Immer mehr Menschen in der Schweiz sind von Armut betroffen: Die neuesten Zahlen dazu vom Bundesamt für Statistik sind von 2021, damals litten 8,7 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung in Privathaushalten an Einkommensarmut, also rund 745'000 Personen. Die Tendenz seit 2021: deutlich steigend. Das spürt beispielsweise das Hilfswerk Caritas. «Seit Beginn des Ukraine-Kriegs ist der Umsatz bei unseren Caritas-Märkten um 40 Prozent gestiegen», kommentiert Philipp Holderegger auf Anfrage. Jeder andere Detailhändler würde sich bei solchen Zahlen wohl die Finger lecken, doch für Caritas sei das ein Alarmsignal.
Es wird wohl noch schlimmer
Die Läden, die günstigere Produkte für Menschen am Existenzminimum anbieten, würden wie kleine Supermärkte ihre Kundschaft eigentlich sehr gut kennen. «Doch zurzeit kommen jeden Tag neue Gesichter, das fällt auf», so Holderegger. Dies nicht nur wegen steigender Krankenkassen, sondern auch, weil viele Produkte des täglichen Warenkorbs teurer geworden seien. Gewisse Weizenprodukte sind wegen des Krieges im Kornspeicher Ukraine bis zu 50 Prozent teurer geworden, Speiseöl um 34 Prozent. Schon jetzt wären 15 Prozent der Bevölkerung zu Angeboten von Caritas berechtigt – ein Sechstel der Bevölkerung. Holderegger: «Dies dürfte im kommenden Jahr weiter ansteigen.»
Rund ein Viertel mehr in Basel
Caritas ist das eine, wer dann in noch grössere finanzielle Probleme gerät, der sucht eine Gassenküche auf. Die Einrichtungen, die in allen grösseren Städten zu finden sind, bieten sehr günstige warme Mahlzeiten an. Auch dort hat die Nachfrage stark angezogen. Dies bestätigt beispielsweise Andy Bensegger von der Gassenküche Basel: «Seit Mitte Juni sind bei uns die Gästezahlen gestiegen, wir reden von ca. 20 bis 25 Prozent bis Mitte September.» Die Gründe seien gemäss Bensegger nicht ganz so einfach zu erklären: «Es gibt mehrere Faktoren.»
Verdoppelung in St. Gallen
Zum einen sei dies sicherlich die Teuerung. Aber auch die soziale Komponente. Als sich zum Beispiel im Hitzesommer die älteren Menschen nicht mehr gross draussen aufhalten konnten, sei die Gassenküche umso wichtiger geworden. In St. Gallen betreibt die Stiftung Suchthilfe die Gassenküche. Auch dort wird zurzeit förmlich die Türe eingerannt. Geschäftsleiterin Regine Rust bestätigt die höhere Nachfrage bei der Essensausgabe: Seit Anfang Jahr habe sie sich ungefähr verdoppelt. Auch das Badener Sozialwerk «Hope» wird jüngst wesentlich häufiger aufgesucht.
Weiterlesen - ein Beitrag von Marcel Urech und Silvan Haenni erschienen am 12.12.2023