Gleichstellungsgesetz: Neue Studie analysiert Rechtsprechung des Bundesgerichts

In 27 Prozent der Fälle wurden Beschwerden auf der Basis des Gleichstellungsgesetzes vor Bundesgericht gutgeheissen. Das zeigt eine Studie, die im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann durchgeführt wurde. Sie zeigt auch, dass zwei Drittel der Fälle Lohndiskriminierung betreffen. Mehr als die Hälfte aller Fälle stammen aus dem Gesundheits- oder Bildungswesen. Der Bericht empfiehlt unter anderem, den Arbeitnehmenden den Zugang zur Justiz bei Diskriminierungen im Erwerbsleben zu erleichtern.

Die Studie analysiert die 81 Urteile, die das Bundesgericht im Zeitraum zwischen 2004 und 2019 gestützt auf das Gleichstellungsgesetz gefällt hat. Zwei Drittel der Fälle betreffen Beschwerden wegen Lohndiskriminierung. Diese sind in 40 Prozent der Fälle erfolgreich. Beschwerden wegen sexueller Belästigung werden in 29 Prozent gutgeheissen. Bei diskriminierenden Kündigungen heisst das Bundesgericht 7 Prozent der Beschwerden gut. Dies bedeutet jedoch nicht immer, dass die arbeitnehmende Partei ihren Fall schliesslich auch gewinnt. Das Bundesgericht weist die Fälle nämlich häufig zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück. 

Mehr als die Hälfte aller Fälle, mit denen sich das Bundesgericht befasste, betrafen Berufe im Gesundheits- oder Bildungswesen. In 63 Prozent der Urteile ging es um öffentlichrechtliche Arbeitsverhältnisse. Ob Personen in privatrechtlichen Arbeitsver­hältnissen das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes als höher einschätzen und daher auf einen Weiterzug ans Bundesgericht verzichten, kann in der Studie nicht abschliessend beantwortet werden. Ebenso zeigt sich, dass meist Privatpersonen ans Bundesgericht gelangen - Verbände sind sehr zurückhaltend bei der Anwendung ihres Klagerechts.

Die im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann von der Universität Genf durchgeführte Studie ergänzt die Kenntnisse über die Gerichtspraxis zum Gleichstellungsgesetz. 2017 wurde bereits die kantonale Rechtsprechung untersucht.

Die Studie enthält verschiedene Empfehlungen. Sie zielen darauf ab, den Zugang zum Recht bei Diskrimi­nie­run­gen im Erwerbsleben zu verbessern und legen etwa nahe, das Verbands­kla­gerechts zu stärken oder die Beweislasterleichterung für Fälle von sexueller Be­lästigung und Anstellungsdiskriminierung erneut zu prüfen. Letzteres würde bedeuten, dass die Beschwerdeführenden die Diskriminierung lediglich glaubhaft machen, aber nicht beweisen müssen. Ebenso müsse die Weiterbildung von Richterinnen und Richtern, Anwältinnen und Anwälten sowie Mitgliedern von Schlichtungsbehörden verbessert und die Information der Öffentlichkeit über das Gleichstellungsgesetz verstärkt werden.  

Das Gleichstellungsgesetz trat 1996 in Kraft. Es verbietet Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts im Erwerbsleben. Die tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann in der Arbeitswelt ist auch für den Bundesrat von hoher Priorität: Sie bildet einen der Schwerpunkte der nationalen Gleichstellungsstrategie, die dieses Jahr ver­abschiedet werden soll.

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