Für viele Familien ist es Alltag: Während die Eltern zur Arbeit gehen, besuchen die Kinder die Kita, einen Hort oder eine Tages-Familienorganisation. Doch Brachenorganisationen dieser familienergänzenden Betreuung sorgen sich nun wegen des Fachkräftemangels um die Qualität der eigenen Angebote.
Jubel, Trubel, Heiterkeit an diesem Nachmittag in einer Kita mitten in der Stadt Zürich: Die Kinder singen, spielen, einige haben einen Mittagsschlaf gemacht, einige essen etwas Obst. «Damit die Kinder wieder Energie bekommen», sagt Ariane Piguet, Co-Leiterin der Kita «kihz sumatra».
56 Kinder werden hier insgesamt betreut, jeweils von morgens um 7 bis abends 18:30 Uhr. Die Kinder dürfen vieles mitbestimmen: Etwa, ob sie auf einen Ausflug möchten oder wie sie den Nachmittag verbringen wollen. Das klappt aber nur, wenn genügend Betreuungspersonen anwesend sind. So wie an diesem Nachmittag.
Austrittsquote von 30 Prozent
In vielen Kitas ist das aber eher die Ausnahme als die Regel. Grund: Offenen Stellen können gar nicht erst besetzt werden, Personal fällt oftmals aus wegen Krankheit und zu hoher Belastung. Die Arbeitsbelastung für Betreuungspersonen ist hoch, die Rahmenbedingungen und die Gehälter oftmals wenig attraktiv.
Einige ausgebildete Fachpersonen kehren dem Betreuungsberuf den Rücken, bevor sie richtig Fuss gefasst haben. Maximiliano Wepfer der Fach- und Arbeitgeberorganisation Kibesuisse spricht von einer Austrittsquote von 30 Prozent, deutlich mehr als in anderen Branchen.
Zusammen mit drei weiteren Branchenorganisationen appelliert kibesuisse in einem offenen Brief an die Behörden und Politikerinnen. «Es geht nicht einfach um höhere Löhne, sondern auch um Massnahmen, die zur Qualität der Arbeit beitragen», sagt Maximiliano Wepfer.
Die Qualität gehe einher mit der Professionalisierung. Auch hier sehen die Branchenexperten Handlungsbedarf. In vielen Betreuungsteams, vor allem in der Deutschschweiz, sei beispielsweise der Anteil des nicht ausgebildeten Personals zu hoch. Das müsste sich ändern. «Praktikanten oder Lernende sind noch in Ausbildung. Sie dürften eigentlich nicht voll in den sogenannten Betreuungsschlüssel eingerechnet werden», so Wepfer.
Der Betreuungsschlüssel definiert, wie viele Fachpersonen für die Betreuung eines Kindes zur Verfügung stehen. Kantonal gibt es bei diesen Schlüsseln noch immer grosse Unterschiede – ohne plausible Gründe. Eine Vereinheitlichung wäre aus Sicht vieler Expertinnen wünschenswert.
Branche muss wieder attraktiver werden
Die Professionalisierung müsse aber mit ausreichender Finanzierung einhergehen, so die Vertreter der Kinderbetreuungsbranchen. Die zuständigen Behörden sollten die Finanzierungsmodelle so gestalten, dass in allen Sprachregionen alle Mitarbeitenden mit abgeschlossener, eidgenössisch anerkannter Grundbildung auch angestellt werden könnten. Zudem sollten 50 Prozent dieser Mitarbeitenden bis 2030 einen tertiären Abschluss erlangen.
Subventionierungen und Finanzierungsmodelle werden politisch noch zu reden gaben. Gemäss Maximiliano Wepfer lohnen sich diese Massnahmen aber alleweil. Die Branche werde dadurch attraktiver – und Attraktivität wieder führe dazu, dass ausgebildetes Fachpersonal nicht in andere Branchen abwandert.
Weiterlesen - ein Beitrag vom 04.09.2024 erschienen auf srf.ch