persönlichen Austausch mit Kollegen.

Die Arbeitswelt hat sich – nicht zuletzt durch die Pandemie – grundlegend gewandelt. Feste Arbeitszeiten und Präsenzpflicht gehören vielerorts der Vergangenheit an, stattdessen ist ein Mix zwischen Homeoffice und Büro zum Standard geworden. Damit rücken auch Themen wie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz stärker in den Fokus. Nun zeigt der «Arbeitssicherheitsreport 2025» der Dekra, dass mehr als zwei Drittel der Beschäftigten auch dann arbeiten, wenn sie krank sind. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse aus einer Umfrage unter 1503 Mitarbeitende in Deutschland zwischen 18 und 65 Jahre von klassischen Büroberufen bis hin zu Handwerk, Bildungswesen, Gesundheitssektor und Industrie. Insgesamt arbeiten 39 Prozent überwiegend oder vollständig im Homeoffice. Unter den Angestellten im Büro sind es sogar 67 Prozent, die zumindest zeitweise von zu Hause aus tätig sind.

Oft keine Trennung zwischen Privatem und Beruf

Durch das Arbeiten in den eigenen vier Wänden verschwimmen die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben zunehmend – viele Beschäftigte empfinden das als belastend. Studien, etwa von der Universität St. Gallen und der Barmer Ersatzkasse, zeigen, dass ständige Erreichbarkeit Stress, Erschöpfung und psychische Belastungen fördern kann. Das wirkt sich negativ auf Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden aus. Unternehmen reagieren darauf mit Angeboten zur mentalen Gesundheitsförderung wie Coachings, Online-Beratung oder Resilienztrainings. Auch die ergonomische Gestaltung des Homeoffice-Arbeitsplatzes rückt stärker in den Fokus, inklusive Beratung und finanzieller Unterstützung.

Der Kontakt zu den Kollegen fehlt

Viele Beschäftigte sehen klare Vorteile im Homeoffice: 89 Prozent schätzen den wegfallenden Arbeitsweg, 73 Prozent geniessen das Arbeiten in bequemer Kleidung, und 68 Prozent freuen sich über die flexible Zeiteinteilung. Auch gesundheitliche Aspekte spielen eine Rolle: 67 Prozent empfinden das Infektionsrisiko zu Hause als deutlich geringer. Mehr als die Hälfte – 56 Prozent – gibt zudem an, sich im Homeoffice besser konzentrieren zu können. Gleichzeitig vermissen 45 Prozent den persönlichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen. Positiv fällt auf, dass nur zwei Prozent schon einmal einen Arbeitsunfall im Homeoffice erlitten haben.

Trotz Krankheit arbeiten viele weiter

68 Prozent der Befragten haben im Homeoffice schon gearbeitet, obwohl sie krank oder krankgeschrieben waren – die Hälfte gelegentlich, 18 Prozent sogar häufiger. Gleichzeitig zeigt die Umfrage auch typische Herausforderungen des Arbeitens von zu Hause. So berichten 21 Prozent von Störungen durch Familie, Nachbarn oder Umgebungslärm. Ebenso viele klagen über körperliche Beschwerden wie Kopf- und Rückenschmerzen aufgrund schlechter ergonomischer Bedingungen. Rund 20 Prozent arbeiten im Homeoffice länger oder zu ungewöhnlichen Zeiten, etwa abends oder am Wochenende.

Warum man trotz Krankheit arbeitet

Laut dem Portal T3N verschwimmen im Homeoffice die Grenzen bei Krankheit zunehmend – der Laptop ist griffbereit, und gesundheitliche Einschränkungen bleiben oft unbemerkt. Viele ignorieren Symptome und arbeiten trotz Infekten oder Erschöpfung weiter. Dabei wären gerade dann Ruhe und Erholung wichtig. Mit der neuen Flexibilität steige auch die Verantwortung, so T3N. Arbeitgeber müssen darum gesundheitsfördernde Bedingungen schaffen, Beschäftigte wiederum auf Erholung achten. Denn krank bleibt krank – auch zu Hause.

Weiterlesen - ein Beitrag von Karin Leuthold erschienen am 04.04.2025 auf 20min.ch