Fast jeder Zweite bereit, nach Pension weiterzuarbeiten

Beinahe jeder zweite Beschäftigte im Land wäre bereit, unter gewissen Voraussetzungen über das Pensionsalter hinaus zu arbeiten, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Ist die Wirtschaft selbst schuld am Fachkräftemangel?

Die Schweiz sieht sich gern als ein Volk von besonders arbeitsamen Menschen. Doch geht dieser Arbeitseifer auch über das Pensionsalter hinaus? Eine aktuelle Studie des Versicherungskonzerns Swiss Life zeigt, dass knapp ein Viertel der Pensionierten berufstätig bleiben. Das sind rund 200'000 Personen. Wie steht die Schweiz damit im Vergleich zum Ausland da? Und sind es knappe Finanzen, welche die Leute zum Weiterarbeiten zwingen? Die wichtigsten Fakten:

Männer arbeiten öfter weiter

Bei den 66-jährigen Männern arbeitet knapp jeder Dritte. Bei den 65-jährigen Frauen verbleibt jede Fünfte in der Berufswelt. Auch regional gibt es Unterschiede. So liegt die Quote in der Deutschschweiz höher als im Tessin oder in der Westschweiz. Menschen mit einem Abschluss an einer Fachhochschule oder Universität arbeiten deutlich häufiger übers ordentliche Rentenalter hinaus. Zudem sind mehr als die Hälfte Selbstständigerwerbende.

Finanzieller Druck

Nur ein Drittel der Beschäftigten im Pensionsalter gibt in der Swiss-Life-Umfrage an, aus finanziellen Gründen weiterzuarbeiten. 70 Prozent machen dies aus Freude an der Arbeit. Und auch die Wertschätzung spielt eine zentrale Rolle. 

Fachkräftemangel

Die Beschäftigungsquote bei den Rentnerinnen und Rentnern bleibt seit Jahren stabil – und dies trotz Fachkräftemangel. Daran dürften die Arbeitgeber nicht ganz unschuldig sein. In der Swiss-Life-Umfrage stimmt nur ein Fünftel der Aussage zu, dass der Arbeitgeber Interesse an einer Weiterbeschäftigung bekundet habe. Mehr als doppelt so viele hätten keinerlei Interesse gespürt. Knapp die Hälfte der Befragten wäre bereit, «unter gewissen Bedingungen» weiterzuarbeiten. Dafür müssten aber die finanziellen Anreize stimmen und eine Reduktion des Arbeitspensums ab 65 möglich sein. Natürlich müssen sie dafür auch ihre eigene Gesundheitssituation positiv einschätzen. Kaum überraschend: Je körperlicher die Arbeit, umso seltener packen die Leute auch im Rentenalter noch mit an.

Rolle der grossen Arbeitgeber

Mehr als die Hälfte der Befragten würde gern vor dem Pensionsalter aus der Arbeitswelt aussteigen, wenn das liebe Portemonnaie nicht wäre. So überrascht es kaum, dass die Schweizer Bevölkerung im März eine Erhöhung des Rentenalters an der Urne chancenlos bachab geschickt hat. Dabei dürften auch die Arbeitsmarktaussichten im Alter hineingespielt haben. Die Hälfte der Langzeitarbeitslosen ist in der Gruppe der 50- bis 64-Jährigen zu finden. Und auch Grossunternehmen sägen am Arbeitskräftepotenzial. Gemäss Swiss Life schicken sie fast jeden zweiten Angestellten in Frühpension. Bei Firmen mit über 250 Beschäftigten ist kaum jemand bereit, mit über 65 weiterzuarbeiten. In kleinen Betrieben wird dies deutlich öfters in Betracht gezogen. 

Vergleich mit dem Ausland

Im Gegensatz zur Schweiz steigt die Erwerbstätigenquote der 65- bis 69-Jährigen in vielen OECD-Ländern seit Jahren klar an. In der Schweiz stagniert sie. Über die Gründe können die Studienautoren nur spekulieren. So könnte es sein, dass die Vorsorgesysteme im Ausland stärkere Anreize für die Weiterarbeit geschaffen haben. Eine weitere mögliche Erklärung: Die starke Einwanderung in die Schweiz der letzten zwei Jahrzehnte könnte zur Folge haben, dass sich Unternehmen in der Schweiz weniger um ältere Arbeitskräfte bemühen mussten. 

Teilzeitarbeit

Wer nach 65 weiterarbeitet, tut dies in der Regel in Teilzeit. Das durchschnittliche Pensum liegt gemäss Studie bei rund 46 Prozent. Langweilig wird deshalb aber wohl nur den wenigsten. Ab 60 steigen die Betreuungsstunden für Kinder ausserhalb des eigenen Haushalts deutlich. Nach dem Erreichen des ordentlichen Rentenalters steigt diese nochmals leicht an. Trotzdem sinken die bezahlten und unbezahlten Arbeitsstunden pro Woche im frühen Rentenalter um 20 bis 30 Prozent.

Weiterlesen - ein Beitrag von Martin Schmidt erschienen am 26.06.24 auf blick.ch

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