Andere Länder, andere Sitten – und auch andere Krankenkassensysteme. In der Schweiz muss die Bevölkerung einen grossen Teil der Gesundheitskosten aus dem eigenen Portemonnaie zahlen. Wie funktioniert das in anderen Ländern?
Die Schweiz ist europäische Spitzenreiterin: Kein anderes Land gibt pro Kopf so viel Geld für die Gesundheit aus. Und dafür greifen die Schweizer und Schweizerinnen auch tief in die Tasche. Rund ein Fünftel der Kosten müssen wir aus dem eigenen Sack bezahlen, das zeigen Zahlen der OECD. In anderen europäischen Ländern ist dieser Anteil deutlich tiefer. Woher kommen diese grossen Differenzen? Und wie funktioniert das Gesundheitssystem in anderen europäischen Ländern?
Staatliche Kasse in Dänemark
In Dänemark ist die ganze Bevölkerung in einer einzigen öffentlichen Krankenkasse versichert. Jeder kann sich grundsätzlich kostenlos behandeln lassen. Finanziert wird das über eine Einkommenssteuer – 84 Prozent übernimmt die Zentralregierung, den Rest die Gemeinden. Es gibt also keine Prämien oder Franchisen. Lediglich einige Behandlungen, wie zum Beispiel die Zahnpflege, zahlen die Dänen direkt aus dem eigenen Portemonnaie. Allerdings birgt das auch einige Einschränkungen für Patienten und Patientinnen: Sie können nicht einfach den Hausarzt wechseln, wie in der Schweiz. Teilweise gibt es lange Wartelisten für Behandlungen in Krankenhäusern. Auch in der Schweiz gewinnt die Forderung einer Einheitskasse an Boden: Laut einer repräsentativen Umfrage befürworten zwei Drittel eine Einheitskasse.
Billige Medikamente in Italien
Unser südlicher Nachbar finanziert die Gesundheitsversorgung ebenfalls hauptsächlich über Steuern. Viele medizinische Behandlungen und teure Medikamente erhält man praktisch umsonst. Ausserdem kann man sich für die Dienstleistungen von Privatspitälern versichern – zumindest, wer es sich leisten kann. Das italienische System ist zwar billig für die Bevölkerung, steht aber immer wieder unter Kritik: Wartelisten für Spitäler und Behandlungen sind teils lang, es gibt Qualitätsunterschiede zwischen den Regionen und Behandlungsmöglichkeiten zu Hause sind nur limitiert vorhanden.
Einkommensabhängige Prämien in Deutschland
Das deutsche System ist dem hiesigen am ähnlichsten. Rund 100 Krankenkassen konkurrieren als öffentlich-rechtliche Körperschaften miteinander. Sie sind durch Steuern und Beiträge von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden finanziert. Trotzdem zahlen die Deutschen weniger aus der eigenen Tasche als Schweizerinnen und Schweizer. Die Beiträge an die Krankenkassen sind im Unterschied zur Schweiz auch einkommensabhängig. In der Schweiz werden die Rufe nach einer Abschaffung der sogenannten Kopfprämie lauter – wer viel verdient, würde dann eine höhere Prämie zahlen. Wer will, kann sich in Deutschland privat versichern lassen. Zwar kostet das mehr, aber man erhält meist direkt einen Termin ohne Wartezeit.
Berufskategorien in Frankreich
Auch im Westen läufts ähnlich: Alle sind obligatorisch versichert. Es gibt allerdings verschiedene Krankenkassen für Angestellte, Landwirte, selbständig Erwerbende oder Beamte. Finanziert werden die Kassen durch Steuern, Abgaben und lohnabhängige Beiträge. Auch das französische System kennt also keine Kopfprämien, wie in der Schweiz. Aus dem eigenen Portemonnaie muss die Bevölkerung nur rund 8 Prozent der gesamten Kosten bezahlen, die jährlich pro Kopf ausgegeben werden.
Wartezeiten in Spanien
Die allermeisten Spanier und Spanierinnen haben Anspruch auf eine kostenlose Gesundheitsversorgung. Die wird über Steuern finanziert. Für ärztliche Behandlungen oder Krankenhausdienste fallen keine Kosten an. In der Praxis sieht das Ganze aber weniger rosig aus: Die Wartezeiten für Behandlungen, Termine und Operationen sind lang. Darum lassen sich immer mehr Spanierinnen und Spanier privat versichern.
In anderen europäischen Ländern spielt die staatliche Finanzierung der Krankenkasse also eine viel grössere Rolle als in der Schweiz. Trotz unterschiedlicher Systeme – das Gesundheitswesen kränkelt überall wegen ähnlicher Gründe. Die Lebenserwartung steigt, und die Kosten ebenfalls. In der Schweiz muss die Bevölkerung dafür geradestehen.
Weiterlesen - ein Beitrag von Céline Zahno erschienen am 13.04.2024 auf blick.ch