Seit Anfang 2021 haben erwerbstätige Väter in der Schweiz Anrecht auf zwei Wochen bezahlten Urlaub. Die 10 Urlaubstage werden als 14 Taggelder ausbezahlt. Wie beim Mutterschaftsurlaub beträgt die Entschädigung 80 Prozent des Erwerbseinkommens vor der Geburt, höchstens aber 196 Franken pro Tag. Finanziert wird der Urlaub über die Erwerbsersatzordnung (EO). Der Vaterschaftsurlaub muss innerhalb eines halben Jahres ab der Geburt des Kindes bezogen werden, wobei die Urlaubstage auch einzeln bezogen werden können.
Nach rund eineinhalb Jahren Erfahrung mit dem Vaterschaftsurlaub stellt sich die Frage: Wie viele Väter beanspruchen die Gelder?
Verschiedene Medien berichteten diesen Frühling, dass nicht einmal die Hälfte der Väter Vaterschaftsurlaub beziehen würde. Sie behaupteten dies aufgrund der Anzahl im Jahr 2021 ausbezahlter Vaterschaftsentschädigungen im Verhältnis zur Anzahl Geburten im selben Jahr. Das ist methodisch aber nicht haltbar.
Quote von 70 Prozent
Statistisch sinnvoll ist es, sich auf die Geburten von Januar bis März 2021 (erstes Quartal) zu beschränken und die Daten der Auszahlungen bis Ende Mai 2022 zu berücksichtigen: So ist der zeitliche Abstand zwischen Geburt und Auszahlung aus heutiger Sicht genügend gross, um erste zuverlässige Aussagen machen zu können. Denn zwischen der Geburt eines Kindes und der Auszahlung der Gelder können mehrere Monate verstreichen. Im ersten Quartal 2021 gab es in der Schweiz 21 516 Lebendgeburten. Mehrlingsgeburten wurden dabei nur einmal gezählt, da diese lediglich einen Leistungsanspruch auslösen. Bis Ende Juni 2021 wurden für 36 Prozent der Geburten des ersten Quartals 2021 Entschädigungen für einen Vaterschaftsurlaub ausbezahlt (siehe Grafik). Diese Quote steigt ein Jahr später (Ende Mai 2022) auf 69 Prozent. Sie wird sich voraussichtlich bei etwa 70 Prozent einpendeln. Aussagekräftige Werte erhält man aus heutiger Sicht somit etwa 15 Monate nach der Geburt. Verbindliche Hochrechnungen oder Approximationen sind allerdings erst in ein paar Jahren möglich, wenn mehr Zahlen zur Verfügung stehen. Zum Vergleich: Bei der Mutterschaftsentschädigung erhält man bereits nach rund neun Monaten verbindliche Werte – was auch der langjährigen Erfahrung entspricht. Für die Geburten des ersten Quartals 2021 beträgt die Bezugsquote Anfang 2022 beispielsweise 77 Prozent. Der Grund für die gegenüber dem Vaterschaftsurlaub frühere Auszahlung liegt in einem anderen Bezugsverhalten: Der Urlaub wird unmittelbar nach der Geburt bezogen. Und darüber, wer die Mutter ist, bestehen keine Zweifel.
Weiterlesen - Soziale Sicherheit CHSS vom 24.08.2022