Vor vier Jahren sagte das Volk Ja zu zwei Wochen Vaterschaftsurlaub – nun soll der nächste Schritt folgen. Eine gemeinsame Elternzeit wird derzeit auf kantonaler und nationaler Ebene diskutiert. Ende Januar wird sich die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S) dem Thema annehmen.
Was sind die konkreten Forderungen?
Es stehen unterschiedliche Ideen im Raum: Einerseits verlangt eine überparteiliche Allianz aus Grünen, GLP, den Mitte-Frauen sowie Travail Suisse und Alliance F die Einführung von je 18 Wochen «Familienzeit» für Mütter und Väter. Dies wollen sie mittels einer Volksabstimmung erreichen, die Unterschriftensammlung soll im Frühling beginnen. Andererseits gab es mehrere Vorstösse auf kantonaler Ebene. Im Kanton Genf wurde etwa ein 24-wöchiger Elternurlaub durch die Stimmbevölkerung angenommen – nur darf dieser nicht eingeführt werden, weil der Bundesrat findet, dass die Finanzierung nicht mit dem Bundesrecht vereinbar ist. Per Standesinitiative fordert der Kanton Genf nun beim Bund, dass Kantone die Befugnis erhalten, einen Elternurlaub einführen zu dürfen. In Thurgau, Bern und Zürich wurden in den vergangenen Jahren Initiativen zur Elternzeit abgelehnt. Im Bundeshaus werden sich die zuständigen Kommissionen zudem über Standesinitiativen der Kantone Wallis und Tessin beugen, die die Einführung einer nationalen Elternzeit fordern und von der jungen Mitte initiiert wurden. Sie schlagen konkret insgesamt 20 Wochen für beide Elternteile vor – mit der Bedingung, dass der Mutterschaftsurlaub nicht weniger als die aktuellen 14 Wochen und der Vaterschaftsurlaub mindestens 20 Prozent der gesamten Elternzeit beträgt. «Ein grosses volkswirtschaftliches Potenzial bleibt derzeit ungenutzt, weil notwendige Reformen zur Elternzeit aus ideologischen Gründen blockiert werden», sagt Marc Rüdisüli, Präsident der jungen Mitte. Es sei Zeit für eine «tragfähige nationale Lösung», die breite Unterstützung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft finde. Behandelt wird auch eine Standesinitiative des Kantons Jura, der die Bundesversammlung auffordert, die rechtlichen Grundlagen für eine Elternzeit auszuarbeiten.
Das sagen Befürworter und Gegner in der Kommission
SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen wird sich für die Annahme der Vorstösse einsetzen: «Die Einführung einer Elternzeit ist überfällig, ihre Wirkung wäre für alle positiv.» Eine Elternzeit fördere die Gesundheit von Mutter und Kind, stärke die Vater-Kind-Beziehung, verbessere die Gleichberechtigung und erhöhe das Fachkräftepotenzial und die Produktivität für die Wirtschaft. «Ideal wären 36 Wochen Elternzeit – also je 18 Wochen», findet die SP-Frau. Sogar seitens der SVP gibt es mittlerweile Sympathien für das Vorhaben: Zwar will sich SVP-Ständerat Hannes Germann vor der Kommissionsdebatte noch nicht festlegen – es sei aber klar, dass etwas gemacht werden müsse, meint er. «Wir wollen ja nicht, dass die gut gebildeten Arbeitnehmenden keine Kinder mehr haben oder dann Kinder haben, aber dafür aus dem Arbeitsleben ausscheiden.». Welcher Weg – ob eine nationale, vom Bund festgelegte Elternzeit, kantonale Lösungen oder das Abwarten der Familienzeit-Initiative – der richtige ist, könne er derzeit nicht sagen. «Ich bin gegen eine massive Ausweitung des Urlaubs, aber etwas mehr dürfte es schon sein. Wichtig ist, dass die Eltern die Freiheit erhalten, selbst über die Aufteilung zu entscheiden», so Germann. Und: Man dürfe nicht diejenigen Familien diskriminieren, die sich etwa für eine 100-zu-0-Aufteilung entscheiden. Die Vorlagen «mit aller Kraft ablehnen» will hingegen FDP-Ständerat Josef Dittli: Er unterstütze ein Modell, welches einen Mutterschaftsurlaub von 16 Wochen aufgeteilt hätte – acht Wochen zugunsten der Mutter und die zweiten acht Wochen nach eigener Aufteilung, entweder für Vater oder Mutter. «Alles andere an Elternzeit, Vaterschafts- oder Mutterschaftsurlaub, welches weitergeht, kann ich keinesfalls unterstützen», sagt der Urner. «Dies ist für unsere Gesellschaft, die Arbeitgeber, Arbeitnehmer und den Steuerzahler viel zu teuer und schlicht nicht finanzierbar.» Ähnlich abgeneigt zeigt sich Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller. Eine nationale Elternzeit würde zu «höheren Lohnabzügen für die Arbeitnehmenden und zu einer höheren Belastung für die Betriebe führen». Zudem solle zuerst die Finanzierung und Sicherung der AHV mit der 13. AHV-Rente angegangen werden, findet sie. Hand bieten könne Häberli-Koller jedoch einer Lösung, die es den Kantonen ermöglicht, eine Elternzeit einzuführen. Diese sollten dann auch die Kosten selber tragen, so die Mitte-Frau.
Wie stehen die Chancen für eine Elternzeit?
Kommt es zur Volksinitiative, könnte diese angenommen werden: Gemäss einer Sotomo-Studie im Auftrag der Jungen Mitte im Jahr 2023 würden zumindest 57 Prozent der Bevölkerung eine Elternzeit unterstützen. Sogar im Ständerat scheint ein Ja zur Elternzeit nicht mehr gänzlich ausgeschlossen: Fraglich bleibt jedoch, ob es letztlich eine nationale Lösung auf Bundesebene geben wird, den Kantonen die Befugnis für ihre eigenen Lösungen erteilt wird – oder die Familienzeit-Initiative abgewartet wird. Nach der SGK-S wird sich auch die Schwesterkommission im Nationalrat mit dem Thema befassen.
So ist die aktuelle Situation
Erwerbstätige Mütter erhalten heute 14 Wochen Mutterschaftsurlaub. Der Urlaub beginnt in der Regel ab dem Tag der Geburt. Erwerbstätige Väter oder Ehepartnerinnen der biologischen Mutter haben seit 2021 Anspruch auf zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Beide Elternteile erhalten während des Urlaubs 80 Prozent ihres Lohns (maximal 220 Franken pro Tag).
Weiterlesen - ein Beitrag von Christina Pirskanen erschienen am 27.01.25 auf 20min.ch