Zahlreiche Grosskonzerne lassen sich bei der Rückkehr aus dem Homeoffice Zeit. Doch viele Arbeitnehmer sehnen sich nach dem Büro. Nicht wegen der Arbeit, sondern wegen der Kollegen.
Nun gelten also die ersten Lockerungen, die Wirtschaft fährt damit langsam wieder hoch. Viele Unternehmen holen ihre Arbeitnehmer seit Montag wieder zurück in die Büros oder Produktionsstätten. Doch sie lassen sich dabei Zeit, wie eine Umfrage dieser Zeitung unter einigen grossen Arbeitgebern zeigt. So waren etwa beim Pharmakonzern Roche 85 Prozent der Mitarbeiter im Homeoffice, rund 1500 waren auch während des Lockdown vor Ort, seit Montag sind es wieder 3000. Wie es nun weitergeht, hängt von den Vorgaben des Bundes ab.
Eine schnelle Rückkehr ist bei vielen Grosskonzernen nicht geplant. Beim Nahrungsmittelkonzern Nestlé heisst es: «Wir orientieren uns an den Empfehlungen der Landesregierung, dass Homeoffice wann immer möglich weiterhin empfohlen bleibt.»
Weniger Risiken durch Heimbüro
Auch der Versicherer Zurich will nichts überstürzen: «Unbedachte Eile bei der Rückkehr an die Standorte ist nicht geboten, weil sich Zurich Schweiz täglich im Homeoffice-Modus als funktionierende Organisation bewährt und als widerstandsfähig erweist.»
Auch bei der Grossbank UBS hat sich die Arbeit von zu Hause aus bewährt. «Dadurch sind wir in der komfortablen Lage, unseren Betrieb nach und nach anzupassen, ohne etwas zu überstürzen oder unnötige Risiken einzugehen», so eine Sprecherin. Bei der Credit Suisse soll zuerst eine kleine Anzahl wichtiger Mitarbeiter in die Büros zurückkommen, danach weitere Angestellte in wechselnden Gruppen zurückkehren. Dies könnte dann ausgeweitet werden, bis alle wieder zurück an ihrem Arbeitsplatz sind.
Beim Versicher Swiss Life erfolgt nun schrittweise ein Übergang ins Split-Office, wo wöchentlich abwechselnd jeweils ein Teil eines Teams am Arbeitsplatz und der andere Teil von zu Hause aus arbeitet. Generalagenturen und Büros sind wieder geöffnet. Auch bei der Zürcher Kantonalbank findet die Arbeit nun in einem Mix zwischen Arbeit im Büro, Teamsplitting und Homeoffice statt. Alle Mitarbeiter haben zudem eine persönliche Schutzausrüstung bestehend aus Desinfektionsmittel für die Hände und zur grossflächigen Reinigung ihres Arbeitsplatzes sowie einigen Schutzmasken.
Firmen sind mit dem Homeoffice zufrieden
Grosse Arbeitgeber wollen also nichts überstürzen, dies auch, weil sich das Homeoffice in den letzten Wochen vielerorts bewährt hat. Für die Gewerkschaften und Arbeitnehmendenverbände steht der Gesundheitsschutz der Angestellten im Vordergrund. Adrian Wüthrich, Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes Travailsuisse weist auf die nach wie vor geltenden Empfehlungen des Bundes hin. Demnach sollen Arbeitnehmende weiterhin von zu Hause aus arbeiten, wo dies möglich sei. Eine Rückkehr an den Arbeitsplatz sei deshalb nur mit entsprechenden Massnahmen vor Ort akzeptabel.
«Viele Arbeitnehmende haben nach wochenlangem Homeoffice aber auch das Bedürfnis nach Austausch mit ihren Kolleginnen oder gar mit dem Chef.» Denise Chervet, Bankpersonalverband
«Viele Arbeitnehmende haben nach wochenlangem Homeoffice aber auch das Bedürfnis nach Austausch mit ihren Kolleginnen oder gar mit dem Chef», sagt Denise Chervet vom Bankpersonalverband SBPV. Dem müssten die Unternehmen ebenso Rechnung tragen. Gleich sieht das auch Christian Capacoel von der Gewerkschaft Syndicom. Ohne den direkten Austausch untereinander werde das Arbeiten zu Hause auf längere Sicht erschwert.
Nur weil es gut läuft, muss es nicht so bleiben
Da die Umstellung auf Homeoffice sehr plötzlich erfolgt ist, seien viele Heimarbeitsplätze auch nicht für längeres Arbeiten eingerichtet, sagt Capacoel. Es liege in der Verantwortung der Arbeitgeber, dies zu kontrollieren und allenfalls Anpassungen vorzunehmen. Die positiven Erfahrungen der Unternehmen in den vergangenen Wochen dürften kein Argument sein, die derzeitigen Bedingungen zu verstetigen.
Bei vielen Firmen gibt es noch keine Reglemente für den Umgang mit dem Homeoffice. Auch Denise Chervet vom Bankpersonalverband fordert nun von den Unternehmen, klare Regeln zu erlassen, wenn sie Homeoffice auch künftig ermöglichen wollen. Dabei seien auch die betriebsinternen Arbeitnehmervertretungen mit einzubeziehen. Keinesfalls dürfe Homeoffice zu einer Sparmassnahme werden, indem die betriebsinternen Arbeitsplätze weiter abgebaut werden.
Die Heimarbeit dürfte also weiter an Bedeutung gewinnen. Das zeigt sich auch in Bern. Der Bundesrat soll in einer Analyse das Potenzial der Telearbeit und die Auswirkungen auf den Verkehr während der Coronakrise darstellen, fordert SP-Nationalrat Bruno Storni. In eine ähnliche Richtung geht das Postulat der Genfer Nationalrätin Isabelle Pasquier. Der Bundesrat soll unter anderem aufzeigen, welche Bedingungen es braucht, um die Fortsetzung der Telearbeit in Unternehmen zu fördern.
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