Je mehr eine Aargauer Mutter arbeitet, desto weniger bleibt vom zusätzlich verdienten Franken übrig

Eine Regionalstudie der Credit Suisse zeigt, wo im Aargau die Probleme bei der angestrebten Vereinbarkeit von Beruf und Familie liegen. Wenn eine Familienfrau ihr Pensum aufstockt, gehen bis zwei Drittel des Zusatzeinkommens für Zusatzkosten wieder weg. Wenn die Rahmenbedingungen eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern, stärkt dies die Attraktivität einer Region als Wohn- und Wirtschaftsstandort. Doch wie sieht es damit aus? Sind die Rahmenbedingungen so, dass es sich auch finanziell lohnt, ein Pensum aufzustocken? Die neue Regionalstudie der Credit Suisse nahm jetzt die Lage in unserem Kanton unter die Lupe. Sie kommt zum Schluss, unter anderem dank dem Ausbau des Kinderbetreuungsangebots sei die Erwerbsquote der Aargauer Mütter seit der Jahrestausendwende gestiegen. 2019 nahmen 83 Prozent von ihnen am Arbeitsmarkt teil, überdurchschnittlich oft aber mit einem tiefen Pensum.

Vom Zusatzeinkommen bleibt höchstens die Hälfte

Doch wo hapert es? Die von Sara Carnazzi mitverfasste Studie kommt zum Schluss, eine grosse Hürde für berufstätige Eltern seien «die Tarife der privaten oder in öffentlichen Einrichtungen organisierte Kinderbetreuung». Wenn bei einer Familie der Vater 100 Prozent arbeitet, und die Frau wieder in den Beruf einsteigt beziehungsweise ihr Pensum aufstockt, zeigt unsere Grafik, wie viel vom zusätzlichen Einkommen an Kosten, Steuern etc. wieder weggehen. So bleiben in diesen Beispielen von einem zusätzlich verdienten Franken effektiv nur zwischen 34 und 50 Rappen übrig. Dafür punkten im schweizweiten Vergleich Aargauer Betriebe gemäss der Studie mit grundsätzlich flexiblen und familienfreundlichen Arbeitsbedingungen.

Zwei Drittel der erwerbstätigen Aargauer Mütter reduzieren Pensum

Rahmenbedingungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern, wirken sich positiv auf die Standortattraktivität aus. Das macht die Studie klar. «Aus gesellschaftlicher, sozialpolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht ist das Thema Vereinbarkeit Beruf und Familie zentral, denn Eltern – ich denke da besonders an die nicht berufstätigen Frauen – sind für die Aargauer Wirtschaft ein bedeutendes Reservoir an Arbeitskräften», sagt Robin Wasser, Leiter Firmenkunden der Credit Suisse Region Aargau.

Zwar stieg in der Nordwestschweiz die Erwerbsquote von Frauen mit Kindern unter 15 Jahren zwischen 2002 und 2019 um fast 10 Prozentpunkte. Elternsein führt jedoch immer noch in erster Linie bei Frauen zu beruflichen Einschränkungen. So haben laut einer Umfrage des Bundesamts für Statistik zwei Drittel der erwerbstätigen Aargauer Mütter ihr Arbeitspensum infolge ihrer Kinderbetreuungspflichten reduziert. Bei den Vätern ist es nur rund jeder Zehnte. Auch Stellenwechsel oder die Übernahme weniger anspruchsvoller Aufgaben zwecks besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie seien bei Müttern deutlich verbreiteter als bei Vätern.

Aargauer Mütter arbeiten überdurchschnittlich oft mit tiefen Pensen

2019 nahmen im Kanton Aargau 83 Prozent der 25- bis 54-jährigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren aktiv am Arbeitsmarkt teil. Damit liegt der Aargau in etwa im Schweizer Durchschnitt (82 Prozent). Aargauer Mütter arbeiten allerdings gemäss der Studie überdurchschnittlich oft Teilzeit, und zwar in vergleichsweise tiefen Pensen. Vollzeit arbeiten im Aargau nur 11 Prozent der erwerbstätigen Mütter, gegenüber 19 Prozent im Landesmittel. 43 Prozent weisen einen Beschäftigungsgrad von 40 Prozent oder weniger auf. Im Schweizer Durchschnitt sind es 34 Prozent.

