Während Teilzeitarbeit für Frauen in der Schweiz längst normal ist – rund 60 Prozent arbeiten in einem reduzierten Pensum – bleibt sie für Männer die Ausnahme. Nur 19 Prozent der Männer entscheiden sich für eine Teilzeitstelle. Doch warum? Genau das wollten wir von unseren männlichen Lesern erfahren: Ihre Antworten geben Einblicke in die Chancen, aber auch Herausforderungen der Teilzeitarbeit. Warum Teilzeitarbeit für viele Männer unattraktiv ist, erklären die Experten Markus Theunert und Thomas Neumeyer vom Dachverband Schweizer Männer und Väterorganisationen (Männer.ch).
Traditionelle Rollenbilder als Ursache
Beide sind sich einig: Die niedrige Teilzeitquote bei Männern ist kein Zufall, sondern das Resultat tief verwurzelter gesellschaftlicher Normen. Zwar steigt laut Theunert die Teilzeitquote bei Männern seit vielen Jahren kontinuierlich an – «knapp 20 Prozent Teilzeit-Männer ist im internationalen Vergleich eine beachtliche Zahl» – doch das Modell stösst nach wie vor auf Widerstände. «Teilzeitarbeit wird teils als unsolidarisch oder leistungsschwach abgewertet», erklärt der Experte. Dass trotzdem immer mehr Männer diesen Schritt wagen, sieht er als Zeichen eines gesellschaftlichen Wandels: «Wir erleben eine Abkehr vom einseitigen Ernährermodell vergangener Tage.» Neumeyer betont zudem, dass traditionelle Rollenbilder nach wie vor wirksam sind. «Ein echter Kerl arbeitet 100 Prozent – dieses Bild ist nach wie vor tief verankert», sagt er. Gleichzeitig seien es strukturelle Faktoren, die Männer von Teilzeit abhalten: der kurze Vaterschaftsurlaub etwa oder die Tatsache, dass Mütter nach dem Mutterschutz meist automatisch die Hauptbetreuung übernehmen. «Ist die Aufgabenteilung einmal etabliert, wird eine spätere Korrektur schwierig», so Neumeyer.
«Es braucht mehr Akzeptanz»
Die beiden Experten sehen zudem die Unternehmenskultur in der Pflicht. Laut Theunert kommt es nicht auf schöne Leitbilder an, sondern auf das Verhalten im Arbeitsalltag: «Wenn direkte Vorgesetzte und männliche Kollegen Teilzeitarbeit nicht mittragen, braucht es viel innere Grösse und Mut, um den eigenen Wunsch durchzuziehen.» Neumeyer ergänzt, dass Männer im Bewerbungsprozess für Teilzeit-Wünsche spürbar benachteiligt würden: «Ein Mann, der 90 statt 100 Prozent arbeiten will, hat laut einer Studie 17 Prozent weniger Chancen, überhaupt zum Gespräch eingeladen zu werden – bei Frauen sinkt die Wahrscheinlichkeit nur um 2 Prozent.» Damit Teilzeitarbeit für Männer attraktiver wird, brauche es laut beiden Experten vor allem mehr Akzeptanz – auch innerhalb der Wirtschaft: «Teilzeitmitarbeitende sind oft produktiver, aber viele Unternehmen agieren noch ideologisch statt ökonomisch», erläutert Theunert.
Teilzeitarbeit als wichtiger Zukunftsfaktor
Trotz dieser Hindernisse blicken beide Experten optimistisch in die Zukunft. «Ich gehe sehr davon aus, dass sich die Erwerbsbiografien von Männern und Frauen immer mehr angleichen – und Teilzeitarbeit für Männer immer mehr zur selbstverständlichen Karriereoption wird», so Theunert. Neumeyer sieht in dem Arbeitsmodell ebenso grosses Potenzial: «Teilzeitarbeit ist ein wichtiger Faktor auf dem Weg zur Gleichstellung. Wenn junge Männer sich entscheiden, die Karriere auch mal an zweiter Stelle kommen zu lassen und stattdessen die Familie oder die eigene Gesundheit priorisieren, ist das eine positive Entwicklung.»
Weiterlesen - ein Beitrag von Monika Abdel Meseh erschienen am 29.03.25 auf 20min.ch