Eine Initiative der Baselbieter SP verlangt kostenlose Kinderbetreuung für alle. Die Eidgenössische Kommission für Familienfragen begrüsst dies. Dem Arbeitgeberverband geht die Initiative zu weit.
In Frankreich und Belgien gehen Kinder ab drei Jahren in die École Maternelle, in Schweden und Finnland haben Eltern einen Rechtsanspruch für Kinderbetreuung ab null beziehungsweise einem Jahr. Die Kosten dafür trägt der Staat. In der Schweiz müssen sich Familien gemäss ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an den Betreuungskosten für Kita-Plätze beteiligen. Baselland ist diesbezüglich der zweitteuerste Kanton der Schweiz, das soll aber bald anders sein, wenn es nach der SP geht.
Dort verlangt die SP per Volksinitiative kostenlose Kinderbetreuung für alle. «Die Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung ist – genau wie jene der Volksschule – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und soll solidarisch über das progressive Steuersystem erfolgen», sagt Miriam Locher, Präsidentin der SP Baselland und des Initiativkomitees. Am Dienstag werden die 3285 Unterschriften der Kantonsregierung übergeben. Gesammelt hat sie die SP am Samstag innert eines Tages. «Das zeigt, dass das ein grosses Anliegen der Bevölkerung ist», so Locher.
Eine gleichlautende Initiative der SP ist auch im Kanton Basel-Stadt bereits bei der Regierung hängig. Die SP Schweiz beobachtet das Geschehen in den beiden Kantonen mit Interesse und schliesst «weitere Massnahmen auf nationaler Ebene» nicht aus. In den beiden Basel haben nun die jeweiligen Kantonsregierungen den Auftrag gefasst, eine Vorlage zu erarbeiten, die die Anliegen der Initiativen aufnimmt und dem Volk vorlegt.
«Situation in der Schweiz teilweise schockierend»
Die Eidgenössische Kommission für Familienfragen begrüsst die beiden Basler Initiativen. «Unsere Haltung ist klar, der Staat muss sich finanziell stärker an den Betreuungskosten beteiligen», sagt EKFF-Geschäftsführerin Nadine Hoch. Die Situation sei in der Schweiz teilweise «schockierend», wie auch eine Studie der Credit Suisse zu den Betreuungskosten in über 190 Gemeinden unlängst gezeigt habe. Hoch ist sich sicher: «Das Thema hat durch die Corona-Krise und die Debatte über systemrelevante Tätigkeiten an Bedeutung gewonnen.»
Dass das Betreuungsangebot zu knapp und die Kosten deutlich zu hoch sind, darüber herrscht in der Schweiz breiter Konsens in Politik und Wissenschaft. «Die Schweiz ist diesbezüglich nachweislich rückständig», sagt der Chefökonom des Arbeitgeberverbands Simon Wey. Die Initiative der SP geht Wey aber zu weit. Er glaubt auch, das sei nicht mehrheitsfähig. «Es soll etwas kosten, jedoch darf der Erwerbsanreiz dadurch nicht negativ tangiert werden», sagt er.
Zuschüsse nicht nur für tiefe Einkommen
Das ist heute aber oft der Fall. «Der Grund, dass gut ausgebildete Frauen ihr Arbeitspensum nicht erhöhen, ist häufig, dass Betreuungsangebote zu teuer sind oder ganz fehlen», so Wey. Bislang seien Zuschüsse vor allem für tiefere Einkommen gedacht gewesen, erklärt Nadine Hoch. «Das ist falsch», sagt sie. Die EKFF empfiehlt deshalb, dass auch höhere Einkommen mit Beiträgen unterstützt werden sollten. Auch höhere Steuerabzüge seien wünschenswert. Auch diesbezüglich herrscht in der Schweiz heute Wildwuchs. Während im Wallis 3000 Franken abzugsfähig sind, können im Uri sämtliche Betreuungskosten abgezogen werden.
Weiterlesen - ein Beitrag von Lukas Hausendorf erschienen am 1. Juni 2021 auf www.20min.ch