Firmen unter Druck: «Statt 100-Prozent-Jobs und Karriere wollen sie Freizeit und hohe Löhne»

Work-Life-Balance, keinen Bock auf Karriere und Wochenendeinsätze: Die Generation Z stellt Arbeitgeber vor neue Herausforderungen. Arbeitgeber stellen fest, dass für die Jungen die Freizeit oft wichtiger ist als der Job. Beruflich Karriere zu machen, sei oft kein Ziel mehr. Um sich den neuen Anforderungen der Jungen anzupassen, bietet beispielsweise die Post mobiles und flexibles Arbeiten, Homeoffice, Teilzeitarbeit und Jobsharing an.

Die Generation Z, die zwischen 1997 und 2012 auf die Welt gekommen ist, schüttelt die Arbeitswelt durch. Das spürt auch Roland Mack, der Chef des Europa-Parks. Er hat die jungen Bewerberinnen und Bewerber scharf kritisiert: «Da kommen 25-Jährige und wollen nur drei Tage arbeiten – dabei haben die das ganze Leben noch vor sich, könnten hier etwas werden, Verantwortung übernehmen, Karriere machen.» Er habe grosse Probleme, Mitarbeitende zu finden. Das gehe so weit, dass er sich derzeit nicht traue, ein neues Hotel zu bauen. Auch in der Schweiz stehen Unternehmen vor neuen Herausforderungen, hält Diana Gutjahr, Vorstandsmitglied des Schweizerischen Gewerbeverbandes, fest. Gutjahr, die mit ihrem Mann den Stahl- und Metallbaubetrieb Ernst Fischer führt, sagt, dass es vor allem für Büro-Jobs viele Bewerbungen von jungen Menschen gebe, für die ein 100-Prozent-Pensum nicht in Frage komme. Gerade die Studienabgänger forderten meist viel Freizeit und wenig Verantwortung im Geschäft. Beruflich Karriere zu machen, sei oft kein Ziel mehr. «Gerade die Studentinnen und Studenten sollten Führungspositionen übernehmen, dafür haben sie doch studiert», sagt Gutjahr. «Sie sollten Vorbilder sein und der Gesellschaft etwas zurückgeben.» Denn die Studiengänge seien nur so günstig, weil sie die Steuerzahlenden finanzieren.

Lohnforderungen teils utopisch

Auch seien viele Studienabgängerinnen und Studienabgänger nicht bereit, auch mal am Wochenende zu arbeiten. Dabei müsse man die Projekte dann erledigen, wenn es die Kundschaft fordert. Schliesslich seien es die Kundinnen und Kunden, die einem am Ende den Lohn bezahlen. Ebenso seien die Lohnforderungen der Generation Z teils utopisch: «Viele Junge lesen in der Zeitung, was man in Lehrberufen oder im Finanzsektor verdient, und fordern dann ähnlich hohe Löhne», sagt Gutjahr. Diese könnten KMUs aber oft gar nicht bezahlen. Gemäss Gutjahr gibt es zwar auch gute Gründe für die Teilzeitarbeit, etwa Weiterbildungen, ein Amt in der Politik oder den Nachwuchs, den man hüten muss: «Für die meisten 20-Jährigen gibt es aber keinen guten Grund, nicht Vollzeit zu arbeiten.» Teilzeit-Jobs seien vor allem da gefragt, wo man es sich wegen der hohen Löhne leisten kann – etwa in den Lehrberufen. Das sei nicht nur bei Jungen, sondern bei allen Generationen so. Bei den Handwerkern und auf Baustellen, wo man nicht im Homeoffice sein könne, sei die Teilzeitarbeit hingegen meist kein Thema. «Es ist leider in verschiedenen Branchen lukrativer, nicht mehr Vollzeit zu arbeiten – auch wegen der Steuern.»

