Rahmenbedingungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern, wirken sich positiv auf die Standortattraktivität aus. Das macht die Studie klar. «Aus gesellschaftlicher, sozialpolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht ist das Thema Vereinbarkeit Beruf und Familie zentral, denn Eltern – ich denke da besonders an die nicht berufstätigen Frauen – sind für die Aargauer Wirtschaft ein bedeutendes Reservoir an Arbeitskräften», sagt Robin Wasser, Leiter Firmenkunden der Credit Suisse Region Aargau.
Zwar stieg in der Nordwestschweiz die Erwerbsquote von Frauen mit Kindern unter 15 Jahren zwischen 2002 und 2019 um fast 10 Prozentpunkte. Elternsein führt jedoch immer noch in erster Linie bei Frauen zu beruflichen Einschränkungen. So haben laut einer Umfrage des Bundesamts für Statistik zwei Drittel der erwerbstätigen Aargauer Mütter ihr Arbeitspensum infolge ihrer Kinderbetreuungspflichten reduziert. Bei den Vätern ist es nur rund jeder Zehnte. Auch Stellenwechsel oder die Übernahme weniger anspruchsvoller Aufgaben zwecks besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie seien bei Müttern deutlich verbreiteter als bei Vätern.
Aargauer Mütter arbeiten überdurchschnittlich oft mit tiefen Pensen
2019 nahmen im Kanton Aargau 83 Prozent der 25- bis 54-jährigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren aktiv am Arbeitsmarkt teil. Damit liegt der Aargau in etwa im Schweizer Durchschnitt (82 Prozent). Aargauer Mütter arbeiten allerdings gemäss der Studie überdurchschnittlich oft Teilzeit, und zwar in vergleichsweise tiefen Pensen. Vollzeit arbeiten im Aargau nur 11 Prozent der erwerbstätigen Mütter, gegenüber 19 Prozent im Landesmittel. 43 Prozent weisen einen Beschäftigungsgrad von 40 Prozent oder weniger auf. Im Schweizer Durchschnitt sind es 34 Prozent.
Neben dem Bildungsniveau, der Herkunft oder der Familiensituation (in einer Partnerschaft oder alleinerziehend) spielen auch die Anzahl und das Alter der Kinder bei der Arbeitsmarktintegration von Müttern eine massgebende Rolle. Wie eine Auswertung der Steuerstatistik des Kantons Aargau zeigt, sind die Erwerbsmöglichkeiten der Aargauerinnen am stärksten eingeschränkt, wenn die Kinder jünger als 10 Jahre sind.
Familienfreundlich: Aargauer Betriebe bieten gewisse Flexibilität an
Auch die Unternehmen sind bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefordert, indem sie familienfreundliche Arbeitsbedingungen anbieten. Die Studie zeigt, dass Aargauer Betriebe dabei durchaus flexibel sind. So ist der Anteil der Erwerbstätigen, die Arbeitsbeginn und Arbeitsende frei wählen können, mit 49 Prozent im Kanton Aargau leicht höher als im Schweizer Durchschnitt (46 Prozent).
Auch kurzfristige Absenzen sind für Aargauer Beschäftigte einfacher möglich, und der Anteil der Erwerbstätigen, die bereits 2019 gelegentlich oder regelmässig im Homeoffice arbeiten konnten, ist im Aargau in den meisten Sektoren höher als im Landesdurchschnitt. «Dies ist umso erfreulicher, wenn man weiss, dass die Aargauer Wirtschaft durch ihre Branchen- und Berufsstruktur ein im Schweizer Vergleich leicht unterdurchschnittliches Potenzial für Homeoffice aufweist», so Robin Wasser.
Aargau verliert erneut einen Rang im Standortqualitätsindex
Der Kanton Aargau gehört laut der Studie weiterhin zu den attraktivsten Wirtschaftsstandorten der Schweiz. Im Standortqualitätsranking der Credit Suisse, das die Attraktivität aus Unternehmenssicht misst, belegt er 2020 im kantonalen Vergleich den fünften Platz. Der Aargau punktet bei der hohen verkehrstechnischen Erreichbarkeit und bei der relativ tiefen Steuerbelastung für natürliche Personen.
Im Steuerwettbewerb um Unternehmen verliert der Kanton Aargau aber weiter an Terrain. Lag er im Standortqualitätsranking 2019 nach einem Rangverlust noch auf dem vierten und früher gar auf dem dritten Platz, wurde er jetzt vom Kanton Genf überholt. Dieser hat seine Gewinnsteuern deutlich gesenkt. In den nächsten Jahren dürfte der Aargau in der Einschätzung der Studie «weitere Rangverluste erfahren, weil weitere Kantone die Unternehmenssteuern senken». Bereits jetzt liegt der Aargau beim Steuerindex für juristische Personen nur noch auf Rang 19. «Dem Aargau würde ein weiterer Attraktivitätsverlust drohen, falls der Kanton bei der Revision des Steuergesetzes kein Zeichen setzt und die Gewinnsteuern für Unternehmen nicht deutlich senkt», befürchtet Roberto Belci, Leiter Credit Suisse Region Aargau. Darum werde die Pflege anderer Standortfaktoren noch wichtiger.
Ein Beitrag von Matthias Küng erschienen am 2. Dezember auf www.aargauerzeitung.ch: Weiterlesen und Grafiken anschauen