«Aktives Nicht-Sparen»: Junge legen kein Geld mehr zur Seite
Klimawandel, politische Unruhen und Inflation: Zwei Nau.ch-Leserinnen erklären, warum sie ihr Geld lieber sofort ausgeben, anstatt es zu sparen.
Ferien auf Bali, ein neues Paar Schuhe oder mit Freunden «eis go zieh»: Junge Schweizerinnen und Schweizer lassen es sich gut gehen. Jedenfalls sieht es in den sozialen Medien ganz danach aus.Doch reisen, auswärts essen und shoppen – all das kostet viel Geld. Vor allem, wenn man es regelmässig macht. Entsprechend mickrig dürfte bei dem ein oder anderen also auch das Sparkonto ausfallen. Doch daran stören sich offenbar nicht alle.Denn während die einen beispielsweise aufgrund des Studiums nicht sparen können, tun es andere bewusst nicht. So auch Tanja O.* aus Winterthur.
«Kann mir sowieso nie ein eigenes Haus leisten»
«Ich würde sagen, dass ich aktiv nicht spare», sagt die 27-Jährige zu Nau.ch. Ausnahmen seien Reisen oder der Kauf von grösseren Sachen wie Möbeln. «Aber ich leg eigentlich nichts bei Seite ‹für den Fall›. Alles, was ich nach dem Zahlen von Miete, Versicherung und Rechnungen übrig habe, wird ausgegeben.» Auch in die Pensionskasse zahle sie nur ein, weil sie müsse. Und bei einem Wegzug würde sich die Zürcherin den Betrag sofort auszahlen lassen. «Grund dafür ist, dass ich eh der Meinung bin, dass die Zukunft nicht gut aussieht. Bezüglich Klimawandel vor allem», so Tanja. Sie wolle ihr Leben geniessen, solange das noch geht. Viel Geld gibt die Winterthurerin daher für ihre Miete aus. «Es ist mir wichtig, jetzt schon möglichst schön zu wohnen. Da ich mir sowieso nie ein eigenes Haus leisten kann.»
«Gedanken zu dritter Säule erscheinen mir sinnlos»
Ähnlich äussert sich auch Livia Z.* aus Basel. Die 26-Jährige erklärt im Gespräch: «Im Hinblick auf meine Zukunft finde ich es schwierig, einen Grund für viele Anlagen zu finden. Die Pensionskasse wird bis zu unserer Rente wohl eh aufgebraucht sein, vielleicht müssen wir bis 70 arbeiten.» Dass sie dieses Alter erreichen wird, glaubt Livia aber sowieso nicht. «Ich werde maximal 50 Jahre alt», ist sie sich sicher. Der Grund für ihre trüben Zukunftsaussichten? Der Klimawandel, politische Unruhen und die aktuelle Wirtschaftslage. «Gedanken zu einer dritten Säule scheinen mir daher sinnlos. Ich möchte nicht für eine Rente sparen, die ich nie so erleben werde, wie sie mir versprochen wird.» Die Vermögensberaterin Bente Roth widerspricht dieser Angst jedoch. Sie könne verstehen, dass das aktuelle Weltgeschehen frustrierend sei und die Jungen dem Ganzen pessimistisch gegenüberstehen. Aber: «Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Schweizer Altersvorsorge auch in vielen Jahren noch so bestehen wird. Ob sie für jedermann ausreichend ist, ist allerdings eine andere Frage, die aber auch schon heute einige betrifft.»
Vermögensberaterin rät zu frühzeitigem Sparen
Roth empfiehlt daher allen, so früh wie möglich mit dem Sparen zu beginnen. Am besten mit einem Betrag, den man bereits am Tag, wenn der Lohn kommt, in Form eines Dauerauftrags investiert. Es muss die Summe sein, die «nicht wehtut». Schon mit sehr geringen Beträgen seien Investitionen möglich. «Je früher man anfängt und je länger man investiert, desto grösser ist die Chance für ein gutes ‹Pölsterli› im Alter.»Und was, wenn jemand bis zur Pension gar nichts zur Seite legt? «Dann kann es im schlimmsten Fall passieren, dass man in der Altersarmut landet und vom Staat abhängig ist.» Die Vermögensberaterin hat aber durchaus auch junge Kunden, wie sie weiter betont. Viele möchten demnach etwas anlegen, trauen sich aber nicht. «Oder sie haben Angst, weil sie nicht wissen, wie und wo sie anfangen sollen und wohin das Geld fliesst.» Es sei den Leuten aber durchaus bewusst, dass sie ihre Lücken – beispielsweise aufgrund der Teilzeitarbeit – füllen müssen. Ihr Fazit? «Das Thema Geld geht alle etwas an, egal welches Alter oder welcher Beruf.»
Experte: Generation Z hat anderen Bezug zu Geld
Rüdiger Maas von Generation Thinking erklärt auf Anfrage, warum sich das Sparverhalten der Generationen teilweise unterscheidet. «Insgesamt leben junge Menschen immer etwas mehr im ‹Hier und Jetzt›. Für die Generation Z spezifisch ist aber, dass sie die Welt, wie wir sie jetzt vorfinden, gar nicht anders kennt.» Viele Dinge seien also selbstverständlich, darunter beispielsweise ein eigenes Smartphone zu besitzen oder ein Haus zu erben. Dadurch haben jüngere Generationen einen anderen «Wert» zu Geld, so der Experte. Boomer hatten eine andere Erziehung, «da deren Eltern auch wegen der Kriegserklärung viel Entbehrlichkeit erleben mussten». Bei den Banken ist ein abnehmendes Interesse an Vorsorgethemen bislang nicht zu spüren. Auch jüngere Generationen würden sich dafür interessieren, heisst es beispielsweise bei Raiffeisen auf Anfrage. Ähnlich äussern sich auch die Valiant und die Zürcher Kantonalbank.
Weiterlesen - ein Beitrag von Aline Klötzli erschienen am 19.04.2024 auf nau.ch
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