Wie gut bekämpft und verhütet die Schweiz Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt? Die internationale Expertinnen- und Expertengruppe des Europarats (GREVIO) hat die Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Schweiz überprüft und ihre Vorschläge in einem Bericht publiziert. Zeitgleich wurde der Kommentar des Bundesrats veröffentlicht, den er an seiner Sitzung vom 2. November 2022 verabschiedet hat.
Der Bericht begrüsst die Vielzahl der Massnahmen der Schweiz und die bestehenden gesetzlichen Grundlagen zum Schutz von Gewaltbetroffenen. Als Beispiel nennt er das Opferhilfegesetz, das die Basis für die kantonalen Opferhilfestellen bildet. Die Expertinnen und Experten loben auch die gute Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden.
Bundesrat kommentiert Vorschläge des Europarats
Der Bericht enthält Vorschläge an die Schweiz, welche die Bundes- und Kantonsbehörden geprüft und kommentiert haben. So wird unter anderem vorgeschlagen, dass die Schweiz ihr Engagement zur Bekämpfung von Gewalt im häuslichen Bereich auch auf andere Formen von Gewalt gegen Frauen ausweitet. Hier weist der Bundesrat darauf hin, dass er geschlechtsspezifische Gewalt stärker in den Fokus rückt, etwa im Nationalen Aktionsplan zur Istanbul-Konvention (NAP IK) oder in der Gleichstellungsstrategie 2030. Frauen und Mädchen haben ein höheres Risiko, bestimmte Gewaltformen (z.B. sexualisierte Gewalt) zu erleben. Diese Gewalt kann innerhalb der Familie, aber auch bei der Arbeit oder im öffentlichen Raum stattfinden.
Die Schweiz soll zudem Studien durchführen, um mehr Daten über die verschiedenen Formen von Gewalt zu haben. Hier verweist der Bundesrat auf die von ihm bereits genehmigte Bevölkerungsbefragung über Gewalterfahrungen, deren Finanzierung vom Parlament noch bewilligt werden muss. Ausserdem enthält der Bericht konkrete Vorschläge, wie Kinder, die von häuslicher Gewalt mitbetroffen sind, noch besser geschützt werden können. Der Bundesrat verweist hier auf den von der Schweizerischen Konferenz gegen häusliche Gewalt SKHG mit Unterstützung des Bundes veröffentlichten Leitfaden «Kontakt nach häuslicher Gewalt?». Dieser zeigt Richterinnen und Richtern sowie anderen Fachpersonen auf, wie Entscheidungen im Interesse des Kindes getroffen werden können.
Prävention und Bekämpfung von Gewalt ein zentrales Ziel des Bundesrats
Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass die Ziele der Istanbul-Konvention konsequent durchgesetzt werden. Im Juni 2022 verabschiedete er den NAP IK mit 44 Massnahmen. Auch in der Gleichstellungsstrategie 2030, die er im April 2021 verabschiedet hat, ist die Prävention und Bekämpfung von Gewalt ein zentrales Ziel. Zudem verweist der Bundesrat auf die im April 2021 von Bund und Kantonen vereinbarte Roadmap häusliche Gewalt: Im Zentrum stehen dabei die Stärkung des Bedrohungsmanagements oder ein leichterer Zugang zur Opferberatung via eine zentrale, nationale 24h-Beratungstelefonnummer.
Istanbul-Konvention seit 1. April 2018 in Kraft
Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die Istanbul-Konvention (IK), ist in der Schweiz am 1. April 2018 in Kraft getreten. Eine unabhängige Expertinnen- und Expertengruppe (GREVIO) überwacht die Umsetzung der IK. Der erste Staatenbericht zur Umsetzung der IK, der im Juni 2021 veröffentlicht wurde, sowie der Besuch einer GREVIO-Delegation in der Schweiz im Februar 2022 dienten als Grundlage für den aktuellen Evaluationsbericht, den der Bundesrat zur Kenntnis genommen hat. In voraussichtlich drei Jahren wird die Schweiz einen zweiten Bericht publizieren.
Bericht (englisch)