Job und Kids: So klappt der Fam-Jam

Im Bestreben, bei der Kinderbetreuung alles richtig zu machen, reiben sich viele Eltern auf: zwischen Karriere und Familie, den eigenen Ambitionen und dem Anspruch einer Gesellschaft, die scheinbar nur Perfektionismus belohnt. Gibt es einen Ausweg?

«Eltern sollten für Kinder zwar wie ein Leuchtturm sein, aber nicht perfekt und fehlerfrei. Perfektion, das ist die reine Hölle», sagt der dänische Autor und Familientherapeut Jesper Juul. Doch das ist leichter gesagt als getan. Mutter oder Vater zu sein, das ist oft ein Knochenjob, mit dem die eigene Karriere und der persönliche Erfolg konkurrieren. Darüber hinaus soll man ein:e gute:r Freund:in, eine gute Tochter, ein guter Sohn, ein:e liebevolle:r Partner:in und immer für die Kinder da sein – und sich dennoch selbst nie aus den Augen verlieren.

So klingt die Vereinbarkeit von Job und Familie nach einem schier unmöglichen Unterfangen. «Es besteht sicher noch Verbesserungspotential», weiss Ben Kneubühler, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP und Single-Dad aus Zürich. Die grösste Schwierigkeit aus seiner Sicht? «Zeit ist eine beschränkte Ressource, und Vereinbarkeit benötigt Planung. Die Anforderungen einer Familie sind aber stets variabel, und auch die verschiedenen Jobprofile nehmen Elternteile komplett unterschiedlich und oft unvorhersehbar ein. Dies erfordert in vielen Fällen ein hohes Mass an Flexibilität», erklärt Kneubühler.

5 Prozent der Eltern in der Schweiz sind von elterlichem Burnout betroffen
 

Laut Pro Familia Schweiz rangiert die Schweiz unter den Top 10 der Länder, die am stärksten vom elterlichen Burnout betroffen sind. Kneubühler weiss: «Die geforderte Flexibilität birgt ein erhebliches Potenzial für Stress. Es wird oft als belastend erlebt, den eigenen Ansprüchen weder im Job noch in der Familie gerecht zu werden. Auch zwischenmenschliche Konflikte können dadurch begünstigt werden.» Und was, wenn keiner der beiden Elternteile zurückstecken will? «Bis zu einem gewissen Grad kann das Unterstützung von aussen kompensieren», gibt der Fachpsychologe zu bedenken.

Zeit für sich und Gleichberechtigung
 

Generell ist es wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Sich um sich selbst zu kümmern, um dann auch für andere da sein zu können, heisst es seitens Pro Familia. Auch hier wird betont: Man solle ein glücklicher, kein perfekter Elternteil sein. Viele Eltern würden sich jedoch nicht trauen, um Hilfe zu bitten – aus Angst, als Versager dazustehen. Und Zeit ist doch gerade das, was man so gut wie nie hat, wenn die Kinder schreien, die Waschmaschine fertig ist, der nächste Call ansteht und man eigentlich endlich sein Start-up auf die Beine stellen möchte. Die innere Zerrissenheit führt oft zu gebrochenen Herzen: «Als Paar fühlt man sich vom Partner oder der Partnerin oft zu wenig unterstützt und verstanden, wenn der oder die andere lieber ihr eigenes Ding macht. Zudem stellt sich immer wieder die Frage, welches Familienmodell oder -ideal sich beide wünschen. Hier braucht es Kommunikation – und zwar regelmässig. All das kann zu Streit, Enttäuschung, Wut und schlechtem Gewissen führen», erklärt Kneubühler. Auch den Kindern gegenüber könnten Schuldgefühle entstehen – denn man ist ja nie da! Fühlen sich die Eltern unter Druck oder treten ständig Spannungen zwischen ihnen auf, leiden darunter auch die Kleinen.

Wir diskutieren und verhandeln also. Während 1970 in der Schweiz noch 75 Prozent der Familien traditionell organisiert waren, sind es 2020 laut der Universität St. Gallen im Schnitt immerhin nur noch rund 16 Prozent. Dennoch: Das Konzept «Papa bleibt daheim, Mama arbeitet» ist gesellschaftlich noch immer nicht ganz angekommen, der Anteil davon liegt bei unter 3 Prozent. «Diese Stereotypen sind tief in unseren kulturellen Normen verankert. Sie werden trotz grösserem Bewusstsein und mehr Flexibilität nach wie vor im Alltag, in den Medien und teilweise auch durch die Rahmenbedingungen aufrechterhalten», so Kneubühler.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 10.12.2023 auf www.scheizer-illustrierte.ch

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