Bei der Geburt des ersten Kindes übernehmen auch junge Paare eher traditionelle Rollenmodelle. Männer machen Karriere und Frauen Hausarbeit. Scheitern hier Frauenquote und Familienpolitik?
Eine wichtige Frage der Soziologie ist, ob sich die Gesellschaft eher für das Entstehen von Neuem oder das Beharren auf Altem interessiert. Sagt das Gleichbleibende mehr über die Gesellschaft aus als das, was sich verändert? Und warum verändern sich bestimmte Dinge nicht, obwohl sich die Gesellschaft das oft wünscht und viele daran arbeiten? Zum Beispiel die Arbeitsteilung in einer jungen Familie: Dass Papa arbeiten geht und Mama sich um den Haushalt und die Kinder kümmert, entspricht einem längst überholten Rollenverständnis der 1950er-Jahre.
Doch die soziologische Forschung bestätigt es immer wieder: Offensichtlich führt ein Ereignis wie die Geburt des ersten Kindes zurück in diese scheinbar überholten Muster. Die meisten frischen Väter bleiben berufstätig, während die Mütter ihre Erwerbsbiographien zugunsten des Kindes unterbrechen. Gilt das auch noch für die jüngste Elterngeneration in diesem Land? Müsste nicht allmählich eine Veränderung eintreten in Richtung einer Konvergenz der Erwerbsverläufe von Vätern und Müttern? Immerhin gab es seit den 2000er-Jahren maßgebliche Gesetzgebungen, wie die Einführung des Elterngeldes oder die Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung, die sich ausdrücklich gegen die traditionellen Strukturen in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung wandten.
Nadiya Kelle, Laura Romeu Gordo und Julia Simonson haben mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) diese Forschungslücke schließen können. Sie untersuchten, wie sich die partnerschaftlichen Konstellationen in den drei Geburtskohorten 1970 bis 1974, 1975 bis 1979 und 1980 bis 1984 verändert haben. Dabei erwarteten sie, dass Frauen aus der jüngsten Kohorte, die heute um die 40 Jahr alt sind, auch als Mütter mehr Zeit in der Erwerbstätigkeit verbringen und die Väter entsprechend mehr Zeit zu Hause mit dem Kind. Die Daten des SOEP bestätigen diese Annahme – aber nur zum Teil und mit erheblichen Einschränkungen. Denn auch wenn die traditionelle Konstellation, bei der er arbeitet und sie sich daheim in Elternzeit um das Kind kümmert, in den ersten 36 Monaten nach Beginn der Elternzeit über alle drei Kohorten hinweg dominiert, so nimmt sie doch zumindest bei den Jüngeren leicht ab.
Empirisch drückt sich das so aus, dass die ältesten Paare in der Studie noch etwas über 23 Monate (von drei Jahren) in diesem Status verbracht hatten, während es bei den zehn Jahre Jüngeren noch knapp 17 Monate waren. Trotzdem bleibt es die dominierende Form der partnerschaftlichen Arbeitsteilung nach der Geburt. Eine Konvergenz der Erwerbsarrangements findet demnach nicht statt.
Umbrüche, Pausen und Neuanfänge
Vielleicht stellen sich die Effekte der familienpolitischen Maßnahmen der 2000er-Jahre ja erst bei den noch jüngeren Eltern ein, also die, die in den 1990er-Jahren geboren wurden. Aber vorläufig gelte, dass sich auch für die jüngeren Kohorten, die in den 80er-Jahren geboren wurden, ähnlich wie für die älteren Kohorten mit dem Übergang in die Elternschaft eine „Retraditionalisierung“ der Erwerbsverläufe einstelle, so die Autorinnen. Es sei kaum zu beobachten, dass Väter ihre Erwerbstätigkeit zugunsten einer Elternzeit oder einer stärkeren Einbindung in Haushaltstätigkeiten einschränken würden. Was zugenommen hat, sind die diskontinuierlichen Erwerbsverläufe nach der Elternschaft, dass etwa beide Partner über eine Zeit lang nicht arbeitslos gemeldet sind. Diese Konvergenzen ließen sich jedoch eher auf zunehmende Erwerbsdiskontinuitäten und weniger auf familien- und sozialpolitische Interventionen zurückführen. Was sich also angleicht, sind Unsicherheiten in der Arbeitswelt, die Umbrüche, Pausen und Neuanfänge.
Warum also verändert sich in den Familien so wenig? Weil es eben „in humankapitaltheoretischer Perspektive rational“ sei, dass die Frau auf die Vereinbarung von Beruf und Familie verzichtet zugunsten des Kindes. Es sei rational, weil die Männer immer noch mehr verdienten und es ihren Aufstiegschancen schaden könne, wenn sie wegen des Kindes in Teilzeit arbeiteten, so die Autorinnen. Unterstellt, dass sich Männer durch diese Rationalität eher gezwungen sehen, einem traditionellen Rollenmodell zu folgen, könnte man darauf spekulieren, dass sie vielleicht der letzten Generation angehören, die zu dieser Anpassung bereit war. Sollten die heute 40-Jährigen einmal selbst die Führungspositionen ihrer Berufswelt übernehmen, könnten sie schließlich mit ihren Erwartungen auch die Aufstiegswege von Männern fördern, die in Teilzeit arbeiten. Das wäre dann mal wirklich etwas Neues.
Weiterlesen - ein Beitrag vom 05.02.2022 in der Frankfurter Allgemeine