Neben dem Bildungsniveau, der Herkunft oder der Familiensituation (in einer Partnerschaft oder alleinerziehend) spielen auch die Anzahl und das Alter der Kinder bei der Arbeitsmarktintegration von Müttern eine massgebende Rolle. Wie eine Auswertung der Steuerstatistik des Kantons Aargau zeigt, sind die Erwerbsmöglichkeiten der Aargauerinnen am stärksten eingeschränkt, wenn die Kinder jünger als 10 Jahre sind.

Familienfreundlich: Aargauer Betriebe bieten gewisse Flexibilität an

Auch die Unternehmen sind bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefordert, indem sie familienfreundliche Arbeitsbedingungen anbieten. Die Studie zeigt, dass Aargauer Betriebe dabei durchaus flexibel sind. So ist der Anteil der Erwerbstätigen, die Arbeitsbeginn und Arbeitsende frei wählen können, mit 49 Prozent im Kanton Aargau leicht höher als im Schweizer Durchschnitt (46 Prozent).

Auch kurzfristige Absenzen sind für Aargauer Beschäftigte einfacher möglich, und der Anteil der Erwerbstätigen, die bereits 2019 gelegentlich oder regelmässig im Homeoffice arbeiten konnten, ist im Aargau in den meisten Sektoren höher als im Landesdurchschnitt. «Dies ist umso erfreulicher, wenn man weiss, dass die Aargauer Wirtschaft durch ihre Branchen- und Berufsstruktur ein im Schweizer Vergleich leicht unterdurchschnittliches Potenzial für Homeoffice aufweist», so Robin Wasser.

Aargau verliert erneut einen Rang im Standortqualitätsindex

Der Kanton Aargau gehört laut der Studie weiterhin zu den attraktivsten Wirtschaftsstandorten der Schweiz. Im Standortqualitätsranking der Credit Suisse, das die Attraktivität aus Unternehmenssicht misst, belegt er 2020 im kantonalen Vergleich den fünften Platz. Der Aargau punktet bei der hohen verkehrstechnischen Erreichbarkeit und bei der relativ tiefen Steuerbelastung für natürliche Personen.

Im Steuerwettbewerb um Unternehmen verliert der Kanton Aargau aber weiter an Terrain. Lag er im Standortqualitätsranking 2019 nach einem Rangverlust noch auf dem vierten und früher gar auf dem dritten Platz, wurde er jetzt vom Kanton Genf überholt. Dieser hat seine Gewinnsteuern deutlich gesenkt. In den nächsten Jahren dürfte der Aargau in der Einschätzung der Studie «weitere Rangverluste erfahren, weil weitere Kantone die Unternehmenssteuern senken». Bereits jetzt liegt der Aargau beim Steuerindex für juristische Personen nur noch auf Rang 19. «Dem Aargau würde ein weiterer Attraktivitätsverlust drohen, falls der Kanton bei der Revision des Steuergesetzes kein Zeichen setzt und die Gewinnsteuern für Unternehmen nicht deutlich senkt», befürchtet Roberto Belci, Leiter Credit Suisse Region Aargau. Darum werde die Pflege anderer Standortfaktoren noch wichtiger.

Ein Beitrag von Matthias Küng erschienen am 2. Dezember auf www.aargauerzeitung.ch: Weiterlesen und Grafiken anschauen

Newsletter


Abonnieren Sie unseren vierteljährlich erscheinenden Newsletter, um über Neuigkeiten, Initiativen und Veranstaltungen zur Familienpolitik und zu Instrumenten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erfahren.

Archiv

Mit dem Absenden des Formulars bestätige ich, dass ich die Bedingungen in den Privacy policy gelesen und akzeptiert habe.