Die Unterstützung einer gemeinsamen Auszeit für Väter und Mütter reicht bis tief ins bürgerliche Lager hinein. Das Anliegen hatte es bisher schwer. Eine gemeinsame Auszeit für Eltern nach der Geburt eines Kindes fordern Frauenverbände und linke Parteien seit Jahren. Noch dieses Jahr lehnte der Nationalrat einen Vorstoss dazu ab. Und erst im Oktober ist eine kantonale Initiative dazu im Zürcher Kantonsrat gescheitert, genauso wie ein moderaterer Gegenvorschlag.
Nun zeigt eine Umfrage des Instituts Leewas, dass die Forderung nach Elternzeit bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern heute auf weit offene Ohren stösst: Das Anliegen findet Mehrheiten bei Frauen (73 Prozent) und bei Männern (62), in der Stadt (77) und auf dem Land (61), bei den über 65-Jährigen (56) und bei den 18- bis 34-Jährigen (80). Selbst in den bürgerlichen Parteien ist die Elternzeit unterdessen überraschend gut verankert: Bei den Wählerinnen und Wählern der Mitte gibt es 50 Prozent Zustimmung, in der wertkonservativen SVP 48 Prozent und selbst in der wirtschaftsnahen FDP immer noch 44 Prozent. Insgesamt beträgt die Zustimmung satte 68 Prozent.
Etwas weniger deutlich ist das Meinungsbild auch bei der Frage, ob die Kinderbetreuungskosten auf das Niveau der Nachbarländer gesenkt werden sollen. Aber auch hier ermittelte die Umfrage eine Zustimmung von 61 Prozent. Positiv äusserten sich ebenfalls alle Bevölkerungsgruppen sowie die Wählerinnen und Wähler der Mitte. Keine Mehrheiten haben die Anliegen nur im SVP- und FDP-Milieu. Aber auch dort liegt die Zustimmung bei immerhin über 40 Prozent.
Forderungen «breit abgestützt»
Der Leewas-Politologe Lucas Leemann, der die Umfrage zusammen mit seinem Kollegen Fabio Wasserfallen aus eigenem Interesse durchgeführt hat, kommentiert die hohen Zustimmungswerte so: «Man sieht deutlich, dass die beiden Forderungen nicht einfach auf Einzelinteressen zurückzuführen, sondern gesellschaftlich breit abgestützt sind.» Deutlich sei das auch daran zu sehen, dass die Subventionierung der Krippenplätze nicht nur bei Eltern eine Mehrheit findet (66 Prozent), sondern auch bei Kinderlosen (immerhin 57 Prozent). «Natürlich wird sich das Meinungsbild noch verändern, sobald es um die konkrete Umsetzung geht, etwa um Finanzierungsfragen», warnt allerdings Lucas Leemann. Eine Einschränkung macht Leemann auch, was die Aussage über die Zustimmungswerte bei den Parteien angeht: Der Unsicherheitsbereich ist bei diesen Zahlen relativ hoch. Insgesamt hält der Politologe die Zahlen aber für belastbar. Total nahmen 1532 Personen an der Umfrage teil. Die Elternzeit und die Verbilligung der Kinderbetreuung sind Anliegen, die die Frauensession Ende Oktober in ihren Forderungskatalog aufgenommen hatte.
Kathrin Bertschy, eine der Initiantinnen der Frauensession, sagt, sie sei «erfreut, aber nicht überrascht» über das Ergebnis der Umfrage. Für die GLP-Nationalrätin und Co-Präsidentin des Frauendachverbands Alliance F ist klar: «Das Volk ist gesellschaftspolitisch eben wesentlich weiter als die Politikerinnen und Politiker hinter den Mauern des Bundeshauses.» Für Bertschy geht es bei der Krippenfinanzierung und der Elternzeit nicht allein um Fragen der Gleichstellung von Frau und Mann, sondern ebenso um eine wirtschaftliche Logik: «Auch die Stimmberechtigten anerkennen offenbar, dass sich Investitionen in die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auszahlen.»
Wie geht es nun weiter? Aufgegleist ist bereits der Ausbau der Krippensubventionen. Die Bildungskommission des Nationalrats arbeitet an einem entsprechenden Gesetz. Und der Bundesrat hat den Auftrag, für verschiedene Elternzeitmodelle die finanziellen und wirtschaftlichen Vor- und Nachteile in einem Bericht aufzuzeigen.
Weiterlesen - ein Beitrag von Edgar Schuler erschienen am