In der Schweiz leben bis zu 20 Prozent der Kinder in Armut

Zwischen 2014 und 2021 ist die Kinderarmut in der Schweiz stark angestiegen. Das Kinderhilfswerk Unicef schlägt Alarm. In kaum einem anderen Land ist Kinderarmut so stark gestiegen wie in der Schweiz. Gemäss einem Unicef-Bericht beträgt diese hierzulande bis zu 20 Prozent. Zudem sei mehr als eines von zehn Kindern von dauerhafter Armut betroffen, heisst es.

In Frankreich, Island, Norwegen, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich sei die Kinderarmut zwischen 2014 und 2021 stark angestiegen, während sie in Lettland, Litauen, Polen und Slowenien am stärksten zurückgegangen sei. Das steht im neuen Bericht «Report Card 18» des Forschungsbüros «Innocenti» in Florenz, das zum Kinderhilfswerk Unicef der Vereinten Nationen gehört.

Schweiz liegt bei Armutsbekämpfung zurück

«Einige der reichsten Länder der Welt, darunter die Schweiz, liegen bei der Bekämpfung der Armut zurück», heisst es im Bericht. Trotz ihres Reichtums weise die Schweiz eine relativ hohe Kinderarmut auf. Insgesamt sei die materielle Entbehrung bei den Kindern aber relativ gering – mit Ausnahme von Wohnungsproblemen. Geldleistungen wie die Sozialhilfe reduzierten die Einkommensarmut der Kinder bereits um fast die Hälfte. Ohne Geldleistungen hätte die Kinderarmut im Jahr 2021 bei 30,3 Prozent gelegen, so Unicef.

Schweiz auf Platz 31

Die Schweiz liegt auf Platz 31 der 39 Länder im Ranking, zwischen den Vereinigten Staaten (Platz 30) und Österreich (Platz 32). Bei der relativen Einkommensarmut von Kindern holt die Schweiz Platz 21, bei der Veränderung der Kinderarmut zwischen 2012 und 2014, und 2019 und 2021 auf Platz 36. Die Schweiz gehöre zu den Ländern, die bei der Armut im Mittelfeld liegen, aber einen der stärksten Anstiege der Kinderarmut hätten.

Zehn Prozent mehr Kinderarmut in der Schweiz

«Die Schweiz ist eines der reichsten Länder Europas. Und trotzdem ist in den letzten zehn Jahren die Kinderarmut um zehn Prozent gestiegen», sagt Nicole Hinder, Bereichsleiterin Child Rights Advocacy von Unicef Schweiz und Liechtenstein. Die Unterstützung für Familien mit Kindern der unteren Einkommensklassen sei rückläufig, obwohl die Ausgaben für Kinder und Familien allgemein gestiegen seien.

«Ergebnis ist besorgniserregend»

Die fehlende materielle Absicherung bedeute für Kinder und Jugendliche nicht nur eine Beschneidung ihres Rechtes auf einen angemessenen Lebensstandard, sondern behindere sie auch darin, ihre Rechte wahrzunehmen und ihr volles Potenzial zu entfalten. «Dies schafft weitere Ungleichheiten», sagt Hinder. «Aus Kinderrechtsperspektive ist dieses Ergebnis besorgniserregend.»

Hohe Kinderarmut in der Schweiz

Die relative Einkommensarmutsquote für Kinder (Durchschnitt zwischen 2019 und 2021) liegt in der Schweiz bei 18,1 Prozent. Das bedeute, dass in der Schweiz zwischen 17 und 20 Prozent der Kinder in Armut leben. Mehr als eines von zehn Kindern sei von dauerhafter Armut betroffen. Die Schweiz habe das höchste Pro-Kopf-BIP aller erfassten Länder, dennoch sei die Kinderarmut relativ hoch, heisst es im Bericht. 

Trotzdem angemessener Lebensstandard

Bei der nichtmonetären Armut schneidet die Schweiz besser ab: Letztes Jahr waren 2,5 Prozent der Kinder von schwerer materieller Entbehrung und vier Prozent von kinderspezifischer materieller Entbehrung betroffen. Das relativ gute Abschneiden der Schweiz bei der materiellen Entbehrung deute darauf hin, dass ein angemessener Lebensstandard für Kinder üblich sei, auch wenn sie von Einkommensarmut betroffen seien. 

Ab wann ist ein Kind arm?

In der Schweiz bedeutet Armut nicht der Kampf ums nackte Überleben, wie in weiten Teilen der Welt. Armut muss ins Verhältnis zum Lebensstandard der Gesamtbevölkerung gesetzt werden. Das absolute Armutskonzept («Armut») basiert auf einer Armutsgrenze in Höhe des sozialen Existenzminimums. Als Armutsgrenze werden dabei die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) verwendet, die festlegen, wieviel eine Einzelperson, ein Paar oder eine Familie mindestens braucht, um alle notwendigen Ausgaben zu decken. 2021 lag die Armutsgrenze bei durchschnittlich 2289 Franken im Monat für eine Einzelperson und 3989 Franken für zwei Erwachsene mit zwei Kindern. Davon müssen die Ausgaben des täglichen Bedarfs (Essen, Hygiene, Mobilität etc.) sowie die Wohnkosten bezahlt werden, nicht jedoch die Prämien für die obligatorische Krankenversicherung.

Weiterlesen - ein Beitrag von Marcel Urech und Silvan Haenni erschienen am 06.12.2023 auf www.20min.ch

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