Eltern wollen von ihren Kindern bewundert werden – und strengen sich daher an im Job

Familie und Karriere miteinander zu vereinbaren, ist anspruchsvoll. Worüber kaum jemand spricht: Kinder können die Eltern auch zu Höchstleistungen im Beruf anspornen.

Was würden Sie denken, wenn Ihre Chefin Ihren Eltern einen Brief schreiben würde – und sich darin dafür bedankt, dass es Sie gibt? Die einen wären erstaunt, irritiert – andere vielleicht geschmeichelt. Und genau das tat Indra Noovi: In ihren zwölf Jahren als CEO von Pepsi verschickte sie jedes Jahr 400 handgeschriebene Briefe an die Eltern ihrer Führungskräfte. «Ich schrieb, was ihr Kind bei Pepsi macht und dass ihr Kind ein Geschenk für das Unternehmen ist», erklärte Noovi im Jahr 2017 in einer amerikanischen TV-Show. Viele Eltern hätten geantwortet, dass sie sich geehrt fühlten. Und auch die Führungskräfte freuten sich über das Kompliment.

Mit dieser Aktion wollte Indra Noovi zeigen, wie wichtig es ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Leistungen nicht nur isoliert zu betrachten, sondern im Kontext ihrer Familien. Nicht nur die Herkunftsfamilie ist dabei von Bedeutung, sondern auch die eigenen Kinder und der Partner oder die Partnerin. Denn entgegen der landläufigen Meinung, dass die Gründung einer Familie ein Karrierekiller sei, kann sie auch ein Motivationsfaktor sein: Wer Kinder hat, strengt sich bei der Arbeit überdurchschnittlich an. Das geht aus einer Studie des Center for Leadership in the Future of Work der Universität Zürich aus dem Jahr 2017 hervor. Das Management-Magazin «Harvard Business Review» hat im Juni über diese und andere Studien aus verwandten Forschungsfeldern in einem Artikel berichtet.

Familie als Energiequelle

Die Studienautoren haben in der Wüste Nordmexikos 97 Angestellte über einen bestimmten Zeitraum in einer sogenannten Maquiladora beobachtet. Dabei handelt es sich um Montagefabriken entlang der Grenze zu den USA. Die Bezahlung ist schlecht, und die Arbeiten sind stark repetitiv, machen also kaum Spass. Es zeigte sich, dass diejenigen die besten Leistungen erbrachten, die nicht nur für ihr eigenes Fortkommen arbeiteten, sondern weil sie ihre Familie damit ernähren.

Die Autoren der Studie erklären sich diese Motivation dadurch, dass Mütter und Väter von ihren Kindern bewundert werden wollen. Es sei ihnen wichtig, dass die Kinder sehen würden, dass sie gute Arbeit leisteten. Diese Eltern möchten laut der Studie ein Vorbild sein und dem Nachwuchs eine gute Arbeitsmoral vermitteln.

Die Studie ist aber mit Vorsicht zu geniessen: Sie wurde bewusst mit Arbeitnehmern aus dem Niedriglohnsektor durchgeführt. Denn bei Jobs für Hochqualifizierte gibt es weit mehr Faktoren als nur die Familie, die einen Einfluss auf die Motivation der Mitarbeiter haben können. Sei es, weil die Arbeit Freude bereitet, Sinn stiftet, einen gesellschaftlichen Status mit sich bringt oder mit einem guten Salär verbunden ist.

«Wenn die Eltern arbeiten, lernen die Kinder bereits früh etwas über die Arbeitswelt», sagt der Ökonomieprofessor Jochen Menges von der Universität Zürich. Er hat die Studie mitverfasst und ist überzeugt, dass Kinder den nichtmonetären Wert der Arbeit ihrer Eltern erkennen, wenn auch nicht in ihrer ganzen Komplexität.

Familien in Unternehmen einbinden

Und auch wenn die meisten Menschen in eine Familie eingebunden sind, sehen viele Unternehmen Kinder immer noch eher als Konkurrenz im Kampf um die begrenzte Zeit und Energie des Arbeitnehmers. «Die Tatsache, dass Familie für die Arbeit motivierend wirken kann, wurde bisher schlicht übersehen», sagt Menges. Der Arbeitgeber müsse dankbar sein, dass die Familie die Arbeit des Mitarbeiters mittrage. Das Privatleben sei für einen Arbeitnehmer denn auch ein Ausgleich und keine Doppelbelastung, auch wenn das Familienleben, genauso wie das Arbeitsleben, anstrengend sein könne.

Hinzu kommt, dass Mitarbeiter mit Kindern bei der Erziehung Dinge erlernen, die ihnen im Beruf durchaus nützlich sein können. Eine Studie aus dem Jahr 2022 von Nina Maureen Junker, Eugenia Bajet Mestre, Jamie L. Gloor und Alina S. Hernandez Bark zeigt, dass die verschiedenen Rollen bei der Arbeit oder zu Hause nicht in Konflikt stehen müssen, sondern sich vielmehr ergänzen können. Eine entsprechende Untersuchung bei Frauen hat ergeben, dass sie durch die Mutterschaft Führungsfähigkeiten aufbauen. Allerdings können solche Fähigkeiten auch abseits von Mutterschaft erlernt werden.

Da die Familien indirekt zum Erfolg der Unternehmen beitragen, empfiehlt Menges, bei Firmenanlässen auch die Angehörigen der Mitarbeiter einzubeziehen. Ein gutes Beispiel dafür sei der Zukunftstag in der Schweiz, bei dem die Eltern ihre Kinder zur Arbeit mitnehmen könnten.

Greedy Jobs

Ziel seiner Studie sei auch, eine positivere Bilanz für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ziehen, sowohl für Frauen als auch für Männer. Viele hätten das Gefühl, weder zu Hause bei den Kindern noch im Job zu genügen, sagt Menges. «Davon sollten wir wegkommen. Die Arbeit gibt der Familie viel, und das verstehen auch die Kinder.» Eine grössere Akzeptanz von Teilzeitarbeit oder neuen Arbeitszeitmodellen wie der Vier-Tage-Woche könnte zudem helfen, die Motivationsreserven sowohl von Frauen als auch von Männern aufzufüllen, so Menges.

Unbestritten bleibt jedoch, dass die Gründung einer Familie vor allem von den Frauen als Karrierekiller gesehen wird. Weshalb das so ist, beantwortet die Harvard-Professorin Claudia Goldin in ihrer Arbeit «Greedy Jobs», für die sie im Jahr 2023 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt. Mit dem Begriff «gierige Arbeit» zeigte sie auf, dass der Lohn mit zusätzlichem Arbeitseinsatz in vielen Jobs überproportional steigt. Wer an den Wochenenden und am Abend arbeitet, macht also eher Karriere als jemand, der um 17 Uhr gehen muss und Teilzeit arbeitet, weil er zu Hause mit den Kindern noch einen zweiten Job hat. Folglich würden sich die Karriere- und Lohnaussichten verschlechtern.

Die Studie des Center for Leadership in the Future of Work der Universität Zürich trifft auf Teilzeitmitarbeiter genauso zu wie auf Vollzeitmitarbeiter. So dürften auch Frauen im Teilzeitpensum eine Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit erleben – im Wissen, dass sie den Kindern zu Hause damit ein Vorbild sind. Von einem Karriere-Boost kann allerdings keine Rede sein.

Weiterlesen - ein Beitrag von Isabelle Wachter

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