BFS-Zahlen: Jede zehnte Familie sorgt sich Ende Monat ums Geld. Neue Zahlen des BFS zeigen die finanzielle Situation in der Schweiz. Es entsteht ein anderes Bild, als das «Familienbarometer» kürzlich gezeichnet hat.
Das Geld reicht nur mit Müh und Not bis zum Ende des Monats. In einer solchen Situation kann eine Parkbusse, eine unerwartete Arztrechnung oder Autoreparatur zu einem Loch in der Haushaltskasse führen. In der Schweiz haben 9.9 Prozent der Bevölkerung 2022 angegeben, dass sie (grosse) Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen. Das geht aus neuen Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) zur wirtschaftlichen und sozialen Situation in der Schweiz hervor. Finanzielle Herausforderungen sehen besonders Ausländerinnen und Ausländer, Arbeitslose sowie Alleinerziehende. Bei den Paaren mit Kindern sind es wie bei der Gesamtbevölkerung 9.9 Prozent. Im Vergleich dazu zeichnete der vor rund zwei Wochen erschienene «Familienbarometer» ein anderes Bild. Demnach reicht für mehr als die Hälfte der Familien (52 Prozent) das Einkommen nur knapp oder gar nicht aus. So habe sich die finanzielle Situation der Familien im Vergleich zum Vorjahr verschärft, hiess es von der Organisation Pro Familia und dem Vorsorgeversicherer Pax.
Gründe für Unterschiede
Wie kommt es, dass die BFS-Zahlen und der Familienbarometer einen anderen Eindruck der finanziellen Situation der Familien in der Schweiz vermitteln? Politologe Michael Hermann hat sich die verschiedenen Resultate angeschaut. Beide Studien seien für ihn seriös, hätten aber einen unterschiedlichen Fokus. «Die Statistik des BFS fokussiert wirklich auf Armut, also auf Menschen, die zu wenig Geld haben. Das Familienbarometer fokussiert eher auf die normalen, kleineren Geldsorgen des Mittelstandes», sagt Hermann. Ein weiterer Unterschied sei der Zeitpunkt der Datenerhebung. Für SRF News hat sich auch Oliver Hümbelin, Professor für Sozialforschung an der Berner Fachhochschule, mit den beiden Studien auseinandergesetzt. Er sagt, dass sie sich nicht direkt vergleichen lassen würden. «Sie haben unterschiedliche Ziele und decken einen unterschiedlichen Zeithorizont ab.» Zudem würden sich die Fragen, die gestellt wurden, unterscheiden.
Verschobene Wahrnehmung
Das BFS hat seine Zahlen 2022 erhoben. Die Befragung des Familienbarometers fand hingegen im November 2023 statt. Dazwischen ist viel passiert: Die Energiekrise und der Krieg in der Ukraine heizten die Inflation an, zudem stiegen die Krankenkassenprämien und die Mieten. «Alles zusammen hat dazu geführt, dass zumindest das subjektive Gefühl stark zugenommen hat, dass man sich nicht mehr alles leisten kann», sagt Politologe Hermann. Klar ist, dass eine Studie je nach Herausgeber auch einen Zweck hat. Pro Familia setzt sich für Familienthemen ein. «Mit solchen Studien machen Organisationen auf ihre Themen aufmerksam», stellt er fest. Dabei würden bewährte statistische Methoden genutzt und die Resultate seien an sich nicht politisch geprägt. Für Sozialforscher Hümbelin sei keine der beiden Studien besser als die andere. «Sie verfolgen unterschiedliche Ziele. Der Familienbarometer bietet eine Übersicht zu den verschiedenen Themen, die die Familien aktuell beschäftigen», sagt er. Wenn dagegen eine Einordnung der finanziellen Situation der Familien gewünscht sei, dann empfiehlt Hümbelin einen Blick auf die BFS-Zahlen.
Stellungnahme von Pro Familia
Pro Familia nimmt auf Anfrage schriftlich Stellung gegenüber SRF News. Die beiden Studien seien nicht vergleichbar. «Die Frage an Familien in unserer repräsentativen Umfrage war: ‹Reicht Ihr Haushaltseinkommen für das gemeinsame Familienleben insgesamt?› Circa die Hälfte der Familien sagt, ‹es reicht knapp›. Das bedeutet nicht, dass all diese Familien finanzielle Schwierigkeiten haben. Es bedeutet nur, dass ihr Familieneinkommen knapp ausreicht und dass unerwartete Ausgaben starke Folgen haben können. Diese Situation beschäftigt die Familien.»
Tagesschau, 26.03.2024, 19:30 Uhr; zero;sche