Diese Branchen sind besonders geizig beim Vaterschaftsurlaub

Gewerbe, Gesundheitssystem und Kantone geben jungen Vätern nur das gesetzliche Minimum an freien Tagen nach einer Geburt. In anderen Branchen bekommen Väter fast einen Monat frei. Travail Suisse findet das nicht richtig. Bei Travail Suisse gehen immer wieder Meldungen ein von Männern, denen der Vaterschaftsurlaub gekürzt oder gar gestrichen wird. Jetzt zeigt eine Studie, dass je nach Branche die Papi-Zeit länger oder kürzer ausfällt. Wie lange der Vaterschaftsurlaub ist, hängt von den finanziellen Mitteln der Betriebe ab.

Seit Anfang Jahr haben junge Väter Anrecht auf zehn Tage Vaterschaftsurlaub. Mit den Wochenenden reicht das für 14 Tage Ferien. Viele Unternehmen geben Vätern aber freiwillig mehr Zeit nach einer Geburt. So gibts in der IT- und Kommunikationsbranche sowie in der Pharmaindustrie durchschnittlich 30 bis 31 freie Tage. Geizig sind hingegen Gewerbe wie etwa das Bau- und das Handwerk sowie das Gesundheitswesen. Dort erhalten Väter meist nur zehn bis elf freie Tage, wie eine aktuelle Studie vom Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse zeigt. Auch kantonale Angestellte erhalten fast überall nur das gesetzliche Minimum. «Die Bedürfnisse der jungen Arbeitnehmenden werden in diesen Branchen missachtet», sagt Thomas Bauer, Leiter Sozialpolitik bei Travail Suisse. Zudem werde ungenügend über den Vaterschaftsurlaub informiert: So wüssten viele Arbeitnehmende nicht, wie viele freie Tage ihnen zustehen. «Wir haben Meldungen von Männern erhalten, denen bei der Arbeit gesagt wurde, sie hätten keinen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub», sagt Bauer zu 20 Minuten. Betroffen seien meistens temporär Angestellte. Die Arbeitgebenden spielen dann mit dem Anrecht auf Entschädigung, erklärt Bauer. Denn nur Väter, die vor der Geburt mindestens neun Monate AHV-versichert waren und mindestens fünf Monate lang erwerbstätig waren, bekommen im Vaterschaftsurlaub 80 Prozent ihres Lohnes. Doch Anrecht auf Papi-Zeit haben laut Bauer alle erwerbstätigen Männer.

Chef gibt nur fünf statt zehn Tage frei

Damit nicht genug: Manche Arbeitgebenden kürzen jungen Vätern auch einfach die freie Zeit. «Bei uns haben sich Männer gemeldet, denen der Chef gesagt hat, sie dürften sich nur fünf statt zehn Tage frei nehmen», sagt Bauer. Das sei nicht legal. In gewissen Unternehmen durften Mitarbeitende den Vaterschaftsurlaub zudem nicht direkt nach der Geburt nehmen, weil im Geschäft zu viel los war. Auch das sei nicht richtig, so Bauer. «Ein Mann musste den Vaterschaftsurlaub sogar nach zwei Tagen abbrechen und wurde ins Geschäft zurückbeordert.»

Kündigung beim Vaterschaftsurlaub möglich

Dass sich viele Männer den Vaterschaftsurlaub kürzen, verschieben oder gar streichen lassen, hängt wohl auch damit zusammen, dass es bei Vätern keine Kündigungssperrfrist gibt. Anders ist es beim Mutterschaftsurlaub: Arbeitgebende können Frauen ab dem Zeitpunkt der Empfängnis bis 16 Wochen nach der Geburt nicht kündigen. Gegen diese Ungleichheit hat die Grünen-Nationalrätin Greta Gysin eine Motion eingereicht. Diese sieht vor, dass der Vaterschaftsurlaub ebenfalls eine Sperrfrist erhält und auch beim Tod des Kindes zur Anwendung kommt. Denn es dürfe nicht sein, dass junge Väter aus Angst vor einer Kündigung den Vaterschaftsurlaub nicht beziehen.

Firmen verstossen gegen das Gesetz

Unternehmen, die den Vaterschaftsurlaub kürzen oder gar streichen, verstossen gegen das Gesetz. Das muss auf keinen Fall akzeptiert werden, sagt Personalexperte Werner Raschle, Inhaber und CEO des Personalvermittlers Consult & Pepper. Den Betroffenen rät Raschle, zuerst das Gespräch mit den Vorgesetzten zu suchen: «Der Hinweis, dass das nicht legal ist, kann oft schon viel bewirken.» Kommt es zu keiner Einigung, sollte das HR eingebunden werden. Funktioniert auch das nicht, bleibt nur noch der Gang zum Arbeitsgericht.

Länge des Urlaubs ist finanzielle Frage

Dass manche Branchen nur das gesetzliche Minimum für den Vaterschaftsurlaub erlauben, habe finanzielle Gründe, so Raschle. «Es geht heute in den meisten Fällen darum, Arbeitnehmende zu gewinnen und dann auch zu halten. Dafür steht den Firmen aber unterschiedlich viel Geld zur Verfügung», erklärt Raschle. Gerade in der Informatikbranche herrsche aber Fachkräftemangel. Dort setzten die Firmen darum stärker auf Teilzeitarbeit und grosszügigen Vaterschaftsurlaub, um gutes Personal anzuziehen. Denn das ist laut Raschle «ein echtes Bedürfnis bei jungen Vätern». Dass Angestellte bei Kantonen keinen grosszügigen Vaterschaftsurlaub erhalten, liege ebenfalls am Budget: «Kantone richten sich nach einem meist engen, politisch vorgegebenen Budget», erklärt der Personalexperte.

Weiterlesen - ein Beitrag von Barbara Scherer erschienen am 01.10.2021 auf www.20min.ch

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