Schuldenberatungen sind am Anschlag - Ansturm wegen steigender Kosten

Mit den Steuern beginnt häufig die Schuldenspirale. Immer mehr Menschen gehen in die Schuldenberatung, doch noch viel mehr bräuchten Hilfe. Immer mehr Menschen sind verschuldet. Schuldenberater können die Nachfrage nicht mehr abdecken. Seit diesem Jahr dürfen Kreditgeber noch höhere Zinsen für Barkredite verlangen. Doch die häufigste Schuldenart sind die Steuern.

Miete, Krankenkasse und Lebensmittel: Alles wird teurer. Das treibt die Menschen in die Schulden.Jede zwanzigste erwachsene Person in der Schweiz hat gemäss Wirtschaftsauskunftei Crif wegen nicht bezahlter Rechnungen Betreibungen ab Fortsetzungsbegehren, Konkurse und Verlustscheine. Betreibungsämter in Zürich kommen an ihre Grenzen. In einem solchen Stadium wird es schwer, die Schulden aus eigener Kraft zu stemmen. Die Schuldenberatungsstellen haben eine stete Zunahme. «Es kommen immer mehr zu uns», sagt Barbara Bracher, Stellenleiterin der Fachstelle für Schuldenfragen Luzern, zum «Boten der Urschweiz».

«Wir können die Nachfrage nicht abdecken»

Andere Kantone registrieren laut Bracher dieselbe Entwicklung. Raphael Kuster, Co-Leiter der Berner Schuldenberatung, bestätigt: «Seit Corona ist die Nachfrage ungebrochen hoch, die wir nicht abdecken können. Wir sind am Anschlag.» Die Berner Schuldenberatung leiste seither mehr Stunden, als der Kanton bezahle. «Zum Glück können wir durch Spenden und eigene Mittel die zusätzliche Nachfrage aktuell noch abdecken, sonst wäre es nicht mehr möglich», sagt Kuster zu 20 Minuten.

Viele verzichten aus Scham auf Schuldenberatung

Allerdings nehmen nur etwa zehn bis 15 Prozent der verschuldeten Menschen die Angebote von Schuldenberatungen in Anspruch, wie Studien in Deutschland zeigen. Viele melden sich auch erst spät. Kuster erklärt: «Schulden sind in der Gesellschaft schambehaftet. Es braucht Überwindung, zu uns zu kommen.» Er sehe oft, dass Verschuldete versuchen, selber Lösungen zu finden. «Sie nehmen unter dem Druck der vielen Rechnungen einen Kredit auf, aber davon raten wir dringend ab. Das ist eine Umschuldung, die wegen der Zinsen zu weiteren Kosten führt», so Kuster.

Kreditzinsen noch höher

Die Zinsen auf Konsumkredite dürfen seit diesem Jahr sogar noch höher sein. Je nach Anbieter sind die Zinsen unterschiedlich, dürfen neu aber maximal zwölf Prozent der Kreditsumme betragen, ein Prozent mehr als zuvor. Damit könnten die Schuldbeträge noch mehr steigen. Barkredite waren im letzten Jahr aber nur die siebthäufigste Schuldenkategorie bei der Berner Schuldenberatung (siehe Tabelle). Mit Abstand am wichtigsten sind die Steuern mit durchschnittlich 37'600 Franken. Mit den Steuern beginnt häufig die Schuldenspirale, sagt Kuster im Interview mit 20 Minuten (siehe unten).

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«Es kann jeden treffen»

 

Was sind die häufigsten Gründe für eine Verschuldung?
Es kann jeden treffen, wir spüren, wie die Budgets der Leute wegen der steigenden Kosten enger werden. Häufige Verschuldungsursachen sind Krankheit oder Unfall, eine Überforderung, eine Trennung oder eine kühne Geldplanung. Auch ein Auszug aus dem Elternhaus, Arbeitslosigkeit und Working Poor sind häufige Gründe.

Was soll man bei einer Verschuldung tun?
Als Erstes die zuständige Schuldenberatungsstelle vom Kanton aufsuchen. Dort kann man sehen, was es für Möglichkeiten gibt.

Was bietet die Schuldenberatung?
Wir erstellen in Beratungsgesprächen ein Budget mit den Schuldnern. Auf Basis der aktuellen Lebenssituation und den Einnahmen können wir die Möglichkeiten einer Schuldenregelung aufzeigen. Das kann von Leben mit Schulden, zu einem Privatkonkurs bis hin zu einer Schuldensanierung gehen. Im besten Fall kann man eine Schuldensanierung machen, in so einem Fall verhandeln wir mit den Gläubigern eine Abzahlung der Schulden. Ziel ist eine vollständige Entschuldung in drei Jahren.

Kostet das etwas?
Das ist kantonal unterschiedlich. Bei der Berner Schuldenberatung ist die Telefonberatung und Erstberatung kostenlos. Für Schuldenregelungen, wie beispielsweise einer Schuldensanierung, zahlt der Kanton nur wenige Stunden, daher müssen wir in diesem Fall auch Mandatskosten verlangen.

Was hilft, um gar nicht erst in die Schuldenfalle zu kommen?
Als Schuldenberatungsstelle raten wir dringend von Krediten zum Begleichen von Rechnungen ab. Bei den Zahlungen ist es wichtig, dass die Fixkosten wie beispielsweise Miete und Krankenkasse bezahlt werden. Auch empfehlen wir, dass regelmässige Rückstellungen für die Steuern gemacht werden. Gerade Krankenkassenschulden und Steuern sind ein häufiger Grund, wie eine Schuldenspirale beginnt.

Warum sind Steuerschulden so gefährlich?
Weil das in der Regel ein grosser Ausgabeposten ist. Ausserdem kann man bei einer Pfändung keine Steuern bezahlen. Dadurch steigen die Steuerschulden jährlich weiter an.

Weiterlesen - ein Beitrag von Fabian Pöschl erschienen am 29.07.24 auf 20min.ch