Beruf und Familie vereinbaren: Die Männer sind gefordert

Männliche Führungskräfte engagieren sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – aber es bleibt ein «Frauenproblem».

Seit langem ist bekannt, dass Massnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie massgeblich zur Gleichstellung sowie zur Erhöhung des Frauenanteils in Kaderpositionen beitragen. Umso erfreulicher ist es, dass mehr als 30 Prozent der im Forschungsprojekt «Leaders for Eqa­lity» der Universität St. Gallen befragten über 800 männlichen Führungskräfte bereits wesentliche Aktivitäten umsetzen: Sie ermöglichen in ihrem Verantwortungsbereich mobiles Arbeiten und Home­office ebenso wie Teilzeit und/oder Jobsharing.  Zudem achten sie darauf, dass Besprechungszeiten so enden, dass Mütter und Väter ihre Kinder von der Kita oder Tagesbetreuung abholen und betreuen können. Und sie beantworten E-Mails und Telefonanrufe weder nach Feierabend noch in den Ferien und erwarten dies auch nicht von ihren Mitarbeitenden.

Wenig Ermutigung für Männer

Gleichzeitig wurde bei der Befragung deutlich, dass Vereinbarkeitsmassnahmen für (andere) Männer oder für sich selbst als männliche Führungskraft kaum umgesetzt werden: Zum Beispiel werden andere Männer kaum ermutigt, Teilzeit zu arbeiten. Auch die eigenen Stellenprozente zur besseren Vereinbarkeit zu reduzieren, geschieht selten. Deshalb entsteht der Eindruck, als wäre Vereinbarkeit hauptsächlich ein zu lösendes Problem für Frauen – für die männlichen Führungskräfte oder auch andere Männer scheint es keine Herausforderung ­ihres Berufslebens zu sein.

Frauen sind sehr skeptisch, was das Engagement der Männer angeht.

Diese Vermutung werden durch die erhobenen soziodemographischen Daten erhärtet: Die männlichen Führungskräfte arbeiten fast ­ausschliesslich Vollzeit, das heisst mit mehr als 91 Prozent Stellenumfang. Ihre Partnerinnen oder Partner arbeiten zu mehr als 80 Prozent Teilzeit und davon mehr als jede ­dritte Person auf 50-Prozent-Stellen.Da zudem mehr als die Hälfte der männ­lichen Führungskräfte Kinder hat, liegt es nahe, dass die Partnerin hauptsächlich die so­genannte Care-Arbeit übernimmt. Das heisst umgekehrt: Eigene Erfahrungen mit Teilzeit oder einer Vollzeit-arbeitenden Partnerin, ob nun mit oder ohne Kind, ­haben die Männer mehrheitlich nicht. Eine weitere Einschränkung der positiven Selbstwahrnehmung der männlichen Führungskräfte sind die Antworten der mehr als 350 Frauen in Kaderorganisationen. Diese wurden nach ihrer Einschätzung ihrer männlichen Kollegen befragt. Sie sind deutlich skeptischer, das heisst, sie nehmen die Männer als deutlich weniger aktiv wahr.

Diese Skepsis zeigt sich auch darin, dass 44 Prozent der Frauen der Meinung sind, Manager könnten sich eher nicht vorstellen, Besprechungszeiten vereinbarkeitsfreundlich zu gestalten. Im Vergleich dazu neigen lediglich 12 Prozent der Männer zu dieser ­Ansicht. Ähnliches gilt hinsichtlich des Ermöglichens von Teilzeit oder Jobsharing. Weniger gross ist die Diskrepanz bei der Ermutigung anderer Männer zur Teilzeitarbeit. Hier sind sich Frauen wie Männer einig, dass sich männliche Führungskräfte nicht vorstellen können, dies zu tun.

Austausch fördern

Was bedeuten diese Befunde nun für die Gleichstellungsarbeit in Unternehmen? Neben den technischen und organisatorischen Aspekten von Massnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie erscheint ein unternehmenskultureller Wandel notwendig. Dazu gehört vor allem ein Verständnis, dass Vereinbarkeit eine Aufgabe und Herausforderung für Frauen wie für Männer ist. Zudem gilt es, neben der neuen Selbstverständlichkeit des Arbeitens im Homeoffice auch Teilzeit und Jobsharing in Führungspositionen als neue Normalität für Frauen und Männer zu gestalten. Hierfür ist es hilfreich, Väter mehr ins Blickfeld zu rücken.

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen besonders deutlich, dass ein geeigneter Schritt zur Veränderung der Unternehmenskultur der Dialog und Austausch zwischen Frauen und Männern sein kann. Konkret geht es um einen Perspektivenwechsel der männlichen Führungskräfte: Mit den Müttern und Vätern in ihrem Team reden und erfragen, was diese brauchen können, was sich verändern sollte, was sie als Führungskräfte dazu beitragen können. Zudem können die zutage getretenen unterschiedlichen Wahrnehmungen von Frauen und Männern als Anlass genommen werden, einen analogen oder virtuellen Austausch zu initiieren, um ­gemeinsam herauszufinden, woher die Differenzen in den Antworten herrühren.

Ein Beitrag von Julia Nentwich und Gabriele Schambach erschienen am 28. Dezember 2020 auf www.handelszeitung.ch: Weiterlesen

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