Die Daten des Bundesamts für Statistik zeigen: Die Erwerbslosenquote von 55- bis 64-Jährigen ist nicht höher als diejenige von jüngeren Generationen. Allerdings ist der Anteil an Langzeit-Erwerbslosen deutlich höher. Das liege daran, dass ältere Menschen seltener entlassen würden und meist stabilere Arbeitsverhältnisse haben, so Maienfisch. «Wenn ältere Personen jedoch arbeitslos werden, ist ihre Wiedereingliederung oft schwieriger und dauert länger.» Dafür gebe es verschiedene Gründe: Meist lägen die Bildungsabschlüsse älterer Personen länger zurück und firmenspezifische Spezialisierungen würden in anderen Unternehmen nicht benötigt. Ausserdem habe sich auch das Stellenangebot im Vergleich zu früher verändert.
SP-Nationalrätin Barbara Gysi berichtet Nau.ch, sie habe zahlreiche Zuschriften von Betroffenen erhalten. Diese würden sich grosse Sorgen machen. «Viele haben Existenzängste», sagt Gysi. Sie selbst spricht sich klar gegen die Reform aus: Die Gefahr sei gross, «dass mit diesen Abbauvorhaben vermehrt Witwen mit Kindern in die Armut abrutschen». Wer kinderlos sei oder keine Kinder zu unterstützen habe, der habe auch eine andere Ausgabenstruktur, sagt dagegen FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. Er findet: «Es ist für diese Personen zumutbar, einer Arbeit nachzugehen.» Auch Silberschmidt räumt aber ein: «Nach einer längeren Zeit ohne Arbeit ist es schwieriger, wieder eine Stelle zu finden.» Es gebe jedoch viele offene Stellen in der Schweiz, und auch nach längerer Erwerbslosigkeit sei der Wiedereinstieg möglich.
Defizite der Hausfrauen «stehen im Vordergrund»
Tobias Roder, Berufs- und Laufbahnberater im BIZ Thun, bestätigt diese Ansicht nur teilweise: Irgendein Wiedereinstieg sei vermutlich fast immer möglich. Allerdings handle es sich dabei häufig um Tätigkeiten mit geringen Anforderungen. «Das ist in der Regel nicht das, was sich die betroffenen Menschen wünschen.» Schliesslich haben diese mehrere Jahre anspruchsvolle Familien- und Erziehungsarbeit ohne Lohn und mit wenig gesellschaftlicher Anerkennung übernommen. Durch die jahrelange Tätigkeit als Hausfrau erworbene Qualifikationen würden auf dem Arbeitsmarkt jedoch nicht anerkannt. «Die Defizite aus der langen Erwerbslosigkeit stehen im Vordergrund», so Roder.
Mütter mit kleinen Kindern arbeiten öfter
Maienfisch vom Seco stellt fest: «In der Schweiz ist in den letzten 20 Jahren der Anteil erwerbstätiger Frauen über 55 Jahren stark gestiegen.» Trotzdem zeige sich: Männer im höheren Alter sind generell stärker im Arbeitsmarkt verankert. So liegt im Alter zwischen 55 und 64 Jahren die Erwerbsquote der Frauen bei 71,6 Prozent. Von den Männern arbeiten 83,8 Prozent. Interessant: Mütter mit jüngstem Kind unter 25 Jahren weisen eine Erwerbsquote von 79,3 Prozent auf. Von den Frauen, die keine Kinder unter 25 haben und mit einem Partner zusammenleben, arbeiten jedoch nur 69,7 Prozent. Sie wären somit von der Änderung der Witwenrente wohl stärker betroffen.
Weiterlesen - ein Beitrag von Dina Müller erschienen am 03.12.24 auf nau.ch