So viele Fälle von Kindeswohlgefährdungen wie im letzten Schuljahr hat Sandra Geissler, Leiterin der Schulsozialarbeit der Stadt Bern, noch nie verzeichnet. Auch dieses Jahr seien es bereits «viele Fälle», wie Geissler zur «SonntagsZeitung» sagt. Der Anstieg sei mitunter der Pandemie geschuldet: «Die vergangenen zwei Jahre waren für viele Familien belastend, und gleichzeitig haben die Lehrpersonen weniger mitbekommen, wie die Situation zu Hause für manche Kinder ist.» In der Schweiz gibt es bis heute kein Gesetz, das jegliche Züchtigung von Kindern verbietet, wie die Zeitung feststellt. Eine strafrechtliche Verfolgung ist erst bei schweren Verletzungen möglich. «Das fehlende Verbot kommt einer gesetzlichen Erlaubnis gleich», sagt die Freiburger Mitte-Nationalrätin Christine Bulliard Marbach. «130’000 Kinder sind zu Hause von Gewalt betroffen.»
Gesetz hätte «präventive Wirkung»
Buillard Marbach will deshalb die gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch verankern und hat eine entsprechende Motion im Parlament eingereicht. Der Nationalrat hat dieser bereits zugestimmt. Tut es der Ständerat ebenso, könnte Züchtigung hierzulande bald erstmals verboten sein. Eine gesetzliche Verankerung der gewaltfreien Erziehung würde die Eltern nicht kriminalisieren, sondern hätte vor allem Signalwirkung, sagen Experten wie etwa Kinderschutz Schweiz. Dieser Ansicht ist auch Patrick Fassbind, Leiter der Kesb Basel-Stadt: «Blosse Ohrfeigen landen kaum bei der Kesb.» Allerdings hätte die gesetzliche Verankerung eine «nicht zu unterschätzende» präventive Wirkung.
Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 22.05.2022 auf www.20min.ch