Ansturm auf Caritas-Märkte - «Für diese Personen ist man in der Schweiz nicht wirklich da!»

Hunderttausende Menschen in der Schweiz können sich den Einkauf bei den grossen Detailhändlern nicht leisten. Sie sind auf die günstige Ware in den Caritas-Märkten angewiesen. Die Umsätze in Caritas-Märkten bleiben auf Rekordhöhe. Blick hat mit Betroffenen gesprochen.

Adrian S.* (23) geht seit zwei Jahren im Caritas-Markt einkaufen. «Als Velokurier verdiene ich nicht viel Geld», erklärt er gegenüber Blick. Bis zweimal die Woche deckt er sich deshalb mit den vergünstigten Produkten ein. «Ich finde es cool, dass es dieses Angebot gibt. Ich kaufe hier vor allem Milch, Früchte, Snacks und Konservendosen wie beispielsweise Thunfisch.» Im Caritas-Markt einkaufen darf S., weil er ein geringes Einkommen hat. Aber auch Asylsuchende, Flüchtlinge, Personen, die Sozialhilfe, Ergänzungsleistungen oder Stipendien erhalten – sie alle können vom Angebot profitieren. So auch Maria C.*. Die Seniorin ist vor zwei Jahren aus der Ukraine geflüchtet. Seither geht sie einmal die Woche im Caritas-Markt ihre Besorgungen erledigen. «Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit. Es ist eine grosse Hilfe für mich», sagt die Ukrainerin. Neben Lebensmitteln greift sie auch bei Shampoo und Hygieneartikeln zu. Blick konnte vor dem Caritas-Markt in Zürich mit beiden sprechen. 

Umsatzzahlen auf Rekordniveau

Adrian P. und Maria C. zählen zu den 750'000 Menschen in der Schweiz, die auf das Angebot von Caritas angewiesen sind. Insgesamt besuchen täglich 4000 Kundinnen und Kunden die 23 Läden. Damit ist die Frequenz im ersten Halbjahr 2024 gleich hoch wie im Vorjahr. Kein Grund zur Freude meint der Leiter der Märkte, Thomas Künzler (63): «Der Umsatz liegt nach sechs Monaten wie im Vorjahr bei 8,9 Mio. Franken. Damit liegen die Zahlen immer noch auf dem Rekordniveau von 2023.» Eine Verbesserung der Lage sei nicht in Sicht. Schuld gibt Künzler allen voran der Inflation, obwohl diese im Juni auf 1,3 Prozent gesunken ist. «Die Preise der Grundnahrungsmittel liegen immer noch auf einem sehr hohen Niveau.» Ein Preisvergleich der Caritas von September 2021 und Juli 2024 zeigt: Der Preis von einem Liter Olivenöl ist im Detailhandel von 3.70 auf 9.99 Franken gestiegen! Dabei werden immer die günstigsten Preise miteinander verglichen. Der Preis für Olivenöl hat sich also fast verdreifacht: für einen Haushalt mit wenig Budget untragbar.

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«Die Preise bei uns liegen in der Regel 25 Prozent tiefer», so Künzler. Das Sortiment umfasst 1000 Artikel. Gewisse Produkte sind deutlich günstiger, bei anderen sind die Preise dagegen praktisch identisch. Neben Lebensmitteln bietet Caritas auch Putzmittel, die volle Palette an Hygieneprodukten sowie Spielzeug für Kinder an. Aktuell gibt es zudem Schultaschen zu kaufen – für 12.50 Franken. 

Mittelstand in Gefahr

Künzler merkt, dass immer mehr Working Poor die Caritas-Märkte besuchen. Das sind Menschen wie Adrian S., die trotz Arbeit von der Armut bedroht sind. Der Leiter der Märkte sieht vor allem eine Schwierigkeit: «Was machen wir in Zukunft mit dem Mittelstand?» Denn die Grenze zwischen dem Mittelstand und den 700'000 Armutsbetroffenen in der Schweiz ist klein. «Für diese Personen ist man in der Schweiz nicht wirklich da!», kritisiert er. Die Caritas versuche zwar, das Problem zu lindern. «Die Politik muss jedoch schauen, dass sich dieses nicht weiter verschärft.» Wegen der Teuerung mussten auch die Caritas-Märkte die Preise erhöhen. Das spüren auch die Kundinnen und Kunden. «Früher waren die Preise besser», sagt eine Mutter vor dem Caritas-Markt in Zürich zu Blick. Dank Spenden und der Unterstützung von Stiftungen kann die Caritas jedoch die wichtigsten Produkte quersubventionieren und die Artikel unter dem Einstandspreis anbieten. Beim Besuch von Blick im Caritas-Markt ist die Dankbarkeit der Kundinnen und Kunden zu spüren. Sie sind froh, können sie günstiger einkaufen. Egal, ob Asylbewerber, Flüchtling, Working Poor, Senioren oder Familien. Sie alle wollen nur über die Runden kommen.

Weiterlesen - ein Beitrag von Milena Kälin erschienen am 20.07.24 auf blick.ch

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