Angesichts der hohen Kita-Kosten zögern viele Mütter, ihr Arbeitspensum aufzustocken. Die Politik ringt um Lösungen.
Rot, gelb, blau, grün: Dutzende Kinderstiefel stehen fein säuberlich angeordnet auf dem Bundesplatz. Mittendrin im Gummistiefel-Meer steht Flavia Kleiner vom Frauen-Dachverband Alliance F. «Wir vertreten hier die Eltern und Kinder, die sich an den Ständerat richten und sagen: Lass uns nicht im Regen stehen.» Die Kita-Kosten seien viel zu hoch und müssten gesenkt werden. «Und heute haben wir die Chance dazu», sagt Kleiner. Vom Bundesplatz gehts in den Ständerat. Dort sind linke Politikerinnen und Politiker für Subventionen bei den Kita-Tarifen, ebenso die meisten Ständeräte aus der Mitte-Partei. Auch FDP-Ständerat Matthias Michel spricht sich für die Subventionen aus. Denn sie seien ein Anreiz, damit Mütter mit einem höheren Pensum arbeiteten. Das sei auch im Sinne der Wirtschaft: «Es muss ein Ruck durch dieses Land gehen, um die Rahmenbedingungen für Familien zu verbessern. Das ist weder ein linkes noch ein rechtes Anliegen. Es ist ein Anliegen verschiedener Kreise und der Volkswirtschaft.» Davon will SVP-Ständerat Jakob Stark gar nichts wissen: «Wir brauchen keine Giesskannenlösung, die unabhängig vom Einkommen Geld verteilt. Sie schaffen hiermit eine unverhältnismässige finanzielle Belastung für die Wirtschaft.»
600 Millionen Franken pro Jahr kostet die Kita-Verbilligung, oder Betreuungszulage, wie sie offiziell heisst. Finanziert würde sie wie die Familienzulagen. Das heisst: Hauptsächlich würden die Arbeitgeber, also die Firmen, zahlen. Die Kantone könnten die Finanzierung aber für sich anpassen, sagt Benedikt Würth von der Mitte-Partei: «Sie können eigene Beiträge für die Finanzierung einschiessen und analog der heutigen Praxis die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an der Finanzierung beteiligen.»
In den Mühlen der Politik
Im Ständerat reichte die Zeit nicht, um alle Entscheide zu treffen. Hauchdünn sagte die kleine Kammer Nein zu zusätzlichen Bundesgeldern, um Kitas zu fördern. Der Kita-Rabatt für Eltern ist aber mehrheitsfähig. Über die Details ist noch nicht entschieden. Und wie immer in der Schweizer Politik wird auch der Kita-Rabatt noch mehrere Runden im National- und Ständerat drehen. Fabio Regazzi, Mitte-Ständerat und Präsident des Gewerbeverbands, will das nutzen, um die Zulage doch noch zu Fall bringen: «Wir werden das nicht akzeptieren», kündigt der Tessiner an. Kleine und mittlere Betriebe hätten heute bereits Probleme. Wenn jetzt noch eine Betreuungszulage dazukomme, sei das nicht mehr bezahlbar. «Dann gibt es eben weniger Spielraum für Lohnerhöhungen. Das ist sicher nicht im Interesse der Arbeitnehmer», sagt Regazzi. Er zweifle auch daran, dass ein Kita-Rabatt von 20 Prozent einen Effekt hätte und tatsächlich viel mehr Frauen ihr Pensum aufstocken würden.
Alliance F wirbt für höhere Rabatte
Tatsächlich ist das umstritten. Zweifel hat auch Flavia Kleiner vom Frauen-Dachverband Alliance F, die draussen auf dem Bundesplatz zwischen den bunten Kinderstiefeln steht. Für sie ist der Rabatt zu tief: «Wir wünschen uns viel mehr. Wenn wir schon solche Umverteilungen der Kosten beschliessen, müssen sie auch einen Effekt haben.» Immerhin mache der Ständerat nun einen Anfang, sagt Kleiner. Die Gummistiefel haben ihren Zweck erfüllt. «Jetzt spenden wir sie an ein Kinderhilfswerk in der Ukraine. Wir haben den Eltern auch versprochen, dass sie den Weg zurück zu Kindern finden.»
So soll die Betreuungszulage aussehen
Pro Wochentag, den ein Kleinkind in der Kita verbringt, gibt es 100 Franken pro Monat – maximal also 500 Franken pro Monat. Im Schnitt entlastet das die Kita-Rechnung von Müttern und Vätern um 20 Prozen
Weiterlesen - ein Beitrag von Dominik Meier, Rendez-vous, 04.12.2024, 12:30 Uhr