Kinderarmut in der Schweiz Die Sozialhilfe für Kinder reicht nicht aus

Viele Familien sind auf Sozialhilfe angewiesen. Doch die genügt oft nicht, um den Lebensstandard zu sichern. Das zeigt eine neue Studie.


Mehr als ein Sechstel aller Minderjährigen in der Schweiz war 2022 armutsgefährdet. Bereits im vergangenen Jahr kritisierte deshalb das Kinderhilfswerk Unicef das Land: «Die Schweiz ist eines der reichsten Länder Europas, trotzdem ist in den letzten zehn Jahren die Kinderarmut um zehn Prozent gestiegen.» Ein neuer Bericht des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (Bass) zeigt nun: Die Sozialhilfe ist zu wenig an die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen angepasst.

«Der Grundbedarf für Familienhaushalte ist in der
Sozialhilfe tendenziell zu niedrig angesetzt.»

Mirjam Ballmer, Skos

«Die Studie zeigt erstmals, dass der Grundbedarf für Familienhaushalte in der Sozialhilfe tendenziell zu niedrig angesetzt ist. Dies führt zu einer strukturellen Unterdeckung, die die Existenzsicherung gefährdet», sagt dazu Mirjam Ballmer. Sie ist Vizepräsidentin der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos), welche die Untersuchung in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis ist klar: Vor allem bei Familien mit mehreren Kindern reicht das Geld von der Sozialhilfe oft nicht für die soziale Existenzsicherung aus. Laut dem Bass wird das Alter der Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, zu wenig beachtet: Die aktuellen Skos-Richtlinien sehen für ein Kleinkind dieselben Unterstützungsleistungen vor wie für Teenager. Das Problem liege am System, sagt Corinne Strebel, Leiterin des Beobachter-Beratungszentrums und Rechtsexpertin. Bei Familien wird das Geld nach Anzahl Köpfen aufgeteilt – und je mehr Mitglieder eine Familie hat, desto weniger Geld gibt es pro Person. So erhält eine Einzelperson laut Skos-Vorgaben 1031 Franken im Monat, eine fünfköpfige Familie aber nur rund 2495 Franken, um ihren Grundbedarf zu decken. Pro Person sind das nur noch 499 Franken. Eine Unterteilung nach Alter würde daran nichts ändern, denn mehr als eine erwachsene Person erhalte ein Kind ohnehin nie. «Man kann aber darüber diskutieren, ob diese Skos-Abstufungen gemäss Anzahl Personen angepasst werden müssen», sagt Strebel.

Zu wenig Geld für Skilager oder Musikstunden

Gerade für Kinder ist es belastend, knapp über der Armutsgrenze zu leben, weil es ihnen oft kaum möglich ist, an einem normalen Sozialleben teilzunehmen. Ob ein Kind einen Sportkurs, den Klavierunterricht oder das Skilager besuchen kann, wird durch die Höhe von sogenannten situationsbedingten Leistungen definiert – doch die fallen von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich hoch aus. Chancengleichheit gibt es nicht.

«Am besten könnte dieses Problem gelöst werden, wenn die
Sozialhilfe auf Bundesebene geregelt wird.»

Corinne Strebel, Leiterin des Beobachter-Beratungszentrums

Es fehlen klare Richtlinien der Skos. Für Strebel ist das ein grosses Problem: «Man kann sich nicht darauf verlassen, dass sie eine Leistung wie das Skilager übernimmt», sagt sie. «Am besten könnte dieses Problem gelöst werden, wenn die Sozialhilfe nicht mehr auf Kantonsebene, sondern auf Bundesebene geregelt wird.» Auch die Studienverfasser fordern eine einheitliche Regelung und deutliche Vorgaben der Skos. Politische Gremien wie die Sozialdirektorenkonferenz und die Städteinitiative Sozialpolitik diskutieren nun über notwendige Anpassungen, um die Sozialhilfe und damit das Kindeswohl zu stärken.

Wie SOS Beobachter hilft

Die Grenzen der situationsbedingten Leistungen spürte zuletzt auch die Familie Rohrer, die in Wirklichkeit anders heisst: Als die Mutter ihre Stelle verlor, reichte es trotz Arbeitslosenversicherung nur noch für das Nötigste. Das neue Handballtrikot für die Tochter, das diese für die Teilnahme an Ligaspielen benötigt, lag nicht mehr drin. Hier konnte die Stiftung SOS Beobachter im Frühling Abhilfe verschaffen: Sie bezahlte das Trikot und stellte so sicher, dass die Tochter auch zukünftig an ihren Handballspielen teilnehmen kann. Unterstützung erhalten

Weiterlesen - ein Beitrag von erschienen am 17.10. auf beobachter.ch




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