Nach der gescheiterten Abstimmung zur Erhöhung der Kinderabzüge nimmt das Parlament die ursprüngliche Vorlage wieder auf. Eltern sollen künftig 25'000 Franken Betreuungskosten von den Steuern abziehen können.
Der Nationalrat hat der Erhöhung der Steuerabzüge am Montag mit 145 zu 32 Stimmen zugestimmt. Anstatt wie bisher 10'100 Franken sollen Eltern neu maximal 25'000 Franken an Drittbetreuungskosten pro Kind vom Einkommen abziehen können. «Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Integration von gut ausgebildeten Frauen in den Arbeitsmarkt» seien in der Wirtschaftskommission die wichtigsten Argumente für die Erhöhung gewesen, führte Sophie Michaud Gigon (Grüne/VD) aus. Insgesamt hat die Vorlage das Ziel, dem inländischen Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Kurzfristig hätte die Reform laut der Kommission Mindereinnahmen von rund zehn Millionen Franken im Jahr bei der direkten Bundessteuer zur Folge. Es sei jedoch anzunehmen, dass diese aufgrund von positiven Beschäftigungsimpulsen «auf längere Sicht» kompensiert werden. Laut Finanzminister Ueli Maurer wird davon ausgegangen, dass mit der Vorlage schätzungsweise 2500 zusätzliche Vollzeitstellen besetzt werden können.
Vorlage laut Kommission «praktisch unbestritten»
Der Vorschlag der höheren Steuerabzüge ist nicht neu. Dem Parlament lag bereits 2018 eine entsprechende Vorlage des Bundesrates vor. Die Räte ergänzten diesen jedoch kurzfristig um eine Erhöhung des allgemeinen Kinderabzugs auf 10'000 Franken, woraufhin die Ratslinke das Referendum ergriff. Sie kritisierte, dass davon nur die Reichen profitieren würden. An der Urne erzielten die Gegner dann einen Überraschungserfolg. Nur 36,8 Prozent der Stimmenden sagten Ja zur Erhöhung der Kinderabzüge. Bereits am Abstimmungssonntag war jedoch klar, dass die Ursprungsvorlage, also die Erhöhung der Abzüge für Drittbetreuungskosten, bald wieder aufgenommen wird. Das Vorhaben ist parteipolitisch breit abgestützt und war laut der Wirtschaftskommission im Abstimmungskampf «praktisch unbestritten». Man habe damals auch versprochen, diesen Teil weiterzuführen, sagte Jacqueline Badran (SP/ZH).
«Affront» gegenüber denjenigen, die die Kinder selbst betreuen
Für eine Minderheit der grossen Kammer war es aber nicht angebracht, das Thema so kurz nach dem Nein an der Urne wieder aufzugreifen. «Das Volk hat diese Vorlage bereits abgelehnt», erklärte Marcel Dettling (SVP/SZ). Diese sei zudem «ein Affront» gegenüber jenen Elternteilen, die ihre Kinder selber betreuen. «Wenn Sie schon die Abzüge erhöhen, dann für alle», so Dettlings Parteikollegin Esther Friedli (SG). Der Antrag, gar nicht erst auf die Vorlage einzutreten, scheiterte jedoch. Eine weitere Kommissionsminderheit mit Vertretern von Die Mitte und SVP wollte zudem einen erneuten Versuch wagen, mit der aktuellen Vorlage den allgemeinen Kinderabzug von heute 6500 auf 8250 Franken erhöhen. Sie sahen darin einen Kompromiss zwischen dem Status quo und dem Volks-Nein zu einer Erhöhung auf 10'000 Franken. «Es sollen auch Familien honoriert werden, die ihre Kinder selber betreuen», so Leo Müller (Die Mitte/LU). Der Antrag wurde aber schliesslich mit 104 zu 79 Stimmen abgelehnt. Jacqueline Badran sprach in der Debatte von einer «Zwängerei». Es brauche keinen Ausgleich, sagte Franziska Ryser (SG) im Namen der Grünen. Denn es handle sich nicht um eine Entlastungsvorlage für Familien, sondern um eine Fachkräfte-Vorlage. Nach dem Nationalrat geht die Vorlage nun in den Ständerat.
Weiterlesen - ein Beitrag von Alice Guldimann erschienen am 14. Juni 2021 auf www.aargauerzeitung.ch