Mit der Kürzung des Mutterschaftsurlaubes spart die Bank nun noch mehr Geld. Stossend erscheint das insbesondere angesichts der jüngsten Zahlen: Die Kantonalbank erwirtschaftete 2020 einen Gewinn von 46 Millionen Franken – der dritthöchste in der Firmengeschichte. Die enttäuschte Mitarbeiterin Nicole W. erhält bei ihrer Kritik Rückendeckung vom Schweizerischen Bankpersonalverband (SBPV). «Die Kürzung des Mutterschaftsurlaubes ist absolut nicht branchenüblich», wundert sich SBPV-Co-Geschäftsführerin Anne-Wienke Palm (41). «Mich überrascht vor allem, dass das ausgerechnet bei einer Kantonalbank passiert. Die stehen normalerweise für familienfreundliche Arbeitsbedingungen.» Besonders paradox: Die Schaffhauser Kantonalbank präsentiert sich in ihrem Geschäftsbericht als Pionierin in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie schreibt über sich selber etwa, sie sei «modern und fair». Geleitet wird die Bank im Übrigen von einem reinen Männergremium. In der sechsköpfigen Geschäftsleitung sitzt keine einzige Frau.
Teilzeit für Mütter entscheidender
Blick konfrontiert die Schaffhauser Kantonalbank mit den Vorwürfen. Die Bank verteidigt sich: Der Mutterschaftsurlaub könne nicht isoliert betrachtet werden. «Für Arbeitnehmende ist das Gesamtpaket entscheidend. Dieses setzt sich aus vielen Aspekten wie Arbeitsinhalt, flexiblen Arbeitszeitmodellen, Unternehmenskultur, Arbeitsplatzsicherheit, Sozialleistungen etc. zusammen. Bei der Mutterschaft respektive Vaterschaft sind der Umgang mit speziellen Wünschen bezüglich Weiterbeschäftigung, Möglichkeiten für eine längere Dauer des Urlaubs, Teilzeitmöglichkeiten etc. viel entscheidender für die Attraktivität des Arbeitgebers», heisst es in einem schriftlichen Statement. Und weiter: «Wir brauchen den Quervergleich mit anderen Arbeitgebern nicht zu scheuen.» Das sieht Gewerkschafterin Anne-Wienke Palm anders. «In anderen Banken geht die Tendenz hin zu sechs oder gar zwölf Monaten Mutterschaftsurlaub.» Die 14 Wochen bei der SHKB – das entspricht gut drei Monaten – wirken dagegen geradezu mickrig. Immerhin: Die SHKB bezahlt frischgebackenen Müttern den vollen Lohn aus. Gesetzlich vorgeschrieben wären lediglich 80 Prozent. Allerdings gilt auch diese Regel nur für Mütter mit einer bestimmten Anzahl Dienstjahren. Neuzugänge bleiben auf der Strecke.
Kein Mitspracherecht für Mitarbeiterinnen
Dass die Bank den Mutterschaftsurlaub überhaupt kürzen kann, liegt daran, dass er nicht im Arbeitsvertrag geregelt ist, sondern im Personalreglement. Auch dieses darf der Arbeitgeber allerdings nicht beliebig anpassen, erklärt Gewerkschafterin Palm: «Er muss das Okay der Arbeitnehmenden einholen. Die Mitarbeitenden müssen die Möglichkeit haben, Änderungen auch abzulehnen.» Die Schaffhauser Kantonalbank schreibt dazu: «Die Überlegungen wurden mit der Personalkommission besprochen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begründet kommuniziert.» Gerade bei kleineren Banken ein übliches Vorgehen, bestätigt Palm. Nicht überall sind die Personalkommissionen aber gleich stark aufgestellt, von einer tatsächlichen Mitsprache kann nicht immer die Rede sein. Palm kündigt daher an: «Ob das Vorgehen juristisch korrekt war, können wir derzeit nicht abschliessend beurteilen. Wir werden diesbezüglich auf jeden Fall das Gespräch mit den Mitarbeitenden der Bank suchen.» Bleibt die Frage, ob die Mitarbeitenden der Schaffhauser Kantonalbank die Änderung anstandslos hinnehmen. Die Bank selber schreibt, sie habe vonseiten der Mitarbeitenden keine negativen Reaktionen erhalten. Wahrscheinlicher ist, dass viele stumm die Faust im Sack machen. Wie Nicole W. «Es überrascht mich schon gar nicht mehr ... Es bringt auch nichts, dagegen anzukämpfen. Man kann es nur hinnehmen.»
*Name von der Redaktion geändert
Weiterlesen - ein Beitrag von Levin Stamm erschienen am 16.08.2021 auf www.blick.ch