Schule und Inklusion – die Bedeutung der schulischen Bildung

Wenn es zur (Aus-)Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung kommt, kann die Tendenz „den Kopf über Wasser zu halten“ dominieren. Dabei ist gerade bei jungen Menschen mit Behinderung eine gezielte Förderung ihrer Fähigkeiten von Bedeutung und stellt ein wichtiges Fundament für das spätere Leben dar; im Beruf, wie auch im Privatleben. Rechtzeitiges Informieren lohnt sich für Eltern oder Begleitpersonen von Kindern mit Behinderung – denn mit dem richtigen Schulformat lernt das Kind nicht nur, den eigenen Kopf über Wasser zu halten, sondern auch zu schwimmen. Das Portal EnableMe informiert auf einer eigens für Eltern und Begleitpersonen erstellte digitale Begleitstelle zu diesen und vielen anderen Themen.

Die schulische Karriere von Kindern fängt häufig nicht erst in der ersten Klasse an, sondern bereits im Kindergarten oder schon in Spielgruppen und Tagesstätten. Auch für Kinder mit Behinderung gibt es verschiedene vorschulische Einrichtungen. Häufig scheint die Integration von Kindern mit einer Behinderung in Kindergärten oder anderen vorschulischen Einrichtungen kein Problem zu sein. Gerade bei Kindern mit geistiger Behinderung gibt es in diesem Alter noch deutlich weniger Hindernisse. In vorschulischen Einrichtungen liegt der Fokus noch auf den so genannten Sozialkompetenzen der Kinder. Je nach Einrichtung lernen sie zwar auch schon Rechnen und Schreiben, teils sogar eine Fremdsprache, doch sind hier noch keine Leistungen wie später in der Schule gefragt. Die Kinder lernen auf spielerische Art und Weise, was vielen Kindern mit Behinderung den Zugang zum Lernen erleichtert. Nebst dem üblichen Kindergartenalltag ist zudem in den meisten Fällen zusätzliche Frühförderung sinnvoll.

In der Theorie ist die Sachlage einfach. Kinder mit und ohne Behinderung besuchen den gleichen Kindergarten. Für viele nichtbehinderte Kinder ist dies der erste Kontakt mit Kindern mit Behinderung und umgekehrt. Je nach Einrichtung können auch mehrere Kinder mit Behinderungen die gleiche Gruppe besuchen. Meist ist es jedoch so, dass es nur ein betroffenes Kind in der Gruppe gibt. In Kindergärten, die sich gezielt auf Integration spezialisiert haben, machen Kinder mit Behinderung oft bis zu einem Drittel der Gruppe aus. Solche Kindergärten sind für die Eltern eine gute Einrichtung, weil sie wissen, dass ihr Kind dort gut aufgehoben ist. Hier können die Kinder mit Gleichaltrigen spielen und neue soziale Kontakte knüpfen – die Behinderung spielt gerade in solch einem Umfeld keine zentrale Rolle. Auch die nichtbehinderten Kinder profitieren von dieser Konstellation. Sie lernen, dass es «andere» Menschen gibt und diese nicht ausgegrenzt werden sollen. Toleranz und Hilfsbereitschaft werden so in einem Alter geschult, in dem Kinder sowieso gerne helfen. Doch nicht für alle Kinder ist eine Integration in einer «normalen» Einrichtung die beste Lösung. Manche Kinder fühlen sich in einer heilpädagogischen Spielgruppe oder Kindergarten wohler, vor allem, wenn sie intensive Betreuung benötigen. Gezielte Förderung in einer heilpädagogischen Einrichtung kann dem Kind helfen, den gleichen Entwicklungsstand wie seine nichtbehinderten Altersgenossen zu erreichen. Welche Lösung am besten ist und welche sich in der Praxis auch tatsächlich umsetzen lässt, hängt von den Gemeinden, den Betreuungspersonen, den Kindern und deren Konditionen, den Eltern und der Infrastruktur der Institutionen ab.

