Krankenkasse: Ärmere verzichten schon auf Zahnarzt und Psychiater
Im kommenden Jahr kostet die Krankenkasse erneut mehr. Caritas Schweiz warnt vor den Gefahren für Schweizerinnen und Schweizer – besonders für ärmere. Wegen höherer Gesundheitskosten werden die Krankenkassen auch nächstes Jahr teurer. Viele Schweizer können die Prämien bereits heute kaum noch bezahlen. Das hat Folgen: Viele gehen nicht zum Zahnarzt oder Psychiater, so das Hilfswerk Caritas.
Der Vergleichsdienst Comparis prognostiziert für das Jahr 2025 einen Anstieg der Krankenkassenprämien um sechs Prozent. Je nach Kanton und Region kann die Prämie sogar um über zehn Prozent steigen. Für viele Schweizerinnen und Schweizer sind das schlechte Nachrichten. Sie kämpfen bereits mit dem letzten Prämienschock– und müssen für die Krankenkasse nun noch mal tiefer ins Portemonnaie greifen. Entsprechend ernüchternd klingt es beim Hilfswerk Caritas Schweiz: «Die hohen Krankenkassenprämien sind immer häufiger ein Grund, dass Menschen mit knappem Budget in Zahlungsrückstand geraten. Es sind oft Familien, die wegen der steigenden Prämien in Bedrängnis kommen.»Für ärmere Haushalte seien die Prämien für die Krankenkasse die zweitgrössten Ausgaben: nach Wohnen und Energie und knapp vor Nahrungsmitteln.
Teure Krankenkasse verhindert Arztbesuche
Jede weitere Erhöhung werde nun «negative Auswirkungen auf das Budget von Familien sogar bis in den unteren Mittelstand haben». Die Folgen der steigenden Prämienbelastung und Selbstzahlungen seien verheerend, warnt Caritas Schweiz. «Viele Betroffene gehen erst dann zum Arzt, wenn es absolut dringend ist, wie die Erfahrung der Caritas-Sozialberatungen zeigt. Psychotherapeutische Unterstützung liegt nicht drin, der Zahnarztbesuch sowieso nicht, da die Grundversicherung diese Leistungen nicht übernimmt.» Des Weiteren würden viele Menschen mit tiefen Einkommen bei der Krankenkasse die höchste Franchise wählen, um Prämien zu sparen. «Wenn sie dann ernsthaft erkranken, können sie die Ausgaben für medizinische Behandlungen nicht tragen. Sie müssen bei anderen Ausgaben Abstriche machen, zum Beispiel bei der Ernährung, oder sie müssen sich sogar verschulden.» Derzeit befänden sich überdurchschnittlich viele Familien nur knapp über der Armutsgrenze. Besonders für sie stellen die steigenden Kosten der vergangenen Jahre «ein akutes Risiko dar, in die Armut abzurutschen». Viele Familien mit knappem Budget könnten die individuellen Prämienverbilligungen heute «nur zum Teil oder gar nicht nutzen». Das sei problematisch. «Denn zwischen den Kantonen bestehen grosse Unterschiede, in welchem Umfang die Prämien verbilligt werden und welche Einkommensgrenze gesetzt wird.»
Caritas will keine Zweiklassenmedizin
Was kann die Politik machen? Auf Anfrage sagt Caritas, dass die Menschen vor akuten Folgen der steigenden Prämien geschützt werden müssten. Das habe oberste Priorität. «Die individuelle Prämienverbilligung kann Armut sehr wirksam und zielgerichtet vorbeugen.» Neben der Deckelung der Prämien brauche es Massnahmen, die den Menschen mit knappem Budget mehr finanzielle Möglichkeiten gäben. Es gäbe verschiedene Lösungsansätze: existenzsichernde Löhne und Arbeitsbedingungen und echte Bildungschancen mit Aus- oder Weiterbildung. Auch die Leistungen aus den Sozialversicherungen müssten existenzsichernd sein. «Beispielsweise die Sozialhilfe und natürlich die noch tiefere Asylsozialhilfe reichen kaum zum Leben.» Das Hilfswerk ruft alle Akteure im Gesundheitswesen auf, sich gemeinsam für tragfähige kostendämpfende Massnahmen einzusetzen. «Allerdings dürfen solche Massnahmen unter keinen Umständen zu einer Zweiklassenmedizin führen.» Auch nicht zu einem einseitigen Leistungsabbau für die Bevölkerung mit tiefen Einkommen, für armutsgefährdete oder armutsbetroffene Personen.
Weiterlesen - ein Beitrag von Nicola Wittwer erschienen am 23.05.24 auf nau.ch
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