Workaholics sind «out»

«Derzeit treffen in Unternehmen unterschiedliche Rollenverständnisse und Werte aufeinander», sagt auch Personalexpertin Gabriela Böcker-Flamm von der Medienagentur Mediacom. Während die Work-Life-Balance eine enorm wichtige Rolle spiele, seien «Workaholics» komplett «out». Der Karriereanspruch rücke dabei in den Hintergrund. Bei der Gen Z stehe «die sinnvolle Aufgabe mit Entfaltungsmöglichkeiten, Fairness und Wertschätzung im Vordergrund und das bei einer fairen Entlohnung». Die Gen Z brauche einen Sinn und das Gefühl, «die Welt mit dem Job besser zu machen»: «Das Unternehmen muss für etwas stehen. Purpose und Nachhaltigkeit sind wichtiger denn je. Parallel dazu muss die Arbeit Freiraum zur Entwicklung bieten», sagt Böcker-Flamm. Die Loyalität sei hingegen nicht sehr hoch. «Sie wechseln schneller den Job, wenn für sie Job und Unternehmen nicht stimmig sind.» Das Schlimmste für Gen Z sei: «Wenn sie merken, dass das Unternehmen nicht auf höchstem technologischem Standard ist, der digitale Wandel noch nicht alltägliche Selbstverständlichkeit ist und führende Mitarbeitende noch nicht in der digitalen Welt angekommen sind.» Zudem wollen sie an ihren Stärken arbeiten, in den Arbeitsprozess miteinbezogen werden und eine klare Führung spüren. Dazu gehört regelmässiges Feedback, Lob und Kritik: «Sie sind ständig online und schnellen Austausch gewohnt, schätzen dennoch den regelmässigen persönlichen Austausch.» Für Führungskräfte sei das sehr anspruchsvoll und bedeutet: «Sie müssen aufmerksam sein, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen und verstehen, ihre Stärken und Entwicklungspotentiale fördern und sie individuell motivieren.»

«Die Jungen haben ein anderes Verständnis von Arbeit»

Auch die Schweizerische Post hält fest, dass «die Jungen ein anderes Verständnis von Arbeit» hätten als frühere Generationen. «Die Arbeit muss für sie einen Sinn ergeben. Die Vorgesetzten und das Team sollen inspirierend sein, die Arbeitszeiten und -formen flexibel», sagt ein Sprecher. Die Post müsse sich diesen Bedürfnissen anpassen und setze darum unter anderem auf mobiles und flexibles Arbeiten, Homeoffice, Teilzeitarbeit und Jobsharing. Denn die Generation Z werde in fünf bis zehn Jahren den Arbeitsmarkt dominieren. Die gleichen Beobachtungen macht man bei der Swisscom, wo die Jungen ebenfalls oft Teilzeitarbeit, flache Hierarchien und Homeoffice forderten. Man biete darum Teilzeit, Gleitzeit, Jahresarbeitszeit, mobiles Arbeiten, Homeoffice und Remote Office an. Es sei zudem möglich, bis zu zehn zusätzliche Ferientage zu erwerben. Stellen schreibt Swisscom wenn immer möglich mit 60 bis 100 Prozent aus.

«Flexiblere Arbeitsmodelle haben ihre Grenzen»

«Die Bedürfnisse der Generation Z sind in den Unternehmen spürbar und werden auch ernst genommen», sagt Andy Müller, Sprecher beim Arbeitgeberverband. «Rückmeldungen aus den Branchen zeigen uns, dass Themen wie «Shared-Leadership», «Workation» oder die Vier-Tage-Woche immer mehr thematisiert werden», sagt Müller. Aufgrund des Fachkräftemangels seien die Unternehmen vermehrt bereit, ihren Mitarbeitenden flexiblere Arbeitsformen anzubieten. «Flexiblere Arbeitsmodelle haben aber auch ihre Grenzen», sagt Müller. In einigen Branchen – etwa in der Industrie oder im Detailhandel – gehe es nicht ohne fixe Präsenzzeiten. Homeoffice und Ferien könnten zudem dazu führen, dass der Druck auf die physisch anwesenden Mitarbeitenden steige. «Letztlich muss aber jedes Unternehmen für sich entscheiden, ob und wie flexiblere Arbeitsmodelle möglich sind», so Müller.  

Weiterlesen - ein Beitrag von Marcel Urech und Monira Djurdjevic erschienen am 25. Juli 2022 auf www.20min.ch

 

 

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