Dass es nicht die eine gleiche Lösung für alle Kinder gibt, ändert sich auch beim Schuleintritt nicht: eine optimale Entscheidung zwischen Regel- und Sonderschule ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Am wichtigsten ist, dass das Kind angemessen gefördert werden kann und sich wohl fühlt – und dass die Bildungsinstitution einen zentralen Auftrag angemessen ausführt: den Auftrag zur Inklusion des betroffenen Kindes.

Im Gegensatz zum Konzept der Integration, das noch immer von einem Zweiklassensystem ausgeht, geht die Inklusion von der Einzigartigkeit jedes Menschen aus. Das heisst, jeder Mensch wird in seiner Individualität und mit seinen besonderen Fähigkeiten, sprachlich-kulturellen Hintergründen oder sozialer Herkunft akzeptiert und als Erweiterung der Gesellschaft wahrgenommen. Im Unterschied zur Integration, die sich oft am Einzelfall oder an einer teilzeitlichen Integration von Kindern oder Jugendlichen mit besonderem Bildungsbedarf in eine Klasse der Regelschule orientiert, geht es bei Inklusion darum, ganze Systeme dahingehend zu gestalten, dass sie integrativ wirken. Das bedeutet nicht, dass jedes Kind mit Behinderung gezwungenermassen in die Regelschule muss, da die optimale Lösung von Kind zu Kind anders ausschaut. Es bedeutet aber, dass jedes Kind, egal ob von einer Regelschule oder einer Sonderschule, einen angemessenen, gleichwertigen Platz in der Gesellschaft einnehmen kann. Es bedeutet, als Institutionen und Individuen Inklusion gegenüber Kindern und Jugendlichen mit Behinderung zu leben, in Kindergärten und Schulen, auf dem Pausenplatz, und auch beim Eingliedern in die Arbeitswelt.

Gerade in der Vorbereitung auf das Erwachsenenleben und die Arbeitswelt ist es Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Inklusion, dass auf die Stärken von Menschen gesetzt wird und auf die wirkungsvolle Nutzung ihrer Fähigkeiten. Dies gilt im Besonderen für Menschen mit vermeintlichen Einschränkungen, wie beispielsweise Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten. Welch grossartigen Effekt Lehrpersonen und Bildungsinstitutionen auf die Selbstwahrnehmung und das Selbstvertrauen von Menschen mit Behinderungen haben kann, zeigt uns Markus: Er ist heute, als erwachsener Mann, noch immer mit einigen Lehrpersonen seiner Sekundarschule im Kontakt – als Freunde. «Ich zähle sie als meine ersten richtigen Freundschaften mit Menschen, die keine Behinderung haben. Unser Kontakt zeigt mir, dass ich sehr wohl nichtbehinderte Freunde haben kann. Ich wünsche mir zwar noch mehr Freunde ohne Behinderungen, aber meine ehemaligen Lehrer haben mich immer unterstützt und ermutigt, und tun dies auch heute noch. Das ist sehr schön.»

Markus lebt heute in einer der grossen Schweizer Städte und arbeitet in einer Eingliederungsstätte. Dort gefällt es ihm, nachdem er drei andere Arbeitsorte angeschaut oder ausprobiert hat. Er ist in lokalen Sportgruppen aktiv, die nicht ausschliesslich für Menschen mit Behinderungen sind, geht gerne Flussschwimmen und spart für eine eigene Wohnung.

Enableme.ch hat für Eltern von Kindern mit Behinderung Informationen, Erfahrungsberichte und lokale Ressourcen zu unterschiedlichsten Themen und Lebensabschnitten verfasst – in Zusammenarbeit mit betroffenen Eltern, Fachexperten und -organisationen. Dies alles mit dem Ziel, dass Menschen wie Markus und dessen Eltern sich an einem Ort orientieren, informieren und austauschen können – für eine inklusivere Gesellschaft in Privat-, Schul- und Arbeitswelt.

Newsletter


Abonnieren Sie unseren vierteljährlich erscheinenden Newsletter, um über Neuigkeiten, Initiativen und Veranstaltungen zur Familienpolitik und zu Instrumenten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erfahren.

Archiv

Mit dem Absenden des Formulars bestätige ich, dass ich die Bedingungen in den Privacy policy gelesen und akzeptiert habe.