Beide Familien geben ihre Kinder an zwei Tagen pro Woche in die Kita, an einem Tag schauen die Grosseltern. Pro Woche ergibt das vier Kita-Tage. In Zürich sind Kita-Plätze stark subventioniert. Während Familie 1 laut dem Kita-Rechner der Stadt 27 Prozent der Kosten selbst bezahlen muss, sind es bei Familie 2 sechs Prozent. Damit zahlt die Familie 1 659 Franken monatlich für die Kinderbetreuung, bei Familie 2 sind es 243 Franken.
Gesamt
Familie 1 hat mit 8000 Franken netto ein Drittel mehr zur Verfügung als Familie 2 mit 6000 Franken. Am Ende des Monats gibt Erstere aber 787 Franken mehr für Steuern, Kita und Krankenkasse aus als Familie 2. Sie verliert damit knapp 40 Prozent ihres Zusatzverdienstes von 2000 Franken gleich wieder. Das entspricht fast drei ganzen Arbeitstagen. «In der Schweiz wird rege umverteilt», sagt Patrick Leisibach von Avenir Suisse. Gerade die unteren Einkommensschichten bekommen viel Unterstützung: «Sie stehen dann am Schluss ähnlich da wie die, die mehr verdienen.» Hier gebe es ein Dilemma: «Einerseits will man umverteilen. Andererseits soll es Anreize geben, mehr zu arbeiten und davon zu profitieren.»
Mittelstand muss Gürtel enger schnallen
Verschiedene Experten und Expertinnen sehen Vicky und Ivan nicht als Einzelfall: «Dass eine vierköpfige Familie mit monatlich 8000 Franken Probleme hat, überrascht mich nicht», sagt etwa Urban Hodel vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB. Bernadette Ritter Nigg von der Frauenzentrale Zürich zeigt ein Beispiel aus ihrer Budgetberatung: «Eine Familie mit zwei Kindern mit einem Nettoeinkommen von rund 8000 Franken ist Ende Monat sogar rund 1000 Franken im Defizit.» Ein grosser Ausgabenpunkt sei die Kinderbetreuung von zwei Tagen, die rund 2000 Franken ausmacht: «Die Kitas müssten meiner Meinung nach gratis sein.» Laut Philipp Frei, dem Geschäftsführer von Budgetberatung Schweiz, müssen auch Leute mit einem guten Lohn den Gürtel enger schnallen: «Man verbindet gewisse Sachen mit dem Mittelstand (siehe Box), wie zum Beispiel Ferien, ein Eigenheim und ein Auto.» Von dieser Vorstellung müsse man wegkommen. Die Realität sei heute, dass man als Familie mit 8000 Franken nicht auf Rosen gebettet sei.
Wo liegt der Mittelstand?
Laut dem Bundesamt für Statistik zählen alle zum Mittelstand, die zwischen 70 und 150 Prozent des Medianlohns verdienen. Der lag 2020 in der Schweiz bei 6665 Franken. Damit gehörten in diesem Jahr alle Schweizerinnen und Schweizer mit einem Einkommen zwischen 4665 und 9997 Franken zum Mittelstand.
Weiterlesen - ein Beitrag von Noah Knüsel, Helena Müller und Simona Ritter erschienen am 15.02.2023 auf www.20min.ch