Lebenslange Witwen- und Witwerrenten soll es nicht mehr geben. Der Bundesrat will künftig alle Verwitweten gleich behandeln – und sparen. Bei den Bürgerlichen kommt das gut an, während die SP die eigenen Bundesräte kritisiert.
Mit der 13. AHV-Rente steht bei der Altersvorsorge ein Ausbau in Milliardenhöhe an. Doch der Bundesrat wälzt auch Sparpläne in der AHV: Die Hinterlassenenrenten will er massiv beschränken und so bis 2040 jährlich gegen eine Milliarde Franken bei der AHV einsparen. Witwen sollen nämlich künftig keine lebenslangen Hinterlassenenrenten mehr erhalten. Eine Rente erhalten sie nur noch bis zum 25. Geburtstag des jüngsten Kindes. Länger nur, wenn ein erwachsenes Kind mit Behinderung betreut wird. Verwitwete Frauen und Männer werden gleichgestellt: Neu würden die Gelder anhand der Betreuungs- und Erziehungszeit ausbezahlt – unabhängig vom Geschlecht und vom Zivilstand der Betroffenen. Laufende Renten für Witwen ab 55-jährig bleiben demnach zwar bestehen. Jüngeren Verwitweten ohne unterhaltsberechtigte Kinder soll die heutige Rente nach einer Übergangsphase von zwei Jahren gestrichen werden, das sieht die Revision vor, die bis heute Freitag in der Vernehmlassung ist. Sie wurde vom früheren SP-Bundesrat Alain Berset (51) aufgegleist.
FDP gegen Rente für Unverheiratete
Bei den Bürgerlichen stösst der Abbau der Witwenrenten auf offene Türen. Die FDP erachtet die Vorlage als ausgewogen. «Sie eliminiert die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen, sieht gezielte Überbrückungsleistungen vor und berücksichtigt Härtefälle», schreibt die Partei. Allerdings wehrt sie sich dagegen, dass neu auch unverheiratete Personen eine Witwenrente erhalten sollen. Es stehe jedem frei, ob er heiraten wolle oder nicht. Wer darauf verzichte, verzichte auch auf den «speziellen Schutz einer Ehe». Und bei einer Wiederheirat soll der Anspruch auf eine Witwenrente ganz erlöschen, so die FDP.
Witwen und Witwer sollen gleichbehandelt werden
Die SVP erachtet die Abschaffung der lebenslänglichen Witwenrente «als längst fälligen Schritt». Angesichts der demografischen Entwicklung mit einem sich verschärfenden Fachkräftemangel und einer stetig steigenden Erwerbsbeteiligung der Frauen sei «eine solche lebenslange Unterhaltszahlung aufgrund geschlechtsspezifischer Zuschreibungen nicht mehr zeitgemäss».
Mitte will Übergangsrente anpassen
Auch die Mitte stellt sich grundsätzlich hinter die Vorlage, fordert aber Anpassungen. Zentral ist für die Partei, «dass faire Übergangsbestimmungen festgelegt, altersbedingte Umstände berücksichtigt und Besitzstandsgarantien für ältere Witwen gewährt werden». So regt sie an, die zweijährige Übergangsrente auch an kinderlose Hinterbliebene auszurichten. Auf diesen Punkt legt auch die Sozialdirektoren-Konferenz den Finger, seien auch Hinterbliebene ohne Kinder in einer schwierigen Situation, in welcher ihnen, während einer gewissen Zeit, finanzieller Schutz geboten werden sollte.
Linke läuft Sturm
Die Linke hingegen läuft Sturm gegen die Sparübung, für die nun die neue SP-Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider (60) zuständig ist. Zwar stösst das Gleichstellungs-Ziel auch im links-grünen Lager auf Zustimmung. Doch der SP stösst sauer auf, dass die Reform zu einem finanziellen Abbauprogramm umfunktioniert werde. Gespart werde «auf dem Buckel von jenen Menschen, die so oder so bereits durch einen Schicksalsschlag in einer prekären Situation sind» – und vor allem «auf Kosten der Frauen», deren Leistungen gekürzt würden. Ihr Fazit: «Eine Sparvorlage ist kein gleichstellungspolitischer Fortschritt.» Die Partei fordert daher verschiedene Anpassungen, wie etwa eine Besitzstandgarantie für laufende Renten oder eine Ausdehnung für Übergangsrenten.
Pro Familia dagegen
Widerstand kommt auch von der Organisation Pro Familia. Sie verweist darauf, dass es immer noch die Mütter sind, welche den grösseren Teil der Kinderbetreuung übernehmen und daher öfter die Erwerbstätigkeit reduzieren als die Väter. Der Bundesrat blende das reale Leben der Frauen hierzulande aus. Für Pro Familia ist klar: «Diese Reform wird auf dem Rücken der Frauen ausgetragen und entspricht nicht der wirtschaftlichen Realität der Schweiz.» Nach der Auswertung der Rückmeldungen dürfte Baume-Schneider noch dieses Jahr eine konkrete Vorlage ins Parlament einbringen: Die Reform soll möglichst schon 2026 in Kraft treten.
Weiterlesen - ein Beitrag von Ruedi Studer erschienen am 29.03.2024 auf blick.ch