Seniorinnen und Senioren werden älter und fühlen sich jünger

Die Schweizer Bevölkerung wird immer älter. Die Lebenserwartung steigt und nach der Pensionierung besteht die Aussicht auf einige gesunde Lebensjahre, die aktiv genutzt werden können. Subjektiv fühlen sich Seniorinnen und Senioren erst mit 80 Jahren als alt. Bei den Lebens- und Haushaltsformen oder bei der nachberuflichen Lebensgestaltung zeigt sich eine wachsende Vielfalt. Ungleichheiten lassen sich bei der finanziellen Situation, der Gesundheit und der sozialen Partizipation feststellen. Dies sind einige Resultate der zweiten Ausgabe des Panoramas Gesellschaft Schweiz zum Thema älter werden und Alter in der heutigen Gesellschaft.

Die neue Publikation «Panorama Gesellschaft Schweiz» beleuchtet in neun Kapiteln verschiedene Aspekte des Älterwerdens und des Alters. Ziel ist es, ausgewählte Themen zu vertiefen. Dabei entsteht ein differenziertes und vielschichtiges Bild verschiedener Aspekte und Dimensionen des Alterns in der Schweiz.

Die neue Qualität des Alterns

Die heutigen Seniorinnen und Senioren besitzen nicht nur eine höhere Lebenserwartung als frühere Generationen; sie sind in der Regel auch gut ausgebildet und mehrheitlich finanziell ausreichend abgesichert. Zudem bleiben sie zu einem grossen Teil relativ lange gesund. Viele ältere Menschen sind persönlich oder sozial aktiv und tragen so zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Sie entsprechen deshalb nicht mehr dem herkömmlichen defizitären Bild des Alterns, das mit dem Abbau körperlicher und kognitiver Fähigkeiten, Inaktivität, sozialem Rückzug, Einsamkeit sowie Bedürftigkeit und Abhängigkeit assoziiert wird. Dies zeigt sich auch bei der eigenen Einschätzung der älteren Menschen: Der subjektiv gefühlte Beginn des «Altseins» hat sich von durchschnittlich 69 Jahren (in den 1990er Jahren) auf rund 80 Jahre erhöht.

Allerdings schützt die längere Lebenserwartung nicht vor Krankheiten und körperlichen Einschränkungen. Zudem kumulieren sich über den gesamten Lebensverlauf individuelle biographische Ereignisse sowie Bevor- und Benachteiligungen systematisch bei bestimmten Bevölkerungsgruppen aufgrund von Geschlecht, sozialer Herkunft oder Migrationshintergrund. Zunehmende Diversität und Ausdifferenzierung der Lebenssituationen zeichnen also das Altern aus, das durch mehr Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch durch soziale Ungleichheiten gekennzeichnet ist. Die Lebenssituation im «drittem Lebensalter» (zwischen 65 und 80 Jahren), in dem die Menschen mehrheitlich aktiv und gesund sind, unterscheidet sich von derjenigen im «vierten Lebensalter» (ab 80 Jahren), in dem die Menschen zunehmend Krankheit oder Abhängigkeit erleben. Dabei ist das relative Wachstum der Altersgruppe 80+ am höchsten.

Freiwilliges Engagement, mehr Mobilität und mehr ambulante Pflege

Knapp ein Viertel der 65- bis 74-Jährigen und ein Zehntel der über 74-Jährigen ist im Rahmen organisierter Freiwilligenarbeit in Vereinen und Institutionen aktiv. 40% bzw. 20% engagieren sich auf informelle Weise freiwillig. Dieses Engagement wird häufig für andere ältere Personen oder für die Betreuung von (Enkel-)Kindern geleistet.

Die grössere Heterogenität und Vielfalt der Lebenssituationen älterer Menschen ist auch eine Folge der zunehmenden Mobilität in einer globalisierten Welt. Das internationale Mobilitäts- und Migrationsverhalten wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, z. B. von Lebenshaltungskosten, familiären Motiven, Wohneigentum, Freizeit und Klima - sowohl bei den Personen mit als auch bei Personen ohne Migrationshintergrund.

Vor dem Hintergrund der steigenden Lebenserwartung und Diversität hat sich auch die Langzeitpflege verändert. Die institutionelle Pflege (Alters- und Pflegeheime) ist rückläufig, die ambulante Pflege und intermediäre Modelle (Tagesbetreuung, Nachtbetreuung, Kurzaufenthalte in Alters- und Pflegeheimen, Alterswohnungen etc.) nehmen an Umfang zu. Die Grenzen zwischen stationärer Versorgung und dem Verbleib zuhause verschwimmen immer mehr. Diese Entwicklung ist zwar generell, zwischen den Regionen und Kantonen bestehen aber grosse Unterschiede.

Bildung und Einkommen wichtige Ungleichheitsfaktoren

Trotz der mehrheitlich guten Situation der älteren Bevölkerung ist Altersarmut weiterhin präsent. Insbesondere Personen, deren Einkommen hauptsächlich aus Leistungen der ersten Säule besteht (Alters- und Hinterlassenenversicherung AHV und gegebenenfalls Ergänzungsleistungen), stehen häufig finanziell schlecht da; sie weisen eine überdurchschnittlich hohe Quote materieller und sozialer Deprivation auf. Weitere Merkmale der Armut im Alter sind Geschlecht, Alter, Partnerschaft, Nationalität, Bildungsstand. Diese Faktoren waren bereits für die «traditionelle» Altersarmut des 20. Jahrhunderts massgebend. Sie spielen auch für gesundheitliche Ungleichheiten eine Rolle: Bildungsniveau, Einkommen, Migrationserfahrung sowie soziale Isolation können den Gesundheitszustand im Alter und die Lebenserwartung beeinflussen.

Analoges gilt hinsichtlich der Möglichkeiten der gesellschaftlichen Partizipation. Deren Grad steht in engem Zusammenhang mit dem Bildungsniveau, dem Einkommen sowie weiteren Ungleichheitsfaktoren. Dies, obwohl entsprechende Angebote wie Weiterbildung, körperliche und sportliche Aktivitäten, das Engagement in der Freiwilligenarbeit, politische Partizipation oder digitale Aktivitäten ebenso zugenommen haben wie die beruflichen Tätigkeiten.

Das Altern als Individuum und als Gesellschaft ist im Wandel und wird sich - unter dem Einfluss und dem Zusammenwirken verschiedener Faktoren - auch in Zukunft verändern, wie das vorliegende «Panorama Gesellschaft Schweiz 2024» aufzeigt.

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