So funktioniert die Viertagewoche beim Haustechniker Steger

Bei der Haustechnikfirma Steger in Aadorf TG wird pro Woche vier Tage gearbeitet – zum vollen Lohn. Die Angestellten freut es. Auch der Chef sieht praktisch nur Vorteile – er musste aber auch Konsequenzen ziehen.

Betritt man die Haustechnikfirma Steger in Aadorf TG, denkt man nicht, dass im Betrieb 120 Personen arbeiten. Einige sitzen in hellen Büros vor Bildschirmen, andere hantieren in der Werkstatt mit Blech und Schweissbrenner. «Im Betrieb arbeiten rund 35 Personen, der Rest ist auf der Baustelle», erklärt Jürg Widerin (64), Inhaber und CEO der Haustechnik-Firma. Diese bietet neben Heizungs- und Sanitärinstallationen auch einen 24-Stunden-Service. Blick besucht die Firma – aber nicht an einem Freitag, denn dann arbeitet hier niemand. Seit November 2022 setzt Steger auf die Viertagewoche. Nach zehn Monaten war klar, dass die Firma am neuen Arbeitszeitmodell festhält.

Doch den freien Arbeitstag zum gleichen Lohn gibt es nicht umsonst. «Unsere Mitarbeiter müssen bereit sein, in diesen vier Tagen mehr zu leisten. Wir sind bereits von 40 auf 38 Stunden die Woche runter», so Widerin. Die Angestellten von Steger arbeiten pro Tag 9,5 Stunden. Die fünf Prozent weniger Arbeit machen die Angestellten mit Effizienz wett – und mit sinkenden Betriebskosten. Anstatt fünf- geht es nur noch viermal pro Woche auf die Baustelle.

Deutlich mehr Bewerbungen

Der CEO wollte mit der Viertagewoche den Arbeitsplatz wieder attraktiver machen. Das scheint geglückt: «Früher haben wir innerhalb eines halben Jahres ein bis zwei gute Bewerbungen erhalten. Mittlerweile sind es zwei bis drei pro Woche», erklärt Widerin. Seit der Einführung der Viertagewoche hat er über zehn Personen eingestellt. Beim Start des neuen Modells war etwa ein Fünftel der Belegschaft zuerst skeptisch. «Mittlerweile sind über 95 Prozent der Angestellten begeistert und wollen das Modell nicht mehr verlassen», so der CEO. Auch Blick hört sich bei den Angestellten um: Lüftungsspengler Muralis T. (52) nutzt den freien Tag gerne für Termine. «Ich bin am Montag erholter», sagt Andrea Ledergerber (57) aus der Administration. «Wir haben bewusst den Freitag gestrichen – denn das ist in der Baubranche der unproduktivste Arbeitstag der Woche», erklärt Widerin weiter. Der Grossteil der Steger-Kundschaft war dabei verständnisvoll. Aber keine Regel ohne Ausnahmen: «Wenn es auf einer Baustelle am Freitag unbedingt etwas braucht, machen wir das», erklärt Widerin. Dafür seien einige Angestellte auch dankbar – dank Überstunden können sie dann länger Ferien machen. Die Service-Angestellten des 24-Stunden-Service arbeiten ebenfalls vier Tage die Woche.

Trickserei lohnt sich nicht

Dabei halten sich aber nicht alle an die neuen Vorschriften: «Wir haben zwei Angestellte entlassen und zwei weitere verwarnt», so Widerin. Sie hätten falsche Zeiten aufgeschrieben – und nicht 9,5 Stunden pro Tag gearbeitet. «Es gibt immer solche, die nicht korrekt aufschreiben. Jetzt kontrollieren wir aber besser.» Bei den meisten Angestellten hat sich die Viertagewoche aber positiv ausgewirkt. «Wir haben deutlich weniger Kurzabsenzen», so Widerin. Sprich: Seine Leute sind weniger oft krank. Fast 40 Angestellte fehlten 2023 zudem keinen einzigen Tag. Widerin ist überzeugt, dass die Viertagewoche auch für andere Firmen etwas ist: «So ein Projekt kann jeder machen. Jeder muss es aber für seinen Betrieb anpassen.» Er erhält viele Anfragen von Firmen, die sich dafür interessieren.

Weiterlesen - ein Beitrag von Milena Kälin und Siggi Bucher erschienen am 12.02.2024 auf www.blick.ch

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